Die Helfer der Generäle

Von der sudanesischen Regierung unterstützte Milizen terrorisieren die Bevölkerung im Westen des Landes. Seit Jahresbeginn sind Hunderttausende in den Tschad geflohen. von thomas schmidinger

Die Janjawid-Miliz hat die Zivilbevölkerung in Kulbus attackiert«, erklärte Allami Ahmat, ein enger politischer Berater Idriss Débys, des Präsidenten des Tschad, am Donnerstag der vergangenen Woche. Ein Zivilist war bei dem Angriff auf die tschadische Grenzstadt Kulbus getötet worden.

Seit Beginn dieses Jahres ist fast eine Million Menschen vor den Kämpfen und den »ethnischen Säuberungen« regierungsnaher Milizen in der westsudanesischen Provinz Darfur in den Tschad geflohen. Das verarmte Land ist bei der Versorgung der Flüchtlinge fast vollständig auf internationale Hilfe angewiesen. Nun drohen die Kämpfe auf den Tschad überzugreifen.

Allami Ahmat, der auch in der tschadischen Vermittlungsgruppe für die Beendigung des militärischen Konfliktes in Darfur tätig ist, macht dafür die Regierung des Nachbarlandes verantwortlich: »Die sudanesische Armee toleriert nicht nur die Janjawid-Miliz, sondern bietet ihr Land- und Luftunterstützung.« Menschenrechtsorganisationen bestätigen die Unterstützung des Militärregimes in Khartoum für die Janjawid genannten arabischen Milizen.

Seit sich General Umar al-Bashir 1989 an die Macht putschte, hat das arabisch-islamistische Regime das soziale und ökonomische Gefälle zwischen der Zentralregion und der westlichen, östlichen und südlichen Peripherie des Landes weiter vergrößert. Die gewaltsame Islamisierungs- und Arabisierungspolitik richtet sich nicht allein gegen die überwiegend nicht islamischen Bevölkerungsgruppen im Süden des Landes. Die fundamentalistische Islam-Interpretation und die Bevorzugung von Arabern setzt auch die muslimischen, aber nicht arabischen Minderheiten des Landes unter Druck.

Dass sich diese marginalisierten Bevölkerungsgruppen eines Tages mit Gewalt zur Wehr setzen würden, war vielen regierungskritischen SudanesInnen bereits seit langem klar. Bereits im Frühling 2001 erklärten hohe Parteifunktionäre der verbotenen Sudanesischen Kommunistischen Partei und AktivistInnen der illegalen Untergrundgewerkschaften in Khartoum, dass dem Sudan auf lange Sicht eine »Somalisierung« drohe, der Zerfall des Staates in von Warlords kontrollierte Territorien, wenn die Regierung nichts gegen die Benachteiligung der Minderheiten unternehme und die autoritäre Arabisierung des Landes fortsetze.

Tatsächlich trat bereits im Februar 2003 mit der Darfur Liberation Front (DLF), die sich einen Monat später in Sudan Liberation Movement (SLM) umbenannte, eine erste Guerillaorganisation im überwiegend muslimischen Westsudan auf. Sie machte mit spektakulären militärischen Erfolgen wie der kurzfristigen Einnahme der Provinzhauptstadt al-Fasher auf sich aufmerksam. Die Regierung, die gerade zähe Verhandlungen mit der südsudanesischen Guerillaorganisation SPLA führte, glaubte, den neuen Konflikt militärisch lösen zu können. Die Eroberung al-Fashers wurde vom SLM-Generalsekretär Arkoi Minawi mit der Gesprächsverweigerung des Militärregimes begründet: »Die Einnahme al-Fashers ist unsere Antwort auf die jüngste Ankündigung des sudanesischen Präsidenten Umar al-Bashir, der erklärte, dass die Gespräche mit unserer Bewegung in der Form eines Marsches über die Körper der Rebellen stattfinden werde.«

Da sich die Vernichtung der Rebellen jedoch als nicht so einfach herausstellte und im Februar mit dem Justice and Equality Movement (Jem) sogar noch eine zweite Guerillaorganisation in Darfur den Kampf aufnahm, sah sich die Regierung in Khartoum schließlich doch zu Verhandlungen mit den Rebellen gezwungen. Anders als die Friedensgespräche mit der südsudanesischen SPLA haben diese Verhandlungen aber keinen Waffenstillstand herbeiführen können.

