Retter des Regenwalds

Das Reservat Montes Azules bietet eine einzigartige Biodiversität. Nur die indigene Bevölkerung und die EZLN stören. von wolf-dieter vogel, mexiko-stadt

Glasklares Wasser bahnt sich seinen Weg durch das Dickicht des tropischen Regenwaldes, Vögel zwitschern zwischen bunten Blüten, Papageien kreischen, Frauen in bunt bestickten Röcken stehen am Fluss und lachen. So zeichnen die Umweltschützer von Conservation International (CI) und Ecosur auf einer Multimedia-CD das Bild des Lakandonischen Regenwalds im südmexikanischen Bundesstaat Chiapas. Die beiden Nichtregierungsorganisationen wollen, wie sie sagen, dafür sorgen, dass das grüne Paradies nicht zerstört wird. Unterstützt werden sie unter anderem von der US-amerikanischen Entwicklungsbehörde US-Aid. CI kann zudem auf vermögende Geldgeber zurückgreifen: auf McDonald’s, Ford und Intel.

Dass sich solch potente Unterstützer dem Umweltschutz verpflichtet fühlen, ist jedoch zweifelhaft, zumal der Lakandonische Regenwald über umfangreiche Naturressourcen wie Erdöl, Edelholz und Wasser verfügt. Vor allem findet sich in der Region eine einzigartige Vielfalt an Pflanzen, insbesondere im Naturschutzgebiet Montes Azules. Deshalb haben auch Pharmakonzerne ein Auge auf das Reservat geworfen. Schließlich lässt sich mit der Erfassung und Patentierung von pflanzlichen Genen und der Nutzung indigenen Wissens über Heilpflanzen bare Münze machen.

Indígenas erinnern sich gut daran, wie im Rahmen des Bioprospektionsprojektes »ICBG-Maya« Mitarbeiter von Ecosur durch die Dörfer zogen. Die Wissenschaftler ließen sich über Heilmethoden aufklärren und gaben diese Informationen zur Patentierung weiter, ohne die indigene Bevölkerung dafür zu bezahlen. Das Projekt musste im Herbst 2001 gestoppt werden. Der Widerstand, angeführt vom Dachverband der traditionellen Heiler und Hebammen von Chiapas, Compitch, war zu groß.

»Künftig wollen sie ungestört arbeiten«, erklärt Juan Ignacio Dominguez von Compitch. »Deshalb soll die Bevölkerung nun aus Montes Azules entfernt werden.« Mehrere tausend Familien verschiedener indigener Gruppen haben sich dort in den vergangenen 50 Jahren angesiedelt. Zudem dient das grüne Dickicht der zapatistischen Guerilla EZLN als Rückzugsgebiet.

CI argumentiert, dass durch Holzschlag und Maisanbau eines der letzten Stückchen Urwald zerstört werde. Dem stimmt der in der Region tätige Experte für ländliche Entwicklung Mathias Gossner zu, fügt aber hinzu, dass große Teile des Dschungels bereits durch staatlich genehmigte extensive Viehwirtschaft und Tropenholzausbeutung sowie vom Militär zerstört worden seien.

Ist der Vorwurf der Umweltzerstörung also nur ein Vorwand? Sollen die Gemeinden geräumt werden, um freie Bahn zu schaffen für die ungestörte Verwertung des Regenwaldes? Die Landesregierung jedenfalls hat bereits Fakten geschaffen. Die legalisierten Dörfer können zwar bleiben, doch von den 43 irregulären Gemeinden mussten schon einige das Gebiet verlassen. Die nächste Umsiedlung ist auf den 30. Oktober angesetzt.

Manche Gemeinden wurden von paramilitärischen Gruppen unter Druck gesetzt, anderen hat die Regierung Umsiedlungsverträge angeboten. In einigen Fällen warten die Menschen jedoch bis heute auf die neuen Dörfer. Und für die der zapatistischen Guerilla nahe stehenden Kommunen gibt es ohnehin nichts zu verhandeln. Die EZLN hat klargestellt, dass es mit ihr keine friedliche Räumung in Montes Azules geben werde.

