Gläserner Käfig

Terroristenprozess

Es ist vermutlich der wichtigste Prozess der griechischen Nachkriegsgeschichte, der am vergangenen Montag begonnen hat. 19 Angeklagte, rund 500 Zeugen und 80 Anwälte werden dafür sorgen, dass sich das Verfahren gegen die Untergrundgruppe 17. November voraussichtlich über mehrere Monate hinzieht. Das öffentliche Interesse ist zwar ernorm, ob es jedoch auch durch TV-Übertragung aus dem Gerichtssaal bedient werden darf, ist einer der bislang wichtigsten Streitpunkte. Die Angeklagten und ihre Strafverteidiger sind dafür, die Staatsanwaltschaft ist dagegen. Nun soll das Gericht, das sich aus drei Berufsrichtern zusammensetzt, entscheiden. Der Umstand, dass es keine Schöffen gibt, widerspricht der zentralen Forderung der Angeklagten. Nach ihrem Verständnis sind sie wegen politischer Delikte angeklagt, die gemäß der griechischen Verfassung von einem Schöffengericht zu beurteilen sind.

Über die Frage, ob Straftaten wie Mord und Bankraub als politische Delikte definiert werden können, wird nun heftig gestritten. »Das Rechtssystem, das ich vertrete, erlaubt keine Ideenverfolgung«, erklärte der Gerichtsvorsitzende Michalis Margaritis, der wegen seiner Gesprächsbereitschaft die Öffentlichkeit in den ersten Verhandlungstagen für sich eingenommen hat. Auf diese Weise versucht er auch, den in den vergangenen Wochen von linken Gruppen erhobenen Vorwurf, dass es keinen fairen Prozess geben werde, zu entkräften. Wobei diese Anschuldigung impliziert, dass es so etwas wie eine gerechte Justiz tatsächlich gebe.

Für besondere Aufmerksamkeit sorgte in den ersten Prozesstagen der so genannte gläserne Käfig, der angeblich zur persönlichen Sicherheit die Angeklagten angeschafft wurde. Doch alle Prozessbeteiligten stimmten darin überein, auf seine weitere Verwendung zu verzichten. Seine Anschaffungskosten von zwei Millionen Euro übertreffen sämtliche materiellen Schäden, die die Angeklagten zu verantworten haben.

Der im Juni vergangenen Jahres nach einer Bombenexplosion in Piräus verhaftete Savvas Xeros sowie Dimitris Koufodinas, der sich den Behörden selbst gestellt hat, übernehmen die politische Verantwortung, wobei Koufodinas auch eine Führungsrolle für sich beansprucht. Der angebliche Theoretiker der Gruppe, Alexandros Giotopoulos, streitet jede Teilnahme grundsätzlich ab. Er sieht sich als ein Opfer der US-Geheimdienste, die ihn wegen seines Widerstands gegen die griechische Militärjunta in den siebziger Jahren verfolgt hätten. Die restlichen Angeklagten erklärten sich für nur teilweise schuldig oder wiesen jede Verantwortung von sich.

Der politische Druck, der von der USA ausgeübt wird, ist allerdings ein ständig zu berücksichtigender Faktor. Trotz der wiederholten Glückwünsche an die griechische Regierung äußerte sich der US-Botschafter Thomas Miller kürzlich in einem Interview in der New York Times etwas enttäuscht über den bisherigen Verlauf des Prozesses. »Ich habe den Eindruck, dass die Verhafteten lediglich den exekutiven Kern der Gruppe darstellen«, erklärte er und provozierte heftige Reaktionen der griechischen Regierung. Obwohl sie sich an der internationalen Antiterrorkoalition beteiligt, geht ihr mittlerweile die Fahndungshysterie ein bisschen zu weit. So protestierte sie in der letzten Woche bei der Regierung in London gegen die Festnahme eines griechischen Studenten. Er habe ein Flugblatt über die Gruppe 17. November bei sich gehabt, lautete die lapidare Begründung der britischen Behörden.

harry ladis, thessaloniki