Deutsch-amerikanisches Verhältnis

Der deutsche Ausweg

»Wer in einem Loch sitzt, sollte nicht tiefer graben«, antwortete US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld vergangene Woche auf die Frage, wie sich Deutschland angesichts der aktuellen Spannungen mit den USA verhalten solle.

Tatsächlich hat es der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder geschafft, die deutsch-amerikanischen Beziehungen auf den schlechtesten Stand seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs zu bringen. Zwischen der »bedingungslosen Solidarität« mit den USA und dem kategorischen Nein zu einem Krieg gegen den Irak selbst mit einem UN-Mandat liegt nur ein Jahr. Schröder habe eine Position eingenommen, die »arabischer ist als die arabische Liga«, kommentierte William Safire in der New York Times.

Mit seinem Affront gegen die Regierung von US-Präsident George W. Bush hat Schröder viel riskiert. Er hat nicht nur zum ersten Mal in der deutschen Nachkriegsgeschichte die traditionelle Westbindung in Frage gestellt, sondern auch eine neue Perspektive eröffnet, die nicht nur in Washington Entsetzen auslöste.

Denn auch in Frankreich und Großbritannien fühlte man sich durch Schröders Haltung brüskiert. Von einer gemeinsamen europäischen Außenpolitik ist nicht viel übrig geblieben. Schröder hielt es nicht einmal für nötig, vor seiner definitiven Absage an die Pläne der USA seine EU-Kollegen überhaupt zu konsultieren.

Wer jedoch glaubte, die antiamerikanische Rhetorik sei nur dem Wahlkampf geschuldet, sieht sich jetzt getäuscht. Auch nach dem Erfolg der rot-grünen Regierung nimmt Schröder nichts zurück. Stattdessen setzt er auf ein Arrangement mit den USA, dem sich auch Washington kaum entziehen kann. Dort weiß man schließlich auch, dass Deutschland militärisch für einen möglichen Einsatz gegen den Irak zwar nicht benötigt wird, man aber auf lange Sicht auch nicht ganz auf die Krauts verzichten kann.

Wie ein möglicher Kompromiss aussehen kann, hat Schröder schon angedeutet. Seine Aussage, er werde sich auch im Falle eines UN-Mandats nicht an einem Krieg gegen den Irak beteiligen, bezieht sich nicht auf die Zeit nach einer Militäraktion. Es ist also gut möglich, dass die Bundesregierung zwar bei ihrem kategorischen Nein bleibt, sich anschließend aber an einer internationalen Friedenstruppe, vergleichbar der Isaf in Afghanistan, beteiligt.

Die Bundesregierung zeigt schon mal ihren guten Willen. Verteidigungsminister Peter Struck hat auf der Nato-Tagung in Warschau in der vergangenen Woche bereits angeboten, dass Deutschland im Dezember das Kommando der internationalen Schutztruppe in Afghanistan übernimmt. Bundeskanzler Schröder soll dies bei seinem Treffen mit dem britischen Premierminister Tony Blair in London abgesprochen haben. Der Bundeskanzler hofft, so das Verhältnis mit Washington wieder zu verbessern. Die USA und Großbritannien werden dadurch in Afghanistan entlastet und können sich auf den Irak konzentrieren.

Auf diese Weise kann Schröder bei seiner rigorosen Ablehnung der Irak-Politik der USA bleiben, Washington hingegen muss sich mit dem taktischen Entgegenkommen zufrieden geben. Gleichzeitig hat sich Deutschland der Welt als friedliebende Alternative zu den kriegslüsternen USA angeboten, ohne sich völlig mit seinem »Verbündeten« zu entzweien.

Mit seinem Widerspruch signalisiert Schröder, dass er bereit ist, den »deutschen Weg« zu gehen. Er hat als erster deutscher Kanzler den universalen Machtanspruch der USA in Frage gestellt.