Das um eine Verbesserung seiner Beziehungen zum Westen bemühte Regime reagierte auf die Kritik und den Druck vor allem von Seiten der USA mit der Behauptung, für die schlimmsten Gewaltexzesse gegen die Zivilbevölkerung Darfurs seien illegale arabische Milizen verantwortlich. Regierungsnahe Milizen wurden jedoch bereits im Krieg gegen die SPLA eingesetzt. »Die Janjawid können nicht länger einfach nur als von der sudanesischen Regierung unterstützte Milizen bezeichnet werden. Sie arbeiten ganz gezielt mit den Regierungstruppen zusammen und können zudem mit Straffreiheit für ihre massiven Verbrechen rechnen«, urteilt Kenneth Roth, Direktor von Human Rights Watch. Viele Janjawid-Kämpfer trügen sogar Uniformen der Armee mit einem eigenen Abzeichen.

Mit der Bombardierung von Dörfern, systematischen Vertreibungen durch Armee und Milizen, Massenverhaftungen und -exekutionen werden nicht arabischsprachige Bevölkerungsgruppen wie die Fur und Zaghawah terrorisiert. Die Rebellenorganisationen werfen den Janjawid Folter, Massenvergewaltigung, außergerichtliche Exekutionen und Plünderungen vor.

Bestätigt werden diese Angaben von unabhängigen Menschenrechtsorganisationen. Allein vom 5. bis zum 7. März wurden der Sudanese Organisation against Torture (Soat) zufolge 168 Fur aus den Dörfern Zaray, Fairgo, Tairgo und Kaskildo in der Provinz von Wadi Salih verschleppt und dann in den Polizeistationen in Dalaij gefoltert und nacheinander ermordet. Ähnliche Verbrechen finden seither fast wöchentlich statt. Das Regime will sich auf diese Weise einer unerwünschten Bevölkerungsgruppe entledigen, die Milizen können sich des Landes und Besitzes der Vertriebenen bemächtigen. Die in den Tschad geflohenen ehemaligen BewohnerInnen Darfurs müssen unter katastrophalen hygienischen und sozialen Bedingungen unter vollständiger Abhängigkeit von internationalen Hilfsorganisationen dahinvegetieren.

Während die europäischen Medien das Leid dieser Flüchtlinge noch kaum als Thema entdeckt haben, erklärte Jan Egeland, der UN-Nothilfekoordinator für den Sudan, bereits am 23. April: »Das schlimmste humanitäre Drama der Welt spielt sich zurzeit weder im Irak noch in den palästinensischen Territorien ab, sondern in Darfur.«

Das Militärregime hat diese Eskalation herbeigeführt, doch die Konflikte mit benachteiligten Bevölkerungsgruppen sind nicht allein das Werk islamistischer Generäle. Auch frühere Regierungen haben die sudanesische Peripherie benachteiligt. Seit der Unabhängigkeit des Sudan herrschte nur unter dem Militärdiktator Gafaar al-Nimeiri von 1972 bis 1983 ein prekärer Frieden im Land. Das 1972 ausgehandelte Autonomieabkommen mit den südsudanesischen Rebellen scheiterte jedoch an der mangelnden Demokratisierung und dem Ausbleiben ökonomischer Entwicklung in den marginalisierten Gebieten. Als Nimeiri 1983 seine Variante der Sharia oktroyierte, eskalierte der Konflikt. Die 1986 nach seinem Sturz gewählte Regierung Sadiq al-Mahdis konnte sich nicht zur Abschaffung der Sharia durchringen und baute in einigen Provinzen arabische Stammesmilizen zum Kampf gegen die SPLA auf.

Die arabisch-islamische Oligarchie des Zentral- und Nordsudan war nie bereit, Macht und Staatseinnahmen zu teilen. Sollten diese grundlegenden Probleme nicht gelöst werden, ist eine »Somalisierung« des Sudan tatsächlich weit wahrscheinlicher als der Friede.