Schreib deine Schreibblockade auf!

Spike Jonzes klug versponnener Film »Adaption« handelt vom Kino, vom Texten und der Konkurrenz zweier Brüder.

Adaption« tanzt aus der Reihe: Es ist ein Kinofilm, der von seiner eigenen Produktion erzählt, und die befindet sich noch in der Phase der Niederschrift. Hauptfigur ist also ein Drehbuchautor, sein Name ist Charlie Kaufman, der Schöpfer des genialen Drehbuchs zu »Being John Malkovich«. »Adaption« beginnt mit dem Urknall, hechtet durch die Evolutionsgeschichte, Dinosaurier, Mammuts, Cro-Magnon-Mensch, Elefant und Maus. Und dann tritt sie auf, die Krone der Schöpfung: Kaufman, gespielt von Nicholas Cage, ein überschüchterner Hollywood-Nerd mit Speckbeulen und ausfallendem Haar, von dem man ob seiner Kräuseligkeit froh sein darf, wenn es weg ist.

Kaufman hat all seine menschlichen Qualitäten und Talente ins Drehbuchschreiben gepackt, und daher kann er mit dem Rest der Welt erschreckend wenig anfangen, z.B. mit Frauen: Wenn er eine sieht, traut er sich – einem 15jährigen gleich – nicht, sie anzusprechen, dann bricht der Schweiß mit der Panik aus und Schluss. Die Erde hat ihre Zeit im Vergleich dazu besser genutzt.

Kaufman wird auf das Bestsellerbuch von Susan Orlean (Meryl Streep) angesetzt. Aus ihrer Reportage über einen Orchideensammler soll er ein kamerafähiges Skript produzieren. Das ist der eine Sinn des Titels. »Adaption« meint die Umarbeitung eines literarischen Werkes für ein anderes Genre.

Die Geschichte ist also bereits fertig und braucht nur noch die Dialoge fürs Kino. Genau das überfordert Charlie Kaufman: Die eigenen Ansprüche verlangen das Originäre. Das ist bei diesem Job aber nicht gefragt, also kommt die Schreibblockade. Lähmend wirkt auch die Anwesenheit seines Zwillingsbruders Donald (auch Cage). Der sieht zwar auch scheiße aus, aber sein Lächeln bewirkt vieles. Er vögelt, wen er will, und nun hat er, beruflich bislang gänzlich erfolglos, sich auch noch entschieden, ebenfalls Drehbuchautor zu werden. Mit Hilfe Charlies und dessen Agenten soll Donald ein Hollywood-Durchschnittswerk zustande bringen und einen guten Preis erzielen – ein willkommener Anlass, die Branche Hopps zu nehmen.

Nun gehorcht das Leben keinem Drehbuch, aber anders herum ist es auch nicht richtig. Während wir in der ersten Filmhälfte sehen, was das Skript von Charlie vorsieht, der sein Unvermögen zu schreiben, die Akte des Versagens, der Scham und Peinlichkeit – nach der von Heinrich von Kleist beschriebenen Technik der allmählichen Verfertigung der Gedanken beim Reden – direkt ins Drehbuch einbringt, wechselt der Film im zweiten Teil die Perspektive. Es gibt Ballereien, Mord und Totschlag und menschenfressende Krokodile, und das Personal entpuppt sich als durch und durch mies, voller niederer Ziele. Es handelt sich also um zwei Filme; dem einen fehlt der Schluss, dem anderen der Anfang.

»Adaption« ist zum einen ein komödiantisches Drehbuchexperiment auf den Spuren des buddy movie. Hier wird das Genre auseinander genommen, auf dieser Ebene gibt die Ironie den Ton an, Darsteller werden entgegen ihren bisherigen Aufgaben und Rollen besetzt, Figuren agieren wie Marionetten nach einem Plot, dessen Entwicklung wir mitansehen. Beispiel: Die Erfolgsautorin mutiert zur hörigen Drogenschlampe und wird gespielt von Meryl Streep, die so etwas sonst nicht macht, sondern in den meisten ihrer Rollen weinende Frauen umarmt oder selbst weint.

