Schwule nach Sibirien!

Streit um schwul-lesbisches Festival in Krakow

Auf der Ulica Golebia, mitten in Krakows schöner Altstadt, steht ein gewisser Jaruslaw Kazubowski. Er sammelt Unterschriften und verteilt Flugblätter mit dem Slogan: »Sag Nein zur Anpreisung von Homosexualität in Krakow!« Dem vorbeischlendernden Touristenpärchen aus Deutschland wird kaum auffallen, was da in der »schönen Königsstadt an der Weichsel« dieser Tage vor sich geht. Nicht unerhebliche Personen des öffentlichen Lebens stellen derzeit unter Beweis, dass Krakow sich nicht nur vom heimlichen Reisetipp der neunziger Jahre zum Touristenziel für große Massen entwickelt hat, sondern gleichzeitig eine Hochburg der Homophobie und Intoleranz in Polen ist.

Deutlich wurde das, als die Kampagne gegen Homophobie in Krakow für den Zeitraum vom 4. bis zum 9. Mai 2004 ein Festival unter dem Motto »Kultur für Toleranz« ankündigte. Geplant ist ein Programm mit Kunstaktionen, Performances, Filmen, Diskussionen, akademischen Vorträgen, Partys und Konzerten, um die Einwohner Krakows mit Kunstformen zu konfrontieren, die von der LGBT (Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender)-Community geschaffen werden. Es sind auch ein Marsch für die Rechte von Homosexuellen vorgesehen sowie eine Gedenkveranstaltung in Auschwitz an der Mauer des Todes, gewidmet allen von den Nazis getöteten Menschen, inklusive der oft vergessenen Homosexuellen.

Das Festival der Kampagne gegen Homophobie ist das erste seiner Art in Krakow und erlebte im Vorfeld eine erschreckende Ablehnung in der Öffentlichkeit. Die rechtskonservative Presse begann eine regelrechte Hetzkampagne, die Stadtverwaltung zog Zusagen für die Nutzung öffentlicher Gebäude zurück. Von der Universität wurden die akademischen Veranstaltungen der Kampagne aus der zentral gelegenen Altstadt auf den neuen Campus weit draußen am Stadtrand verlegt. Und als die Gesamtpolnische Jugend, die rechtsextreme Jugendorganisation der im Sejm in Warschau vertretenen Liga Polnischer Familien, offen androhte, »Homosexuelle aus der Stadt zu treten«, quittierte Krakows Stadtpräsident Jacek Majchrowski dies lediglich mit dem Kommentar: »Ich bin mir sicher, es wird Gewalt geben.« Eine Demonstration gegen den Marsch für die Rechte Homosexueller am 7. Mai ist bereits angekündigt. Auseinandersetzungen werden befürchtet. Dabei wurde dessen Route bereits verändert, so dass sie nicht mehr durch Krakows Hauptstraßen führt.

Flächendeckend verteilen Schwulengegner wie der erwähnte Jaruslaw Kazubowski homophobes Propagandamaterial, die Lokalpresse gibt den Festivalgegnern ausführlich Raum, ihre Ansichten zu verbreiten. Höhepunkt der homophoben Hetze war jedoch eine Debatte im Regionalparlament, bei der eine Erklärung beschlossen wurde, wonach die Eröffnung des Festivals an einem zentralen Platz der Stadt schädlich für Krakows Bevölkerung sei. So sahen das 22 von 27 Abgeordneten, nur vier Sozialdemokraten stimmten gegen den Antrag. Stanislaw Kogut von der liberalen Partei Bürgerplattform erklärte: »Wollen wir, dass Polen als Land von Schwulen und Lesben bekannt wird? Ich sage nicht, dass wir Schwule und Lesben nach Sibirien oder in die Sahara schicken sollten, aber man kann unmöglich diese ganzen Veranstaltungen erlauben.«

Das Festival wird trotz aller widrigen Umstände stattfinden, und die Kampagne gegen Homophobie hofft, dass sich die neuen Nachbarn in der EU einmischen und Polen an sein in der Verfassung festgeschriebenes Diskriminierungsverbot erinnern werden.

marcin sila

Festival-Homepage: www.tolerancja.gej.net