Opel – der Film

Automobilbranche im Kino

Es gibt viele Parallelen zwischen Autoindustrie und Kino – schließlich spielt bei beiden das Fließband eine zentrale Rolle. Zugleich erweist sich die Autoproduktion dieser Tage selbst wiederum als hochmobiler Sektor: Opel wird 10 000 Stellen in Deutschland abbauen und Fabriken nach Osteuropa verlagern. Offensichtlich ohne Tempolimit: Polnische Arbeiter vermuten, dass demnächst nicht mehr in Osteuropa, sondern in Westasien gebaut wird – immer dort, wo der Markt ist.

Betriebsschließungen der Opel-Konzernmutter General Motors hatte sich einst der Filmpopulist Michael Moore gewidmet, ein Verweis auf seinen Film »Roger and Me« durfte angesichts des Streiks der Opel-Arbeiter in deutschen Feuilletons nicht fehlen – vielleicht, weil der bürgerliche Autor den kulturellen Mehrwert der Ökonomie braucht: Wer noch nie eine Fabrik von innen gesehen hat, ist vielleicht froh, wenn er sich dank des Kinos unter dem Begriff »Wilder Streik« etwas vorstellen kann. Dort steht das bewegte Bild neben anderen; und vielleicht war es ja kein Zufall, dass Moores Film in die Zeit von »Star Wars« fiel. Seinerseits eine Filmreihe, die, wie der kalifornische Filmwissenschaftler Bob Arnold herausfand, Arbeitern gezeigt wurde, um sie an den »Kollegen Roboter« zu gewöhnen. Der schnarrte wie C3PO, sollte aber keinesfalls mit Arbeitsplatzvernichtung in Verbindung gebracht werden.

Während nun die Autoproduktionskarawane immer weiter nach Osten zieht, besteht immerhin die Hoffnung: Die Erde ist rund, daher wird irgendwann auch wieder in Westeuropa produziert – wenn die Löhne hier niedriger sind als in Korea. Koreanische Arbeiter lassen sich nicht filmen, sie filmen selbst und beantworten die wichtigere Frage, was man vom Arbeitskampf sehen will, gern mit Fotos zusammengeschlagener Kollegen und stellen diese Fotos stolz auf die Homepage ihres Gewerkschaftsdachverbands KCTU (jetzt auch mit Selbstverbrennungen: http://www.kctu.org/maybbs/pds/ kctuinfo2/eng_action/leeyongseok.jpg).

Welche Bilder aber hätte der Opelstreik liefern können? Bei Michael Moore hätten die Arbeiter einen Bottich Unterbodenversiegelung genommen, wären nach Rüsselsheim gezogen und hätten den ganzen Firmenvorstand damit geteert und anschließend mit Sitzfüllung gefedert. Da wäre die Managerhaftung mal ernst genommen worden. Die Jobs sind eh weg, aber den Enkeln hätte man was zu erzählen gehabt.

Ach, da hätte es die Falschen getroffen, die wahren Schuldigen sitzen in Amerika? Ja, es trifft nun einmal immer die Falschen. Unter den 10 000 Entlassenen wird es auch Falsche geben. Vielleicht sollte man all diese anonymen marktlogischen Entscheidungen, die jeder nachvollziehen kann, richtig persönlich nehmen. Die Amerikaner hätte man sich per Anwalt Michael Witti mit Sammelklage vornehmen können: Familienzerrüttung, Depression, Abschiebung ins H-IV-Reservat nach Arbeitsplatzverlust – es müsste mit dem Teufel zugehen, wenn man dies in einem Land, in dem man für einen zu heißen Kaffee Millionen Dollar an Entschädigung bekommt, vor Gericht nicht geltend machen kann. Darüber hätte ich dann gern einen Film gesehen, 20 Uhr, Tagesschau. Meinetwegen von Michael Moore.

jürgen kiontke