Toleranz für den Widerstand

Nach dem Mord an einem Gewerkschafter in Bagdad diskutiert die britische Friedensbewegung über Solidarität mit irakischen Terroristen. von matthias becker

Am 4. Januar wurde der Gewerkschafter Hadi Saleh in Bagdad erschossen. Der Auslandsvertreter der Iraqi Federation of Trade Unions (IFTU) hatte zuvor wiederholt Todesdrohungen erhalten, so wie viele andere Gewerkschaftsaktivisten im Irak. Der Vorsitzende der IFTU, Nozad Ismail, beispielsweise entkam im vergangenen Jahr nur knapp zwei Mordanschlägen. Der Terror richtete sich nicht nur gegen Funktionäre, sondern auch gegen Arbeiter, die bei Wiederaufbaumaßnahmen beschäftigt sind.

Einige britische Gewerkschaften drückten sofort nach Bekanntwerden der Tat ihre Empörung aus. Aber der Mord, der wahrscheinlich auf das Konto von Anhängern der Ba’ath-Partei geht, hatte noch eine andere Wirkung: Er löste mit einiger Verspätung eine Debatte über die Solidarität mit dem »irakischen Widerstand« aus und bewirkte eine Spaltung innerhalb der Friedensbewegung. Das Bündnis Stop the War Coalition (StWC), das in Großbritannien zusammen mit muslimischen Vereinigungen die Massendemonstrationen gegen den Irak-Krieg organisierte, hatte bis dahin den Terror im Irak beharrlich ignoriert. Dafür wird die internationale Solidarität plötzlich von ganz anderen Strömungen hochgehalten,

Etwa von der Tageszeitung The Times, die seit kurzem ihre Sympathie für die Arbeiterbewegung entdeckt hat. Konservative und rechte Sozialdemokraten benutzen die terroristischen Anschläge, um nachträglich den Angriff auf den Irak zu rechtfertigen.

Angestoßen wurde die Debatte durch einen Kommentar in der liberalen Tageszeitung The Independent. Hier wurde die Linke scharf kritisiert für ihre angeblich blinde Solidarität mit jenen Irakern, die je nach Standpunkt »Aufständische«, »Terroristen« oder »Milizen« genannt werden. Beispiele für eine äußerst zweideutige Haltung zum »irakischen Widerstand« gibt es tatsächlich reichlich. Ein beträchtlicher Teil der Friedensbewegung, deren Reste mittlerweile von der trotzkistischen Socialist Worker Party (SWP) verwaltet werden, hält Attentate auf die »Kollaborateure« für legitim und die Vorgänge im Irak für einen »nationalen Befreiungskampf«. In einem Brief bekräftigte die StWC-Sprecherin Lindsey German noch Anfang Januar ihre Überzeugung von »der Legitimität des Kampfes der Iraker gegen die Besatzung, mit allen Mitteln, die sie für nötig halten«.

Der Konflikt eskalierte bei der Haltung zu den verschiedenen irakischen Gewerkschaften. Der Gewerkschaftsbund IFTU, dem der ermordete Saleh angehörte, wird von der Kommunistischen Partei Iraks kontrolliert, die auch an der Übergangsregierung beteiligt ist. Über die tatsächliche Basis der IFTU, die als einzige Arbeiterorganisation von den Besatzungsmächten anerkannt wird, gibt es widersprüchliche Angaben. Andere Gewerkschaften wie die Federation of Workers Councils and Trade Unions, die der Arbeiterkommunistischen Partei nahe steht, kämpfen dagegen um ihr Koalitionsrecht.

Die quasi regierungsoffizielle IFTU wird in Großbritannien von den eher rechts stehenden Gewerkschaften hofiert, während sich die linken Kriegsgegner auf die Arbeitslosengewerkschaften und die Arbeiterkommunisten beziehen. Der frühere Vorsitzende der britischen Eisenbahnergewerkschaft Aslef Mick Rix verließ das Antikriegsbündnis im Oktober vergangenen Jahres, weil er die Angriffe auf die IFTU in diesem Gremium nicht mehr ertragen wollte. Der prominente Kriegsgegner George Galloway dagegen nannte Vertreter der IFTU in einem Artikel gar »Quislinge«. Und als der Vertreter der IFTU, Subdhi al-Mashadani, auf dem Europäischen Sozialforum sprechen wollte, kam es zum Eklat: Er wurde am Reden gehindert, ein Teil des Publikums verließ den Saal.