Verstärker Mensch

Die Zerstörung von Korallenriffen und Mangrovensümpfen und die globale Klimaerwärmung haben zum Ausmaß der Katastrophe beigetragen. von martin kröger

Viel wird derzeit darüber spekuliert, inwiefern ein Frühwarnsystem für Flutwellen im Indischen Ozean Menschenleben hätte retten können. Weitgehend übersehen wird dabei, dass Länder wie Thailand, das auch an den Pazifik grenzt, bereits länger an das seit 1948 existierende Frühwarnsystem des Pacific Tsunami Warning Center angeschlossen sind. Kurz nachdem die Zentrale auf den Hawaii-Inseln das schwere Beben in der Nähe Sumatras lokalisiert hatte, informierten die hawaiianischen Experten die amerikanischen und ozeanischen Anrainerstaaten.

Mit den von den Flutwellen am stärksten betroffenen Staaten am Indischen Ozean sei dies hingegen nicht möglich gewesenen: »Wir haben getan, was wir konnten, aber wir haben keine Kontakte in diesem Teil der Welt«, sagte Charles McCreery, der Leiter des Frühwarncenters in Honolulu, nach der Katastrophe. Nicht an einer frühzeitigen Erkennung mangelte es, sondern an einem adäquaten Kommunikationssystem.

»In vielen Ländern sind die Küsten bedroht«, sagte Brad Smith von Greenpeace der Nachrichtenagentur Reuters nach dem Beben in Südostasien. Nur wenige Küstenabschnitte der Welt seien noch in der Lage, solche durch Stürme oder Beben ausgelösten Fluten aufzufangen. Zu stark hätten Menschen die ursprünglichen Verläufe der Küsten verändert: So gebe es beispielsweise immer weniger Mangrovensümpfe, die als Überschwemmungsflächen dienen, Korallenriffe seien in so starker Zahl zerstört worden, dass sie nicht mehr in dem Maße als Wellenbrecher herhalten wie in der Vergangenheit. Ein Anfang Dezember veröffentlichter Bericht zeigte, dass bereits über 70 Prozent der Korallenriffe durch Überfischung und Umweltverschmutzung zerstört sind.

»Die Entwicklung von Straßen, Shrimpfarmen, dichte Bebauung entlang der Küsten und der Tourismus lassen die natürliche Verteidigung erodieren«, fasst Smith das Problem zusammen.

Hinzu kommt nach Ansicht von Experten die globale Erwärmung des Klimas und der auf der ganzen Welt steigende Meeresspiegel. Stieg er bereits im vergangenen Jahrhundert um zehn bis 20 Zentimeter, geht der letzte Report des Zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimaveränderungen der Vereinten Nationen davon aus, dass im laufenden Jahrhundert nochmals neun bis 88 Zentimeter hinzukommen werden. Ein Anstieg, der für viele Menschen lebensbedrohlich werden kann, da sie wie 17 Millionen Menschen in Bangladesh nur knapp einen Meter über dem Meeresspiegel leben. Bereits bei diesem Tsunami wurde die Inselgruppe der Malediven kurzzeitig komplett überschwemmt.

Den Zusammenhang zwischen der Verwundbarkeit durch solche Naturkatastrophen und sozialen Aspekten wie Armut stellt Richard Klein vom Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung heraus: »Die Verwundbarkeit hat genauso eine soziale Dimension wie eine Umweltdimension.« Für reiche Industrienationen wie Holland und Deutschland war es nach den verheerenden Sturmfluten in den fünfziger und sechziger Jahren kein Problem, mit umfangreichen finanziellen Mitteln neue Deichsysteme zu errichten. Klein sieht denn auch eine weitere Bedrohung im Fehlen von Versorgungsressourcen wie frischem Trinkwasser im Anschluss an solche Katastrophen. Auch er empfiehlt den Aufbau von Warnsystemen.

Dass es ein solches Warnsystem spätestens 2006 für den Indischen Ozean geben wird, kündigte unterdessen Salvano Briceño an, der Direktor des UN-Büros für Katastrophenhilfe. Allerdings müssten auch andere Regionen wie das Mittelmeer und die Karibik solche Frühwarnsysteme aufbauen, denn Wissenschaftler schließen inzwischen nicht mehr aus, dass ein Vulkanausbruch auf den kanarischen Inseln genauso schlimme Auswirkungen haben könnte wie das Beben vor Sumatra.