»Rebellion würde die Partei sprengen«

Julia Bonk

»Schöner leben mit Drogen?« Unter diesem Motto wollte der Jugendverband der Linkspartei in Sachsen eine Wahlkampftour durch mehrere Städte durchführen. Die Forderung, alle Drogen zu legalisieren, ging der Parteispitze jedoch zu weit. In der vergangenen Woche sagte der Landesvorstand die Tour kurzerhand ab. Die sächsische Landtagsabgeordnete der Linkspartei, Julia Bonk, spricht sich für die kontrollierte Freigabe aller Drogen aus. Diesen Standpunkt wollte sie auch im Wahlkampf vertreten. Mit ihr sprach Markus Ströhlein.

Die CDU, die FDP und die Bild-Zeitung haben sich empört auf Ihre Wahlkampftour »Schöner leben mit Drogen?« gestürzt. Das ist nicht verwunderlich. War es eine Überraschung für Sie, dass auch Ihre eigene Partei so heftig reagiert hat?

Es gab vor einem halben Jahr schon einmal eine Debatte zur Drogenpolitik. Das Thema wird überall, auch in meiner Partei, sehr emotional behandelt. Es war deshalb klar, dass nicht nur die CDU, die FDP und die Medien so reagieren. Auch in der Linkspartei gibt es kulturelle Unterschiede und verschiedene Positionen. Man muss auch beachten, dass ein solches Thema im Wahlkampf noch viel sensibler aufgenommen wird und Entscheidungen in Streitfragen schneller getroffen werden müssen.

Es erscheint so, als hätte der Parteivorstand die Tour auf rigide Art abgesagt.

Dass wir diese Veranstaltungen durchführen wollten, war in der Partei seit längerem bekannt. Da die Medien unser Vorhaben aber derart skandalisiert haben, sind die für den Wahlkampf zuständigen Akteure zu der Einschätzung gekommen, dass unsere Kampagne eine negative Wirkung habe. Sie haben die sofortige Absage verlangt. Unterhalb dieser Ebene haben dann aber die Verhandlungen eingesetzt.

Der erste Stand dieser Verhandlungen war, dass wir die Tour zwar absagen, die Veranstaltungen aber mit einem anderen Schwerpunkt durchführen, allein deshalb, weil wir etliche Leute bereits eingeladen hatten. Das wurde von den Medien aber so ausgeschlachtet, als rebelliere die Parteijugend gegen die Parteiführung. Deshalb haben wir gemeinsam beschlossen, auch auf die Veranstaltungen zu verzichten, um weitere Schäden von der Partei abzuwenden und den zwiespältigen Eindruck zu vermeiden.

Gibt der Jugendverband der Linkspartei in Sachsen also letztlich klein bei, wenn die Partei nein sagt?

Man darf das in einer Organisation, die gemeinsam Politik betreibt, nicht so sehen. Natürlich können wir die Wünsche und Vorgaben nicht ignorieren, die aus der Partei kommen. Man muss versuchen, einen gemeinsamen Weg zu finden. Die pure Rebellion würde die Organisation sprengen. Daran hat im Wahlkampf natürlich niemand ein Interesse. Im Wahlkampf sind jetzt ohnehin andere Themen wichtig wie die Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik.

Verpasst die Linkspartei mit der Entscheidung nicht die Chance, sich auch auf einem anderen Gebiet zu Wort zu melden und sich vom Image der reinen Protestpartei gegen Hartz IV zu lösen?

Das war unser Ansatz. Gerade in der Drogenpolitik zeigt sich, welches Staatsverständnis eine Partei hat, wie viel Selbstbestimmung eine Partei dem einzelnen Menschen zugestehen möchte. Neben dem Motiv, abhängige Menschen aus der kriminellen Ecke zu holen, gibt es für uns das Argument, Menschen selbst entscheiden zu lassen, wie sie ihr Leben führen wollen. Das ist für mich ein Grundmotiv linker Politik.

Ich denke, es gibt durchaus Menschen, denen das wichtig ist. Deshalb hatten wir das Thema für den Wahlkampf ausgewählt. In den Medien wurde es so dargestellt, als verlangten wir Heroin für Kinder. Nach den Wahlen werden wir das Thema in der Partei erneut besprechen. Wir werden damit sicher auch wieder an die Öffentlichkeit gehen.

