Nachrichten

»Der Mond ist jetzt ein Ami«

Peter Boenisch. Besser als die Bild hätten es selbst die Klassenkämpfer aus der Jungle World mit Faible für kultivierte Halodris nicht formulieren können. Zum Tod des dreisten Steuerhinterziehers, langjährigen Chefs von Deutschlands größtem Revolverblatt und Kohl-Kumpels wurde getitelt: »Wo er war, war oben, aber er schaute auf niemanden herab.«

Peter Boenisch hat bis zum letzten Atemzug seinen Beruf ausgeübt. »Auch auf seinem Totenbett tat Peter Boenisch, was er seit über 40 Jahren getan hatte: Er diktierte Kommentare für Bild«, wird ihm nachgerufen. Allerdings herrschte in den letzten Jahren nicht mehr nur noch eitel Sonnenschein im Verhältnis zwischen Boenisch und Springer-Verlag. Seinen Stuhl im Aufsichtsrat musste er räumen, seine Kolumne in Bild wurde gekündigt. Anlass für das Zerwürfnis sollen gewisse Sympathien für den ehemaligen Steineschmeißer und heutigen Außenminister gewesen sein, die Boenisch bei einem Treffen mit Joschka Fischer in einer Berliner Pizzeria plötzlich entdeckt hatte. In seiner Amtszeit als Bild-Chef hatte er seinen Lesern eingetrichtert, bei den protestierenden Studenten und Spontis handele es sich um »Linksfaschisten«. Jetzt schaute er gnädig auf die Verbrecher von einst, ging mit ihnen italienisch essen und forderte sogar in Bild, man müsse Fischer an seinen heutigen Leistungen messen, nicht an seiner Vergangenheit. Das war natürlich ein Skandal in einem Blatt, das die Kampagne gegen den Außenminister mit der »militanten Vergangenheit« anführte.

Auf jeden Fall verdankt der deutsche Journalismus dem im Alter von 78 Jahren Verstorbenen unvergessene Schlagzeilen. Zum Beispiel 1969 aus gegebenem Anlass diese: »Der Mond ist jetzt ein Ami.« (her)

Der Mitmacher

Pierre Michelot. Im Alter von 16 Jahren begann Pierre Michelot seine Karriere als Jazzbassist. Der Franzose war in den Fünfzigern und Sechzigern ein beliebter Begleitmusiker für durch Frankreich tourende amerikanische Jazzgrößen. Michelot spielte mit Coleman Hawkins, Thelonious Monk, Lester Young und vielen anderen. Ende der Fünfziger gründete er zusammen mit einem Schlagzeuger und einem Pianisten das Trio Play Bach, das sich, nach dem Vorbild des amerikanischen Modern Jazz Quartet der Verjazzung Bachs widmete. Auch an der Filmmusik von Louis Malles »Fahrstuhl zum Schafott«, die von Miles Davis und seiner Band eingespielt wurde, war er beteiligt. Später hatte er noch einen Auftritt in dem Film »Round Midnight«, der in Paris lebende amerikanische Jazzmusiker porträtierte. Letztlich blieb Michelot aber eine der vielen unbekannten Größen des Jazz, ein klassischer Sideman des Bebop ohne Gesicht. Unter eigenem Namen wurden fast gar keine Aufnahmen von ihm veröffentlicht. Pierre Michelot ist im Alter von 77 Jahren verstorben. (aha)

Endlich im Knast

Lil’ Kim. Der Knastaufenthalt gehört im HipHop mit zum Geschäft. Wer im Gefängnis saß, kommt oftmals gestärkt im HipHop-Betrieb an, als offiziell anerkannter Gangster muss man sich um seine Glaubwürdigkeit – und nichts ist wichtiger im HipHop – keine Sorgen mehr machen. Zumindest gilt das für die Männer.

Wie sich das bei den Frauen verhält, muss erst noch herausgefunden werden. Denn bislang wurden ausschließlich männliche Rapper eingebuchtet. Doch nun wurde der HipHop-Star Lil’ Kim, die mit bürgerlichem Namen Kimberly Jones heißt, für ein Jahr wegen Meineids verurteilt. Wenn man die 20 Jahre bedenkt, die für sie zur Diskussion standen, ist sie noch ziemlich gut weggekommen.

Kimberly Jones wurde für schuldig befunden, vor Gericht bewusst gelogen zu haben. Ihrem Manager und einem weiteren Vertrauten wurde vorgeworfen, vor viereinhalb Jahren in eine Schießerei verwickelt gewesen zu sein. Jones war am Tatort, hatte aber geleugnet, die beiden Männer dort gesehen zu haben. Dass sie gelogen hatte, gab sie nun unter Tränen vor Gericht zu.

Lil’ Kims Karriere war zuletzt ziemlich ins Stocken geraten. Bekannt und erfolgreich wurde sie als Rapperin, die man zur postfeministischen Ikone adelte. Sie inszenierte sich als typische »HipHop-Bitch«, die anders als in all den Rapvideos der Jungs aber kein dauerwilliges »Fickfleisch« in Prada-Klamotten war, sondern das Mädchen, das alle haben wollen, die sich ihre Partner aber selbst heraussucht. Das Modell Lil’ Kim schien sich über die letzten Jahre jedoch verbraucht zu haben, was auch daran lag, dass selbstbestimmten weiblichen Rollen im HipHop-Betrieb immer weniger Raum zugestanden wird. Die einzige Rapperin, die in den letzten Jahren konstant erfolgreich war, ist Missy Elliott. Und diese kann in der Rap-Oberliga vor allem deswegen mitmischen, weil sie von den Jungs als eine der ihren anerkannt wird, eine, die echt was kann und nicht wie Lil’Kim angeblich nur von der Arbeit der Kerle profitiert.

Doch nun landet Lil’ Kim eben im Gefängnis, womit sie doch noch aufgenommen werden könnte in den Club der Echten. Mitte September muss sie ihre Haftstrafe antreten, kurz vorher wird ihre neue Platte erscheinen. Man darf gespannt sein, wie sich ihr Vergehen auf die Verkaufszahlen auswirken wird. (aha)

Suicide-Schäfchen

Tiere. Ganz und gar keine guten Hirten hatte eine Schafherde in der türkischen Provinz Van in der Nähe der irakischen Grenze. Während die Aufpasser abseits ihrer Schützlinge in aller Gemütsruhe frühstückten, schritten die Schafe so entschlossen zum kollektiven Selbstmord wie sonst nur irgendwelche Sektenheinis. Türkischen Zeitungen zufolge stürzten sich die Tiere in eine Schlucht. Waren sie depressiv? Offenbar folgten die Schäfchen in einem Anfall von Herdentrieb ihrem Leittier in den Abgrund. Wahrscheinlich bewahrten die ersten 400 tödlich verunfallten Tiere ihre nachstürzenden 1 100 Artgenossen vor dem Tod, weil ihre Körper die Wucht des Aufpralls abfederten. 62 000 Euro waren die Tiere wert. Vielleicht achten die Hirten beim nächsten Mal einfach besser auf ihre Schäfchen. (her)