Das Ganze läuft wie ein Uhrwerk ab und gibt in seiner Perfektion schon wieder so etwas wie eine weitere Stufe der Ironie ab – unten gut aufgehoben, oben gut ausgespielt. Das ist aber nur die halbe Miete. Denn »Adaption« verrät auch, auf welchem Fundament er basiert: den Selbstverständnisentwürfen moderner Männer. Denn die Ironie ergibt sich auch aus dem Zusammentreffen verschiedener Selbstbilder. Donald gibt dabei den einzigen echt positiven Part: den Liebenden mit sehenden Augen. In einer Szene fragt ihn sein Bruder, warum er denn vor Jahren so unwahrscheinlich verknallt in die Highschool-Schönheit Sowieso war, wo doch der ganze Schulhof gesehen hätte, dass sie nur mit ihm spiele und ihn nie im Leben heranlassen würde. Donald antwortet: »Es ist nicht wichtig, ob du geliebt wirst. Wichtig ist, was du liebst.«

Um die Leidenschaft dreht sich auch in Orleans Buch alles, aber es handelt sich zwingend um die Leidenschaft der Autorin. Logischerweise muss der Drehbuchautor seine eigene Suche nach der Liebe einbringen, wie sollte es sonst funktionieren?

Wie aber geht man mit der Liebe um? Orlean ist genau nach Donalds Satz vorgegangen: Es ist wichtig, was du liebst. Dabei blieb sie an einem zahnlosen, manischen Sammler hängen. Nur für Charlie hat sich dieses Geheimnis nie enthüllt, das ist gerade sein Problem: Was ist denn überhaupt Leidenschaft? So bewundert er den Orchideendieb John Laroche (Chris Cooper), der sich an sinnlosen Süchten leidenschaftlich berauscht (an der Orchidee sehr handfest, denn sie sondert drogenfähigen Stoff ab), seinen Bruder, und vor allem Orlean. Nur bringt ihn diese Bewunderung nicht weiter. Es ist ein falsches Leben im richtigen, das er da führt, und das den Film in die Welt der falschen Gefühle führt – am Ende gehorcht ja alles der Traumfabrik Hollywoods in Gestalt des Drehbuchs seines Bruders. Der hat damit nie etwas anderes gewollt, als groß rauszukommen. Charlie hingegen will Hollywood mittels echter Gefühle ad absurdum führen. Aber was nur sind denn echte Gefühle? Damit kann er nicht dienen, einziger Ausweg: Lernen, was das ist. »Adaption« setzt also dort an, wo sich Michel Houellebecqs Elementarteilchen im All zerstreuen: Der Film setzt den Menschen so lange sich selbst aus, bis aus dem in seiner Intellektualität verstrickten Objekt wieder ein integratives Subjekt werden könnte – eine Erfahrung, die den Männern bei Houellebecq so furchtbar fehlt, denn sie flüchten ja immer nur, in den Sex, den Wahnsinn, den Tod, von der Bühne –, bis Charlie Kaufman gelernt hat, wen er liebt.

Befangen wie er ist, braucht er zu seiner Weiterentwicklung also ein paar typische, lebensbedrohende Krisen wie Verlust des Angehörigen oder Bedrohung der eigenen Existenz, von denen es, zurück zum Schauspiel, im Hollywood-Plot nur so wimmelt.

Adaption bedeutet im biologischen Sinne Anpassung an die Umwelt. Wie aber könnte diese Anpassung aussehen, wenn sich die Umwelt einfach nicht mehr ausmachen lässt – die Erzählung der Geschichte unserer Welt nimmt im Film zwei Minuten ein.

Die Spannung entsteht, wenn wir Charlie zuschauen und uns dabei fragen, ob es ihm gelingt, sich zu einem Menschen zu entwickeln, der nicht abhängig davon ist, wer ihn liebt, dem nur wichtig ist, wen er liebt.

Donald gewinnt leider gegen Charlie. Action Trash besiegt Entwicklungsroman, Leichen bleiben übrig. Da kippt der Film in die Burleske, die er unter keinen Umständen sein wollte, ab und rückt sich wieder im Kino zurecht. Die Synthese ihrer beiden Drehbücher bleibt aus, und das ist – trotz aller wunderbaren Ideen, Erzählebenen und -konstruktionen – das Manko von »Adaption«: dass er die Synthese nicht schafft.

»Adaption«. USA 2002. R: Spike Jonze. D: Nicholas Cage, Meryl Streep, Chris Cooper. Start: 13. März