Raus mit ihnen

Mit den ersten Massenabschiebungen hat die zwischen Italien und Libyen vereinbarte Operation zur Flüchtlingsabwehr begonnen. von federica matteoni

Sie werden mit drei Gürteln um Handgelenke, Taille und Schulter an einen Sitz im Militärtransporter C 130 gefesselt, und niemand sagt ihnen, wohin sie geflogen werden. Erst einige Minuten nach der Landung, als die vom italienischen Grenzschutz ausgebildeten libyschen Polizisten ins Flugzeug steigen, wird den Passagieren klar, dass sie sich an dem Ort befinden, von dem ein Großteil von ihnen zwei Tage zuvor abgereist war.

Trotz heftiger Kritik an den erstmals am vorletzten Wochenende von Italien nach Libyen durchgeführten Abschiebeflügen scheint die zwischen Italien und seiner ehemaligen Kolonie vereinbarte Operation zur Flüchtlingsabwehr im Mittelmeer reibungslos zu funktionieren. Insgesamt etwa 1 000 Menschen wurden in der vergangenen Woche nur 24 bis 48 Stunden nach ihrer Ankunft auf der süditalienischen Mittelmeerinsel Lampedusa nach Libyen ausgeflogen.

Abschiebeflüge sind in Italien, wie in den meisten europäischen Ländern, nichts Neues. Was diese Massenabschiebungen, die von der Regierung mit dem euphemistischen Namen »Luftbrücke« bezeichnet werden, von den bisherigen unterscheidet, ist das Tempo ihrer Durchführung. In den im September unterschriebenen Abkommen zwischen Italien und Libyen wurden Vereinbarungen getroffen, die es u.a. möglich machen, die Abschiebeprozedur zu beschleunigen. Als klar wurde, dass die Anfang Oktober in Lampedusa eingetroffenen Afrikaner von Libyen nach Europa aufgebrochen waren, wurden sie ohne Identifizierung, Feststellung ihrer Staatsangehörigkeit und Prüfung ihres Asylrechts zu ihrem Abreiseort zurückgeschickt.

Sofort nach dem Start der Flugzeuge sind die Migranten kein italienisches Problem mehr. Libyen übernimmt die Aufgabe, die Menschen in ihre Herkunftsländer zurückzuschicken: Sie werden in der Regel zur Grenze gebracht, von dort aus müssen sie die Wüste durchqueren, um in andere Länder zu gelangen.

Dass sich Italien bei der Abwehr von »illegalen« Einwanderern wenig um die Rechtsstaatlichkeit schert, hat im Sommer bereits der Fall Cap Anamur gezeigt. Schon da verstieß die italienische Regierung mit der Kollektivausweisung der 37 Flüchtlinge gegen die Genfer Flüchtlingskonvention und gegen die Dubliner Konvention, die jedem Menschen das Recht zuspricht, einen Asylantrag zu stellen. Den Migranten wurde bei der Blitzabfertigung nach ihrer Ankunft auf Lampedusa offensichtlich nicht einmal die Zeit gegeben, ihre gesetzlich garantierten Rechte wahrzunehmen, wie die Einzelfallprüfung, eine Anhörung in Anwesenheit eines Rechtsanwalts und die Möglichkeit, vor Gericht gegen den Ablehnungsbescheid vorzugehen (Jungle World, 31/04).

Noch weniger können sie damit in Libyen rechnen, einem Land, das nicht einmal die Genfer Flüchtlingskonvention unterzeichnet hat. Um sich am besten als Hüter der europäischen Festung zu profilieren – eine Leistung, die mit der Aufhebung des EU-Embargos durch die Union Ende September anerkannt wurde –, hat Libyen in den vergangenen Jahren ein einziges Ziel verfolgt, nämlich die Repression von Migranten. Opfer dieser Politik werden »illegale« Migranten auf ihrem Weg aus dem subsaharischen Afrika nach Europa sowie Ausländer, die seit längerer Zeit in Libyen leben und arbeiten. Diese bekommen in Libyen keine Aufenthaltsgenehmigung, sondern einen »Ausländerausweis«, der jedoch keinen Schutz gegen sofortige Abschiebung oder Polizeirepression darstellt. Unter diesem Druck ist es kein Wunder, dass auch viele Menschen, die Libyen wahrscheinlich nie verlassen hätten, die Flucht nach Europa wagen. Das italienische Modell zeigt immer deutlicher, wie die europäische Antwort darauf lautet: Raus, raus, aber schnell!