Zurück in Afrika

Die Schweiz will mit Hilfe von elektronischen Gesichtserkennungsanlagen und der senegalesischen Regierung Flüchtlinge fern halten.

Die Schweiz ist bekannt dafür, dass dort die besten Präzisionsuhren gebaut werden. Nun ist das Land auch mit einem ausgeklügelten System zur Abschiebung von Flüchtlingen auf dem Weg zur Spitzenklasse. Nachdem die »Volksinitiative gegen Asylrechtsmissbrauch« der rechtspopulistischen Schweizerischen Volkspartei (SVP) im November des vergangenen Jahres nur sehr knapp scheiterte (Jungle World, 50/02), bemüht sich die Regierung, die Vorgaben der Bevölkerung zu erfüllen. Schließlich sind mehr als 70 Prozent der SchweizerInnen der Meinung, die Asylpolitik ihres Landes sei im Vergleich zu den Nachbarstaaten zu großzügig und die Ausweisung von abgelehnten AsylbewerberInnen werde zu inkonsequent gehandhabt.

Daran soll sich schnell etwas ändern. So will der Kanton Zürich zur Aufklärung der Identität und Herkunft von AsylbewerberInnen künftig auch die Wohnungen und das Eigentum von Unbeteiligten durchsuchen. Zudem soll der Brief- und Zahlungsverkehr von AsylbewerberInnen überwacht und ihre Bewegungsfreiheit eingeschränkt werden. Aus dem Kanton Aargau wird gemeldet, dass man Asylsuchenden den Besitz von Mobiltelefonen verbieten will. Und der Kanton St. Gallen erwägt, AsylbewerberInnen, die ihre Identität nicht offen legen, in Beugehaft zu nehmen. Zudem soll die Befristung der Abschiebehaft auf neun Monate aufgehoben werden.

Die Justizministerin Ruth Metzler hat schon mehrfach signalisiert, dass sie sich weitere Verschärfungen des Asyl- und Ausländergesetzes vorstellen kann. Allerdings verweist sie stets darauf, dass sich die Probleme des Ausweisungsvollzugs gerade bei Asylsuchenden aus Westafrika nicht von der Schweiz allein lösen lassen. Deshalb sucht sie den so genannten Migrationsdialog mit den Herkunftsländern und strebt weitere Rücknahmeabkommen an. Die Schweiz hat bislang mit 26 Staaten solche Abkommen geschlossen.

Das Internationale Zentrum für Migrationspolitik in Wien, das die »Rückkehrpolitik« der Schweiz mit zehn anderen europäischen Ländern verglich, kommt zu dem Schluss, die »aufwändige, aber nachhaltige Förderung der freiwilligen Rückkehr« sei vorbildlich. Die Schweiz könne als Vorbild des »Migrationsdialogs« bezeichnet werden, so die Abschiebungsspezialisten.

Für die Schweizer Behörden stellen »renitente Asylsuchende« aber auch weiterhin das größte Problem dar. Denn um jemanden abschieben zu können, muss man wissen, aus welchem Land er kommt. Deshalb wurde Anfang des Jahres auf dem Flughafen Zürich die erste elektronische Gesichtserkennungsanlage installiert. In einer Testphase bis Ende März will man Reisende, die aus den Ländern kommen, aus denen die meisten Menschen flüchten, noch vor der eigentlichen Grenzkontrolle digital erfassen.

»Mit der elektronischen Gesichtskontrolle soll der Nachweis erbracht werden«, so der Leiter der Flughafenpolizei, Ulrich Neracher, »woher die Menschen ursprünglich stammen und mit welchem Flugzeug sie in Zürich gelandet sind.« Im neuen Ausländergesetz sollen dann die rechtlichen Voraussetzungen für eine umfassende technische Überwachung der Passagiere bei ihrer Ankunft geschaffen werden.

Noch wichtiger und geradezu wegweisend ist das so genannte Transitabkommen mit dem Senegal, das die Justizministerin Mitte Januar unterzeichnete. Demnach darf die Schweiz künftig abgelehnte Asylbewerber aus ganz Westafrika in den Senegal transportieren, um dort deren Identität zu prüfen und die Weiter- oder die Rückreise zu organisieren.

Für die Prüfung haben die Beamten drei Tage Zeit. In dieser Frist sollen sich die Flüchtlinge im Transitbereich des Flughafens von Dakar aufhalten. Wie die Ermittlungen vor Ort aussehen sollen und wer für die Zusammenarbeit mit den afrikanischen Botschaften in Senegal verantwortlich sein wird, ist derzeit noch unbekannt. Gelingt es nicht, die Identität der Flüchtlinge zu klären, muss die Schweiz die Menschen unbekannter Herkunft wieder zurücknehmen. Wie es dann mit diesen Personen weitergehen soll, ist ebenfalls völlig ungewiss.

