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Österreich ist neben Deutschland einer der wichtigsten Fürsprecher Kroatiens in der EU. Die kroatische Regierung plant nun, »Volksdeutsche«, die nach 1945 ausgesiedelt wurden, zu »entschädigen«. von boris kanzleiter, belgrad

Gleich an zwei Fronten muss Kroatiens Premierminister Ivo Sanader derzeit unpopuläre Kämpfe führen. Nach der Verhaftung des mutmaßlichen Kriegsverbrechers General Ante Gotovina und seiner Überführung an das UN-Tribunal in Den Haag bekommt die rechtskonservative kroatische Regierung Druck von der eigenen Klientel. Während in Split auf der größten De­mons­t­ra­ti­o­nen seit der Unabhängigkeitserklärung vor 15 Jahren etwa 70 000 Unterstützer des Generals seine sofortige Freilassung forderten, muss Sanader die Zusammenarbeit mit Den Haag verteidigen, um Kroatiens Weg in die Europäische Union zu sichern.

Und auch in einem anderen Streitfall verlangt Eu­ropa Kroatien Opfer ab. Um die Vertriebenenverbän­de in Kroatiens wichtigster europäischer Schutzmacht Österreich zufrieden zu stellen, sollen bald Mitglieder der nach 1945 ausgesiedelten »volksdeutschen« Minderheit früheres Eigentum zurückfordern können. Zu diesem Zweck wurde nach langen Diskussionen Ende November ein Abkommen zwischen Kroatien und Österreich geschlossen. Falls dieses wie geplant vom kroatischen Parlament ratifiziert wird, wird eine absolute Neuerung möglich: Die »Volksdeutschen« und ihre Nachkommen würden Immobilien und Grundstücke zurückbekommen, die nach dem Kriegsende konfisziert wurden.

Der historische Hintergrund ist dabei hinlänglich bekannt. Wie überall in den von der deutschen Wehrmacht okkupierten Gebieten Ost- und Südosteuropas unterstützte auch in Kroatien die lokale »volks­deutsche« Minderheit in ihrer großen Mehrheit das Dritte Reich. Unter den etwa 500 000 Deutschen im ehemaligen Jugoslawien wurde die SS-Divi­sion Prinz Eugen ausgehoben. Die Deutschen genossen Privilegien und Machtzuwachs.

Mit dem Sieg der kommunistischen Partisanenbewegung war es mit der Herrlichkeit allerdings schnell vorbei. Ein großer Teil der »Volksdeut­schen« floh bereits mit der abziehenden Wehr­macht. Die Verbliebenen wurden mit repressiven Maßnahmen überzogen, sofern sie nicht erklärte Unterstützer der Partisanen waren. Die jugoslawischen Behörden entzogen ihnen die Staatsbürgerschaft und konfiszierten ihr Eigentum. Bis auf wenige Tausend verließen sie das Land in Richtung Deutschland oder nicht selten Österreich. Kroatien war bis 1918 ein Bestandteil der Habsburgermonarchie.

Obwohl die Deutschfreundlichkeit in Kroatien nach der Unterstützung Hitlers bei der Bildung des ersten unabhängigen kroatischen Staats 1941 und der Unterstützung Deutschlands und Österreichs bei der Bildung des zweiten unabhängigen Kroatien im Jahr 1991 sehr ausgeprägt ist, stößt die Initiative auf Rückgabe des Eigentums der »Volks­deutschen« auf große Ablehnung. In einer barschen Reaktion verwies Staatspräsident Stjepan Mesic darauf, dass die Frage der Entschädigungen bereits durch Verträge zwischen dem alten Jugoslawien und Österreich geregelt sei. Der ehe­malige Premier Ivica Racan von den Sozialdemokraten befürchtet, der Vertrag könne eine »Büchse der Pandora« öffnen. Auch weitere Entschädigungsforderungen, vor allem die der ebenfalls ausgesiedelten italienischen Minderheit, könnten die Folge sein.

Hier liegt auch die internationale Bedeutung eines späten Triumphs der Vertriebenenverbände in Kroatien. Ähnliche Forderungen an andere Staaten wie Polen und Tschechien könnten gestellt werden. Auf der Homepage des Verbandes der Donaudeutschen kann bereits der Antrag auf Anmeldung von Restitutionsforderungen in Serbien heruntergeladen werden.