Seit Mitte dieses Jahres beteiligt sich auch die Europäische Union am Geschehen rund um das wertvolle Grün. Zusammen mit der Landesregierung arbeitet sie an dem Projekt »Soziale und nachhaltige Entwicklung im Lakandonischen Regenwald«. 15 Millionen Euro machen die Europäer locker, etwa die gleiche Summe steuert die Regierung bei. Was das Vorhaben bewirken soll, war in Stellenanzeigen der staatlichen deutschen Gesellschaft für technische Zusammenarbeit GTZ zu lesen: Mit Hilfe ressourcenschonender Anbaumethoden soll die Kultivierung vermarktungsfähiger Produkte wie Kaffee, Honig und Heilpflanzen gefördert werden. »Das Projekt basiert auf Partizipation der Bevölkerung«, sagt Germano Straniero von der EU-Delegation in Mexiko.

Doch der Dachverband Cifca, der im Auftrag von 30 NGO über die Einhaltung der Menschenrechts- und Demokratieklauseln des Freihandelsvertrages zwischen Mexiko und der EU wacht, kritisiert, dass keine der Bevölkerungsgruppen vorab gefragt worden sei. Das Projekt berücksichtige nicht die angespannte Situation in der Region, weder die starke Präsenz des Militärs noch die Tatsache, dass viele Gemeinden autonom von den Zapatisten regiert werden.

Der Guerilla nahe stehende Gemeinden lehnen jede finanzielle Unterstützung durch den Staat ab, andere indigene Organisationen sind für solche Zahlungen offen. Dies führt regelmäßig zu Konflikten, die zuweilen gewalttätig ausgetragen werden. Wer sich in dieser Situation wie die EU »zum Komplizen der Regierung« mache, vertiefe diese Spaltung und trage nichts zum Frieden bei, kritisiert Cifca.

Den Zapatisten nahe stehende Organisationen vermuten hinter den Finanzierungen eine versteckte Aufstandsbekämpfungsmaßnahme. Dafür spricht, dass die Projekte rund um die Montes Azules angesiedelt sind. Sollen sie helfen, die Bevölkerung aus dem Bioreservat zu vertreiben und den Zapatisten ihr Rückzugsgebiet zu nehmen? EU-Sprecher Straniero hofft jedenfalls, dass durch das Vorhaben »die derzeit im Dschungel lebende Bevölkerung verringert und der Konflikt im Regenwald entschärft wird«. Dort ansässige Menschenrechtler haben andere Vorstellungen davon, wie die Spannungen vermindert werden könnten. Die mexikanische Regierung müsse das Militär abziehen und das vor acht Jahren mit den Zapatisten vereinbarte Abkommen über die Rechte der indigenen Bevölkerung endlich in die Tat umsetzen.

Es gehe weniger um den Schutz als um die Rohstoffe des Lakandonischen Regenwaldes, meint Compitch-Sprecher Dominguez. »Wir sind nicht so naiv zu glauben, dass die EU uns 15 Millionen Euro schenkt.« Zwar sind europäische Unternehmen nicht direkt an dem Projekt beteiligt. Doch die »EU-Leute werden auf den Treffen der Gemeinden sitzen und so in politische und ökonomische Entscheidungen eingebunden sein«, erklärt Agraringenieur Miguel Angel, dessen NGO Enlace Comunicación y Capacitación mit Kommunen in Montes Azules arbeitet.

Für Angel erklärt sich das Vorgehen der EU aus dem Scheitern des Bioprospektionsprojekt »ICBG-Maya«. Damals habe man die Gemeinden übergangen, »bis die Menschen gemerkt haben, dass sie benutzt werden, und sich widersetzten«. Anders als die US-Amerikaner, die sich nur aufs Finanzielle konzentrierten, seien die Europäer schlauer, meint Angel. »Man bezieht wissenschaftlichen Austausch, Demokratie und Menschenrechte ein. Aber letztlich wollen sie den USA den Markt nicht allein überlassen.«