Verführung zum Schafott

Todesstrafe im Film »David Gale«

»Das Leben des David Gale« erzählt die Geschichte einer US-amerikanischen Aktivistengruppe, die an der Abschaffung der Todesstrafe arbeitet. David Gale (Kevin Spacey), ihr Kopf, ist ein erfolgreicher Professor, der über eine Affäre mit einer seiner Studentinnen stolpert – Ruf im Eimer, Karriere auch. Die Ehefrau ist mit dem geliebten Sohn schnell über alle Berge, sie hat ja auch schon länger eine Affäre laufen.

Gemeinsam mit seinen Mitstreitern plant er nun, das eigene Leben im Kampf gegen den Todestrakt einzusetzen. Indem er selbst in der Todeszelle landet – er soll seine Mitarbeiterin bestialisch ermordet haben –, erbringt er den Beweis, dass das Strafsystem fehlerhaft ist. Die Fernsehreporterin Bitsey Bloom (Kate Winslet) benutzt er dabei als Strohfrau, die per zugeschickten Videoschnipseln zur Enthüllung dieser Story angeleitet wird.

Der Film enthält erstens den Hinweis, dass Gegner der Todesstrafe zu allem bereite Fanatiker sind. Der Film ist zweitens sehr spannend. Bevor wir aber überhaupt bei der rechtsphilosophischen Fragestellung anlangen, ob man die Wahrheit unter bewusstem Einsatz des Lebens fälschen darf, um ein sozial wie moralisch verwerfliches System explodieren zu lassen, kann auch noch festgestellt werden: »David Gale« ist ein reichlich bescheuerter Film.

Denn zum einen landen in den USA so gut wie nie weiße Akademiker auf dem Todesspritzenbrett, sondern zu 80 Prozent schwarze Habenichtse. Zum anderen kann offensichtlich nicht mal ein Film gegen die Todesstrafe ohne ein so schönes Klischee auskommen wie: Schöne, aber doofe Studentin verführt Professor, weil er sie durchfallen lässt, zeigt ihn dann wegen Vergewaltigung an, schreibt hinterher, unbekannt verzogen, »Tut mir leid« auf eine Postkarte und zieht die Klage zurück. Das legt den Verdacht nahe, dass Drehbuch- und andere Autoren ein tiefes Bedürfnis danach hegen, sich in die Rolle eines erfolgreichen Professors zu denken, der von geilen, jungen Bräuten bedrängt wird. Es gehört offenbar zum festen Repertoire des konservativen Films, dass der beste Mann im Stall von durchschnittlichen Frauen filettiert wird.

Wir bekommen also nicht nur das Bild einer Frau als mindestens zweiköpfige falsche Natter, sondern auch das eines Mannes, der zu einer Entwicklung seines Selbst nicht fähig ist. Unterm Strich bleibt: Frauen sind schlecht, Männer schwach, und vielleicht können sie gerade mit ihrem Tod noch was Sinnvolles anstellen. Rationalisiert euch weg!

Aber vielleicht muss das so sein. Wie zum Beweis, dass da jemand a little bit durcheinander war, ist die Nebenrolle der Studentin mit der britischen Schauspielerin Rhona Mitra besetzt. Sie stand Modell für die Computerfigur Lara Croft. Mitra spielt so schön und locker, dass man sich über jede ihrer Aktionen freut und bald bedauert, dass sie irgendwann von der Leinwand verschwindet und nur ihre »Tut mir leid«-Postkarte zurücklässt. Seltsam, wann die Leute zu Hochform auflaufen. Hätte man ihr doch die Hauptrolle zugesprochen und den Rest des Films auf dem Müllhaufen der Filmgeschichte entsorgt!

jürgen kiontke

»Das Leben des David Gale«. USA 2002. R: Alan Parker. Start: 13. März