Vier gewinnt

Logistische Probleme beim Sozialabbau von philipp steglich

Das Chaos regiert: Im Januar 2005 sollen Arbeitslosen- und Sozialhilfe als Teil der Reform »Hartz IV« zum so genannten Arbeitslosengeld II zusammengelegt werden, das künftig circa 3,1 Millionen Langzeitarbeitslose und »erwerbsfähige Sozialhilfeempfänger« beziehen. Scheitern könnte dieses Projekt an Softwareproblemen bei der Bundesagentur für Arbeit, an ungeklärten Zuständigkeiten und Finanzierungsproblemen zwischen dem Bund und den Kommunen.

Aber weil nach Ansicht der rot-grünen Bundesregierung Hemdsärmeligkeit und unüberlegtes Handeln von einer tatkräftigen Aktion zeugen, während unabdingbare, nachträgliche Korrekturen als Zeichen der Schwäche gedeutet werden, muss Hartz IV pünktlich in Kraft treten. Davon abgesehen können die Schludrigkeit des Vorgehens und die halbgare Form des Gesetzes vom eigentlichen Skandal, dem unsozialen Inhalt, ablenken. Mehrmals schon hat Schröders Katastrophentruppe solche Nebelkerzen erfolgreich geworfen, zuletzt im Zuge der Gesundheitsreform.

Das neue Arbeitslosengeld II ist keine Versicherungsleistung, wie der Name suggeriert. Nicht das letzte Gehalt liegt bei seiner Berechnung zugrunde, sondern es orientiert sich wie die Sozialhilfe am »eigentlichen Bedarf« des Erwerbslosen. Und wie bei der Sozialhilfe wird künftig die Familie auf Einkommen und Vermögen durchleuchtet und in die Berechnung einbezogen. Wenn der Ehepartner oder die Lebensgefährtin noch irgendwie für Nahrung und Obdach sorgen kann, dann gibt’s weniger oder nichts. So werden zum Beispiel viele Frauen, die oft zuerst entlassen werden, ihre ökonomische Selbstständigkeit, die bisher durch die Arbeitslosenhilfe gegeben war, verlieren.

Vielleicht sind die Forderungen, das Gesetz zu stoppen, diesmal etwas vehementer als bei den bisherigen Sozialabbauaktionen, da es nicht nur die ohnehin sozial Deklassierten trifft. Denn die Offenlegung der Vermögensverhältnisse betrifft gerade den so genannten Mittelstand, dessen Angehörige in der Lage waren, beispielsweise eine zusätzliche Altersvorsorge zu betreiben und etwas Geld zu sparen. Diese Vermögenswerte – und seien sie bei dem absehbaren, weil beabsichtigten Bankrott der sozialen Sicherungssysteme noch so notwendig – werden jetzt zu großen Teilen herangezogen. Das ist natürlich eine deutliche Verschlechterung. Und künftig ist jeder Arbeitsplatz zumutbar.

Da hilft es kaum, dass fehlerhafte Software das Inkrafttreten des Gesetzes vielleicht ein wenig aufzuschieben vermag. Die Süddeutsche Zeitung nennt das Projekt des Feindes der Lohnabhängigen und Bundeswirtschaftsministers Wolfgang Clement (SPD) folgerichtig »Clements Maut«, weil wie beim Versuch der Einführung der LKW-Maut sowohl die Kosten, die technische Durchführung als auch mögliche »Erfolge« nicht absehbar sind.

Die Opposition wird Hartz IV nicht verhindern: kongeniale Partnerin im Bundesrat und beim Sozialabbau bleibt die CDU; und von den anderen Parteien ist auch nur das Schlimmste zu erwarten. So gelang es dem Bundesgeschäftsführer der PDS, Rolf Kutzmutz, die Forderung seiner Partei zu formulieren: »Die PDS verlangt mindestens einen deutlichen Aufschub der Einführung bis 2006.« Die Agenda 2010 geht also schon in Ordnung, wenn sie als Agenda 2012 erst später in Kraft tritt. Bis dahin sind die Wähler der PDS vermutlich tot und fein raus.