Der Fau-Mann ermittelt

Hamburgs linke Szene ist um einen Aktivisten ärmer: »Christian Trott« wurde als verdeckter Ermittler des LKA enttarnt. von andreas blechschmidt

Wer meint, bei den Protesten gegen Hartz IV handele es sich um ein harmloses Unterfangen, könnte falsch liegen. Zumindest ist der Staatsschutz offenbar völlig anderer Meinung.

Seit Anfang November warnt in Hamburg ein Flugblatt vor dem Polizeibeamten Kristian K., der als mutmaßlicher verdeckter Ermittler des Hamburger Landeskriminalamts (LKA) unter dem Pseudonym »Christian Trott« seit Ende 2003 in diversen politischen Gruppen und Initiativen aktiv gewesen ist.

Einem Zufall ist es zu verdanken, dass die Aktivitäten des LKA-Beamten ein vorzeitiges Ende fanden. Im Oktober traf eine ehemalige Mitschülerin bei einer Aktion gegen Ein-Euro-Jobs zu ihrer Überraschung »Christian Trott«, den sie allerdings unter einem anderen Namen kannte und von dem sie wusste, dass er nach dem Abitur 1998 zur Polizei gegangen war. Kristian K. alias Trott verschwand sofort nach der Begegnung wortlos und ist seitdem nicht wieder aufgetaucht.

Nachfolgende Recherchen bestätigten den Verdacht. So fand sich ein Foto Kristian K.s in einer Schülerzeitung aus dem Jahr 1998, auf dem AktivistInnen zweifelsfrei »Christian Trott« wieder erkannten. Auch wäre sein Doppelleben beinahe schon einmal aufgeflogen, im Mai 2004, beim Besuch des Kongresses der Bundeskoordination Internationalismus in Kassel. Dort war er von einer Person erkannt worden, bestritt jedoch erfolgreich, Kristian K. zu sein. Ein Bekannter aus dem Umfeld des mutmaßlichen Polizeiermittlers bestätigte darüber hinaus, dass K. zumindest noch vor einem Jahr bei der Hamburger Polizei gearbeitet habe.

Unmittelbar danach, im November 2003, tauchte dann »Christian Trott« auf den Treffen einer Anti-Hartz-Gruppe auf. Dort gab er sich als Gelegenheitsjobber ohne Ausbildungsabschluss mit finanziellen Schwierigkeiten aus. Er stieg auch bei der Freien Arbeiterinnen- und Arbeiterunion (Fau) ein und arbeitete dort mit. Als Delegierter der Anti-Hartz-Gruppe besuchte er in der Folge zahlreiche andere Treffen und Plena und fand dadurch schließlich auch Zugang zu der studentischen Initiative Hamburg umsonst. Kurz vor seiner Enttarnung bemühte er sich um eine Beschäftigung im Asta der Universität Hamburg.

Die Enttarnung des mutmaßlichen verdeckten Ermittlers hat bereits zu zahlreichen kritischen Reaktionen geführt. Der Asta der Hamburger Universität für Wirtschaft und Politik (HWP) stellte mit Blick auf »Trotts« Mitarbeit bei Hamburg umsonst fest: »Der Einsatz eines verdeckten Ermittlers gegen Studierende, die mit zivilem Ungehorsam sozialpolitische Themen in die Öffentlichkeit tragen, ist ein handfester Skandal im demokratischen Rechtsstaat.« Der Sprecher des Asta, Bela Rogalla, forderte die Aufklärung des Vorgangs: »Es ist uns völlig unverständlich, weshalb ein solch gravierendes Eingriffsmittel im Zusammenhang mit den ausgespähten Gruppen gerechtfertigt sein soll.«

Mit deutlichen Worten verurteilt auch das Komitee für Grundrechte und Demokratie den Vorgang. Die Bespitzelung sei ein Skandal, heißt es in einer Erklärung. Allerdings räumt das Komitee ein, dass der Skandal absehbar gewesen sei, weil »aus dem schweren Geschütz der verdeckten Ermittler längstens ein Mittel der leichten Hand geworden (ist), das nicht nur vom Verfassungsschutz, sondern auch von seinen quasi-geheimdienstlichen Brüdern bei der Polizei bei allen möglichen Gelegenheiten eingesetzt wird«.