Wie hätten Sie dem Thema Drogenkonsum mit seinen angenehmen, aber auch schlimmen Seiten in Ihren Veranstaltungen Rechnung getragen?

Die Wahlkampftour hat sich, so wie sie geplant war, auf den Text zur Drogenpolitik im Jugendwahlprogramm der PDS-Jugend Sachsen gestützt. Dort ist unsere Meinung zu dem Thema sehr ausgewogen dargestellt. Wir befürworten darin den selbst bestimmten Drogenkonsum, verbinden das aber auch mit der Forderung nach einer frühzeitigen Aufklärung junger Menschen über die spezifischen Risiken der verschiedenen Drogen und nach einer Suchtbehandlung, die sich an den Bedürfnissen der Abhängigen orientiert.

Wichtig wäre es für uns auch, den Konsumenten mit der Freigabe von Drug-Checking-Systemen die Möglichkeit zu geben, die Qualität ihrer Drogen zu überprüfen. Diese präventive Seite hätten wir vielleicht in unserer Pressearbeit stärker herausstellen sollen, um den Medien weniger Pulver für ihr Skandalgetöse zu liefern. Die Presse wird sich wahrscheinlich immer auf das Thema stürzen. Der jetzige Zeitpunkt war aber besonders schlecht.

1999 hat die PDS-Fraktion im Bundestag die Entkriminalisierung von Cannabisprodukten und harten Drogen gefordert. Die Haltung, die die Linkspartei jetzt einnimmt, ist daran gemessen nicht unbedingt ein Fortschritt.

Die Haltung der damaligen Bundestagsfraktion zeigt, dass es in der Partei ein recht breites Spektrum an Meinungen gegeben hat und gibt. Die Fraktion war in diesem Punkt sehr fortschrittlich. Auch andere Beschlüsse der PDS weisen in diese Richtung, sind aber letztlich nicht so konsequent. Leider hat sich die Haltung nicht auf allen Ebenen durchgesetzt. Dafür muss noch gesorgt werden.

Zeigt sich in der Drogenpolitik nicht auch die Kluft in ihrer Partei zwischen einem libertären und einem kulturell konservativen Flügel?

Vieles in der innerparteilichen Diskussion über die Drogenpolitik hängt davon ab, welche Erfahrungen die einzelnen mit Drogen gemacht haben. Redet man mit älteren Leuten im Westen, die eigene Erfahrungen mit Cannabisprodukten gemacht haben, ist die Diskussion recht entspannt. Hier in der Gegend ist das schwieriger. Die Erfahrungen mit Drogen sind nicht sonderlich groß, die Menschen sind anders sozialisiert und haben ein ganz anderes Grundverständnis.

Wenn man mit den Leuten länger redet und die Sachverhalte erklärt, findet man Verständnis. Wenn die Leute erfahren, welche Sicherheitsmaßnahmen, Qualitätsprüfungen und Altersbeschränkungen uns beim Drogenkonsum vorschweben und wie der Verkauf der Drogen stattfinden soll, sind die meisten einsichtig. Ich bin zuversichtlich, dass wir unsere Position in der Zukunft erfolgreich in die Partei einbringen können.

Das Durchschnittsalter der Mitglieder der Linkspartei in Sachsen liegt über 60 Jahren. War es nicht absehbar, dass man mit dem Slogan »Schöner leben mit Drogen?« nicht unbedingt den Nerv der Parteibasis trifft?

Das Alter ist nicht der entscheidende Punkt. Die Partei besteht aus verschiedenen Akteuren, entscheidend ist es doch, einen Grundkonsens zu finden. Für mich liegt er in der Drogenpolitik im Motiv der Selbstbestimmung. Man müsste die Frage, wie man Drogenabhängigen hilft, noch eingehender diskutieren. Es ist nicht so, dass die Mitglieder der Linkspartei, die ich in den Basisorganisationen in Sachsen getroffen habe, unsensibel für das Thema wären. Viele machen zwar keine direkten Erfahrungen mit illegalisierten Drogen. Aber über ihre Kinder oder Enkel gibt es dann doch Eindrücke. Da heißt es dann eben: Wir trinken unser Bier, und die anderen sollen nehmen, was ihnen gefällt.