Der kreative Patriot

ich-ag der woche

Wann und wo wird al-Qaida die nächste Bombe zünden? Diese Frage ist nicht nur wichtig für Ihre Urlaubsplanung. Sie hätten mit der richtigen Antwort auch Geld verdienen können. Wenn nicht übereifrige US-Kongressabgeordnete die geniale Idee John Poindexters, einen terrorism futures market zu schaffen, verhindert hätten.

Das Geschäftsprinzip des vom Pentagon organisierten Wettbüros für Putschismus und Terrorismus war einfach. Der Investor kauft futures, die etwa den Sturz des jordanischen Königs Abdullah II bis Ende 2004 prognostizieren. Wachsen die innenpolitischen Probleme Seiner Majestät und die vor Ort stationierten CIA-Agenten bemerken wieder einmal nichts davon, so kann das Pentagon am Kursanstieg der Abdullah II-futures ablesen, dass der nächste Einsatzort Jordanien sein wird. Für nur acht Millionen Dollar Startkapital hätte man sich in Zukunft Geheimdienstpannen und peinliche Auftritte vor der Uno ersparen können.

Geschäftsleute investieren nur mit einer ehrlichen Profithoffnung. Der Markt lügt nicht. Für Regierungsvertreter dagegen kann der taktische Umgang mit der Wahrheit eine patriotische Pflicht sein. Als Sicherheitsberater Ronald Reagans hat Poindexter in der Iran-Contra-Affäre den Kongress belogen, sich an einer Verschwörung beteiligt und Beweismaterial vernichtet.

Poindexter weiß, dass Regierungsentscheidungen eine zuverlässigere Grundlage benötigen als die Aussagen von Leuten wie ihm. Weil wirklichkeitsfremde Parlamentarier seinen Plan geschmacklos fanden, muss er nun seinen Posten im Pentagon aufgeben. Zweifellos aber wird ein so kreativer Mann einen neuen Job finden, bevor es im Nahen Osten zum nächsten regime change kommt. Wetten, dass?

jörn schulz