Mit der Verlagerung afrikanischer Abschiebehäftlinge in den Senegal wolle sich die Schweizer Regierung der Verantwortung entledigen, »die Rückkehr ins Herkunftsland und eine faire Behandlung zu gewährleisten«, kritisiert die Schweizer Nichtregierungsorganisation Solidarité sans frontières. Die Menschrechtsgruppe augenauf verweist darauf, dass nicht der Transfer der Flüchtlinge der Gegenstand des Transitabkommens sei, sondern die Abschiebung unerwünschter WestafrikanerInnen, was »die Schaffung eines Schweizer Internierungslagers in Dakar« nötig mache.

»Bis zur Ankunft der Schweizer Ministerin wusste im Senegal niemand von diesem Vertrag«, erklärte Sadikh Niass vom West African Refugees and Internally Displaced Persons Network in der vergangenen Woche der Schweizer Wochenzeitung. Als die Menschenrechtsorganisationen von dem heimlich vorbereiteten Vertrag hörten, wandten sie sich an senegalesische Parlamentsmitglieder. Daraufhin erklärte Außenminister Cheikh Tidiane Gadio, der Senegal werde einem solchen Abkommen nicht zustimmen, da es seiner »Staatsphilosophie« widerspreche.

Inzwischen ist es unterzeichnet. Nur die Ratifizierung durch die Parlamente beider Staaten steht noch aus, was in der Schweiz eine Formsache sein dürfte. Wie der Vertrag im Parlament in Dakar aufgenommen werden wird, ist schon schwieriger vorherzusagen. Solidarité sans frontières kündigte an, dem Parlament und der Öffentlichkeit des Landes ein »Memorandum gegen das Transitabkommen« vorzulegen.

Unklar ist, warum Senegals Präsident Abdoulaye Wade überhaupt bereit ist, bei der Abschiebung von WestafrikanerInnen zu helfen. Beide Vertragsparteien schweigen sich darüber beharrlich aus, wie der Vertrag, für den Metzler »wie eine Löwin« gekämpft haben will, zustande kam. Wade beteuert, der Senegal habe kein Geld von der Schweiz verlangt, da der Vertrag der Staatsphilosophie entspreche. Schließlich sei »jeder Flüchtling im Senegal zu Hause«.

Viel plausibler erscheint es allerdings, dass sich die Schweiz mit direkten finanziellen Zuwendungen oder dem Versprechen einer Erhöhung der Entwicklungshilfe die Zustimmung des Senegal zu dem »Transitabkommen« erkauft hat. In der Vergangenheit hatte die Freisinnig-Demokratische Partei, die an der Regierung in Bern beteiligt ist, mehrfach gefordert, afrikanische Staaten auf diese Weise unter Druck zu setzen.

Das Transitabkommen mit dem Senegal erinnert stark an die skandalöse Praxis der so genannten Westafrika-Route aus dem Jahr 1999. Damals schoben die Schweizer Behörden Personen aus afrikanischen Ländern ohne Papiere für ein Kopfgeld nach Abidjan ab. In der Hauptstadt von Côte d’Ivoire wurden die Sans-papiers in Beugehaft genommen, und ein von der Schweiz angeheuerter Anwalt organisierte dort die weitere Abschiebung. Zudem erhielt ein lokaler Polizeichef Geld dafür, dass er Zellen zur Verfügung stellte und die Operation deckte.

Nach Berichten von augenauf und anderen Gruppen intervenierte die Regierung der Côte d’Ivoire und beendete die Zusammenarbeit. Mit dem neuen Transitabkommen wurde das »Abidjan-Konzept« nun in die offizielle Form eines Staatsvertrages verwandelt.

Sowohl die Erfassung von biometrischen Daten an der Grenze als auch der Abschluss von Rückübernahme- und Transitabkommen mit Staaten des Südens sind Formen eines globalen Migrationsmanagements, das zwar in seiner rechtsstaatlichen Hemmungslosigkeit bisher in ganz Europa einmalig ist, aber ungeachtet dessen Schule machen dürfte. Vorbildlich wird vor allem die Idee sein, Migrationspolitik an die Entwicklungspolitik oder an Handelsabkommen zu knüpfen und Staaten des Südens zu erpressen.