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In Berlin und in Amsterdam gab es massive Proteste gegen Olympiabewerbungen. Die Spiele gingen woanders hin. Aber lag das an der Linken? von michael bolten

The winner is Sydney.« Als am 24. September 1993 der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), Juan Antonio Samaranch, diese Worte ins Mikrofon sprach, war der Berliner Olympiatraum schon ein paar Stunden vorbei. Bereits in der zweiten Runde des Wahlverfahrens um die Ausrichtung der Olympischen Sommerspiele des Jahres 2000 kam das vorzeitige Aus für die deutsche Bewerbung. Gerade mal neun von 89 zu vergebenden Stimmen entfielen auf Berlin. Entsprechend groß war der Frust der Olympiabefürworter.

Grund zu feiern hatten die Gegner der Berliner Olympiabewerbung. Gegner und Befürworter der Spiele gaben der Anti-Olympia-Bewegung die Hauptverantwortung für das Abstimmungsdebakel.

Ähnliches war wenige Jahre zuvor, 1986, in Amsterdam geschehen. Die niederländische Stadt wollte die Spiele des Jahres 1992, doch den Zuschlag erhielt Barcelona. Amsterdam bekam im Auswahlverfahren ganze fünf Stimmen. Der damalige Amsterdamer Bürgermeister van Thijn machte das »Komitee Olympische Spiele Nee« für den Verlust von sieben bis zwölf Stimmen verantwortlich. Das wurde vom Komitee Nee als große Ehre aufgefasst.

Das Konzept des Komitee Nee bestand aus Imagebeschädigung: die eigene Stadt vor der Öffentlichkeit schlecht und madig machen, damit das Internationale Olympische Komitee (IOC) fernbleibt.

In Berlin wurde das klar formulierte Ziel, Olympische Spiele in der Stadt zu verhindern, nicht zuletzt von der im Berliner Abgeordnetenhaus sitzenden Alternativen Liste (AL) verfolgt, die noch 1989 mit ihrem damaligen Staatssekretär Hans-Jürgen Kuhn sogar den Leiter des Olympiabüros stellte. Außerdem war es die autonome Szene, die mit ihren militanten Aktionsformen in den anti-olympischen Kampf zog.

Getragen und koordiniert wurde der Widerstand vor allem vom Berliner AOK, einem losen, aber außerordentlich stabilen Zusammenschluss.

Auf drei zentrale Punkte einigte sich das AOK: Olympische Spiele, egal wann und wo sie stattfänden, dienten grundsätzlich als »Vehikel zur Ablenkung von gesellschaftlichen Widersprüchen und sozialen Spannungen«, wie es in einer AOK-Broschüre hieß. Daneben sei Olympia in Berlin abzulehnen, da weder die Auseinandersetzung mit den Spielen von 1936 von den Verantwortlichen gewollt sei, noch die im vereinigten Deutschland zunehmende Fremdenfeindlichkeit thematisiert werde. Zuletzt wandte sich das AOK gegen jeglichen Leistungssport und dessen Vermarktung.

Erstmals in Erscheinung trat die Berliner Anti-Olympia-Bewegung im September 1991. Da tagte das IOC-Exekutivkomitee in Berlin und sein Aufenthalt wurde begleitet von Demonstrationen und anderen gewaltfreien Aktionen. Ab 1992 nahm die Militanz der Olympiagegner zu.

Doch für den größten Aufschrei sollte ein kleines, nicht sonderlich gelungenes Videofilmchen sorgen. Das AOK griff damit eine Idee der Amsterdamer auf.

Als bekannt wurde, dass alle IOC-Mitglieder vom Niederländischen Olympischen Komitee einen Videorecorder als Geschenk erhalten hatten, hatte sich das Komitee Nee daran gemacht, einen passenden Film zu produzieren und ihn den Recordern folgen zu lassen.

Das Video zeigt einen olympischen Fackelläufer auf seinem schwierigen Weg durch Amsterdam: »Nachdem er über die im Stau stehenden Autos geklettert ist, fällt er in ein Straßenbauloch, landet in einem Besetzerkrawall, gibt einer Biwakmütze mit Bombe in der Hand Feuer, landet im Red-Light-District und wird von einem Haschischraucher bestohlen, nachdem er in Hundescheiße ausgerutscht ist«, fasst das Buch »Bewegungslehre. Botschaften aus der autonomen Wirklichkeit« den Film zusammen.

Nach Amsterdamer Vorbild wurde auch in Berlin ein Video gedreht. Vor allem die Schlussszene sorgte für heftige Kritik. Sie zeigte eine vermummte Gestalt mit einem Gegenstand in der Hand, und zu hören war aus dem Off: »We will wait for you.«

Die Kritik konzentrierte sich schon bald auf Judith Demba, die »zentrale Figur der Anti-Olympia-Streiter« (FAZ). Die sportpolitische Sprecherin der Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus bekannte sich nämlich zur Mitarbeit an dem Video, obwohl sie wegen ihrer Mitarbeit sogar Morddrohungen bekam. Trotzdem änderten die Filmemacher vor dem Versand ihres Streifens an die IOC-Mitglieder die Schlusssequenz. Das letzte Wort wurde dann dem damaligen Regierenden Bürgermeister, Eberhard Diepgen, überlassen: »Man weiß nicht, was man diesen Leuten noch zutrauen kann.«

Weder das weiß man, noch was die Berliner Olympiagegner wirklich bewirkt haben. Denn schließlich war die gesamte deutsche Bewerbung nicht olympiatauglich.