Währenddessen versuchen sich die Sicherheitsbehörden in Schadensbegrenzung durch Auskunftsverweigerung. Die Hamburger Polizei hüllt sich in Schweigen. Ihre Pressesprecherin Christiane Leven teilt auf Nachfrage der Jungle World mit, man sei mit der Innenbehörde übereingekommen, solche Vorgänge grundsätzlich nicht zu kommentieren. Sie mochte nicht einmal zum Wortlaut des »Gesetzes über die Datenverarbeitung der Polizei« Stellung nehmen, das den Einsatz verdeckter Ermittler in Hamburg regelt. Eine Kleine Anfrage der Gal-Bürgerschaftsfraktion zu dem Fall wurde mit einem einzigen schlichten Satz beantwortet: »Auskünfte zu den Fragen werden nur gegenüber den dafür bestimmten parlamentarischen und justiziellen Einrichtungen erteilt.«

Ausgerechnet das Hamburger Landesamt für Verfassungsschutz ließ im August in einer Analyse erkennen, worauf die staatliche Überwachung zielt. Die Reformpläne der Regierung hätten in weiten Teilen der Bevölkerung zu Verunsicherung geführt, regionale Sozialforen erhielten regen Zulauf. So auch das Hamburger Sozialforum, das sich im Sommer dieses Jahres nach einer mehrmonatigen Vorlaufphase gründete und in dem vor allem gewerkschaftlich orientierte Gruppen tätig sind. Zwar werde nicht das Sozialforum selbst beobachtet, wohl aber die autonomen und anarchosyndikalistischen Gruppen, die mittlerweile zu der Thematik arbeiteten. Dies sei notwendig, weil es »Extremisten« gelingen könne, den »Frust von Betroffenen« zu instrumentalisieren, schreiben die Verfassungsschützer. Zwar gehörten militante Aktionen offenkundig nicht zu den akzeptierten Mitteln von Initiativen wie dem Hamburger Sozialforum. Da es aber zumindest Ideen zur Besetzung und Belagerung von Arbeitsagenturen gäbe, wollten die Geheimdienstler trotzdem nichts verpassen.

Nichts verpassen will also vermutlich auch die Staatsschutzabteilung des Hamburger LKA. Dabei kommt der Behörde die etwas unübersichtliche Rechtslage womöglich noch entgegen. Datenschutzrechtlich sind verdeckte Ermittler nur dann ein Thema, wenn sie personenbezogene Informationen weitergeben. Harald Wollweber, beim Hamburger Datenschutzbeauftragten für den Bereich Verfassungsschutz und Polizei zuständig, weist darauf hin, dass unterschieden werden müsse, ob die Polizei im Rahmen der Gefahrenabwehr oder in der Strafverfolgung tätig werde: »Wenn es darum geht, lediglich allgemeine strukturelle Ermittlungen und Bewertungen hinsichtlich organisatorischer Strukturen zu gewinnen, dann handelt es sich nicht um eine personenbezogene Datenerhebung, dann sind auch die besonderen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen nicht gegeben.«

Über solche juristischen Feinheiten sicher wohl informiert, hatte die Hamburger Innenbehörde bereits in der Vergangenheit versucht, sich kritischen Nachfragen zu entziehen. Als im November 1997 ein verdeckter Ermittler des LKA enttarnt wurde, der sich zwei Jahre in antirassistischen Initiativen herumgetrieben hatte, erklärte der damalige Innensenator Hartmuth Wrocklage (SPD), dies sei lediglich eine »verdeckte Maßnahme zur Gefahrenerforschung« gewesen. Sein Sprecher Wolfgang Brand erläuterte gar: »Das war doch kein verdeckter Ermittler, das war nur ein Beamter in Zivil.«

Die betroffenen Initiativen wollen sich diesmal mit solchen Erklärungen nicht zufrieden geben. Sie prüfen juristische Schritte gegen das Vorgehen der Hamburger Polizei.