Last Night of the Bombs

In Dresden gedenkt man der Bombennacht von 1945. Und glaubt fest daran, dass der Krieg der Alliierten unschuldigen Frauen und Kindern galt. von martin blumentritt

Auch in diesem Jahr fanden in Dresden zahlreiche Veranstaltungen zum Gedenken an die Bombennacht von 1945 statt. Friedensläufe, Kranzniederlegungen, Ehrungen der Trümmerfrau, Kunstprojekte, eine »Nacht der Stille« gar. Viele dieser Events waren mit Warnungen vor dem zu erwartenden Krieg im Irak verbunden. Auch die Kooperation der Stadtverwaltung Dresdens war in diesem Jahr gut, was sich daran zeigte, dass im Innenstadtbereich außer der offiziellen Gedenkfeier nur die Neonazidemo »Gegen das Vergessen« erlaubt wurde, während alle anderen Veranstaltungen, auch solche mit Beiträgen der Überlebenden des Naziterrors, verboten wurden. Offensichtlich will man von den Gründen für die Bombardierung Dresdens wenig wissen.

Immerhin hatte selbst die Spiegel-Serie »Über den Bombenkrieg gegen die Deutschen« die Gründe für den Bombenkrieg erwähnt – und dabei doch Linke diffamiert: »Deutsche Linksextremisten wiederum versuchen, nicht minder hirnrissig, ihre rechtsradikalen Antipoden an den Jahrestagen der Schreckensnächte mit Freudenfesten zu provozieren, und preisen die Kinder- und Frauenverbrennungen von Hamburg und Dresden forsch als politisches ›Erziehungsmittel‹.« Die Freude darüber, dass die Alliierten Nazideutschland bezwungen haben, wird im Spiegel also pathologisiert, während in Formulierung und Gestus die Deutschen zu Opfern stilisiert werden.

Die diesjährigen Gedenkfeiern scheinen fast ausschließlich eine Dämonisierung der Angriffe anzustreben, um diese zum unbegründeten Terror gegen Frauen und Kinder zu erklären. Solche Schilderungen eines ungleichen Kampfes zwischen Bombern und der Zivilbevölkerung blenden aus, dass die Bomber gegen feindliche Verteidigungskräfte, Jagdflugzeuge und Flak-Batterien antraten. Auf dem Weg zu den Zielobjekten saßen die Piloten frierend und beengt in unbequemen, lauten, leicht verwundbaren Flugzeugen, die sie durch einen dichten Sperrriegel von Flugabwehrgeschützen lenken mussten. Wetterbedingungen, Treibstoffknappheit und Beschädigungen durch Flak-Treffer machten jeden Einsatz zu einer militärischen Konfrontation, die das Todesrisiko der Besatzungen deutlich erhöhte.

Die Ursache für das gängige Ausblenden derartiger Fakten ist schnell ausgemacht. Jörg Friedrichs Buch »Der Brand« (2002, Propyläen Verlag) entfaltete jüngst in der Öffentlichkeit seine Wirkung und liefert die Rechtfertigung der jährlichen Gedenkfeiern, die eine mythische Vorstellungswelt vom Luftkrieg fortschreiben.

Der weit verbreiteten Auffassung, dass der Brandkrieg und der Luftterror vor allem deutschen Frauen, Kindern und Greisen galten, trat bereits Richard Overy in seinem Buch »Die Wurzeln des Sieges« (2002, Rowohlt-Taschenbuch) entgegen: »(Der britische General) Harris hegte nicht den geringsten Zweifel daran, dass ›die Moral‹ ein äußerst problematisches Zielobjekt darstellte und einem ›aus der Verzweiflung geborenen Rat‹ entsprang. Er ging davon aus, dass die Deutschen nicht so schnell zu demoralisieren waren, wie seine Kollegen hofften, und bezweifelte sogar den strategischen Nutzen der Zerstörung der Moral, angesichts einer Alltagswirklichkeit, zu der das ›Konzentrationslager um die Ecke‹ gehörte. Harris hielt vielmehr an seiner Überzeugung fest, dass es darauf ankomme, die materielle Kriegsfähigkeit Deutschlands zu zerstören, und dieses Ziel war seiner Ansicht nach nur mit massiver und fortgesetzter Bombardierung zu erreichen.«

Aber solche Sachverhalte auszublenden, ist nicht alles. In Formulierung und Gestus werden bei Jörg Friedrich Täter und Opfer verkehrt, Luftschutzkeller werden zu »Krematorien«, Bombenopfer zu »Ausgerotteten«, die fünfte Gruppe des Bomberkommandos wird zur »Einsatzgruppe«. Nur noch Nazi-Demagogen übertreffen solche Formulierungen, indem sie das Bombardement Dresdens zum eigentlichen Holocaust erklären.

Überhöhte Opferzahlen kursieren im Fall Dresden schon seit längerem. Die aus der Goebbels-Propaganda stammenden Zahlen – an die realistischen Zahlen zwischen 20 000 und 35 000 wurde jeweils eine Null gehängt – wurden jedoch im Spiegel als Schätzungen statt als Lügen erwähnt.

Die Propaganda der ehemaligen DDR verhielt sich da auch nicht anders als die der BRD heute noch. Ministerpräsident Otto Grotewohl erklärte 1952 die Bombardierung Dresdens zum unsinnigen Verbrechen, das dazu gedient habe, der siegreichen Sowjetarmee das weitere Vordringen unmöglich zu machen. In Wahrheit drangen die Sowjets 1942 auf eine Forcierung des Krieges seitens der Alliierten. Als die Schlacht vor Stalingrad zugunsten Deutschlands auszugehen schien, veröffentlichte die Prawda eine Karikatur, die die Briten geißelte: Ihnen wurde vorgeworfen, es versäumt zu haben, durch einen Angriff auf die Deutschen der Roten Armee zur Hilfe zu kommen.

Churchill legte ein Angebot auf den Tisch: die Bombardierung Deutschlands und eine britisch-amerikanische Landung in Nordafrika im Jahr 1942. Ein Vorhaben, das Stalin gefiel, auch aufgrund der bevorstehenden Niederlage Rommels und des Kriegsaustritts Italiens. Stalin regte zudem an, in Deutschland neben Fabriken auch Wohnhäuser zu bombardieren. Noch im Februar 1945 begrüßte der KPD-Führungskader Anton Ackermann die Hilfe, die die schweren Luftangriffe der Alliierten für die Rote Armee bedeuteten.

Richard Overy weist nach, dass erst der Bombenkrieg den – fast bis zum Schluss unsicheren – Sieg der Alliierten ermöglichte. Denn für die Royal Air Force war der Bombenkrieg zunächst einmal eine sehr verlustreiche Sache.

Erst im Frühjahr 1942, nachdem Arthur Harris zum Chef des Bomber Command ernannt wurde, führten die Alliierten Verbesserungen ein, die erst vollendet waren, als in der Nacht vom 13. auf den 14. Februar 1945 die Royal Air Force die bis dahin weitgehend verschonte Stadt Dresden mit großen Bomberverbänden überflog. Der erste Angriff löste einen Feuersturm aus, der die Innenstadt niederbrannte. Hierbei kamen 15 000 bis 30 000 Menschen um, da für den Luftschutz nicht hinreichend gesorgt war. Am folgenden Tage ging ein dritter Angriff auf das Stadtgebiet nieder, der wegen des Wetters und fliegerischer und technischer Pannen wenig erfolgreich war und das Ziel, den Verschiebebahnhof Friedrichstadt, verfehlte.

Wenn die Erinnerungsveranstaltungen vielerorts mit der Warnung vor einem Krieg im Irak verbunden sind, hat das auch mit dem zu tun, was man in Dresden aus der Geschichte lernen möchte.

Gott, so es einen gibt, bewahre uns vor solchen Pazifisten!