Anthony Blair und Silvio Berlusconi kommen sich näher

Besuch beim Paten

Der britische Premier Anthony Blair sucht nach neuen Verbündeten in der EU. Mit Silvio Berlusconi ist er sich politisch einig.

Sehr zur Freude von Silvio Berlusconi respektiert der britische Premierminister Anthony Blair die Gepflogenheiten in fremden Ländern. »Jedes Land hat seine eigenen Mediengesetze«, erwiderte Blair, als er auf Berlusconis Fernsehmonopol in Italien angesprochen wurde. Da Blair offensichtlich kein Problem mit dem Medientycoon und Regierungschef hat, fühlte sich Berlusconi dazu veranlasst, ihn vertraulich »meinen Freund Tony« zu nennen. Diese Freundschaftsbekundung ging Blair dann wohl doch zu weit, denn er sprach während seines Staatsbesuchs in Rom Mitte Februar durchweg von »Herrn Berlusconi« und grinste ungewohnt selten in die Fernsehkameras.

Doch dies war das einzige Zeichen, das auf Blairs Bedenken im Ungang mit dem umstrittenen italienischen Premierminister deutete. Politisch zeigten sich der moderne Sozialdemokrat Blair und der Rechtspopulist Berlusconi einig. In einem gemeinsamen Beitrag zum Gipfel der Europäischen Union (EU) im März in Barcelona forderten sie eine Liberalisierung des Arbeitsrechts und des Energiemarktes innerhalb der EU sowie ein »Europa der stolzen Nationen«.

Für Blair ist die Forderung nach einem Abbau von Arbeitnehmerrechten eine leichte Übung, denn er verlangt im Prinzip nur eine Angleichung an britische Normen. Die von der konservativen Vorgängerregierung begonnene liberale britische Arbeitsmarktpolitik wurde von Blairs Labour-Regierung in den letzten fünf Jahren mit einer Mischung aus Anreiz und Zwang zu schlecht bezahlter Arbeit fortgesetzt. »Europas Arbeitsmärkte müssen flexibler sein. Unternehmen sind noch immer von unnötigen Regulationen belastet«, schrieb Blair daher ganz in diesem Sinne in der italienischen Zeitung Corriere della Sera.

Im Gegensatz zu Italien, wurde in Großbritannien der Schulterschluss Blairs mit Berlusconi kaum wahrgenommen. Einzig im linksliberalen Guardian rief ein Gastkolumnist die britischen Gewerkschaften dazu auf, nun endlich der Labour-Partei die finanzielle Unterstützung zu entziehen, da die Partei gegen die Interessen der Gewerkschaftsmitglieder handele. Doch bislang erhoffen sich die Gewerkschaftsführer mehr Einfluss, wenn sie die Partei Blairs zu einem Viertel finanzieren.

Auch mit Kritik an Berlusconi scheinen die britischen Medien im Moment vorsichtig zu sein. So kündigte BBC World in der Woche vor Blairs Besuch in Rom eine Dokumentation über den italienischen Regierungschef mit Musik aus dem Mafia-Film »Der Pate« an. Als Berlusconis Büro sich beschwerte, wurde der Trailer schnell abgesetzt. »Manchmal schlägt die Promotion-Abteilung etwas über die Stränge«, erklärte ein BBC-Sprecher.

In Italien hingegen löste Blairs Vorgehen eine innenpolitische Kontroverse aus, da sich Berlusconi in Auseinandersetzungen mit den italienischen Gewerkschaften über den Kündigungsschutz befindet. Für Anfang April hat der Allgemeine Italienische Gewerkschaftsbund CGIL zum Generalstreik aufgerufen, sollte die Regierung den Arbeitnehmerschutz wie angekündigt lockern.

Erfreut über Blairs Unterstützung der konservativen Regierung zeigte sich dementsprechend Antonio D'Amato, der Vorsitzende des Arbeitgeberverbands Confindustria: »Großbritannien hat Europa den Weg zu ökonomischen Reformen gezeigt.« Davon müsse auch Italien lernen, denn »eines der Probleme in diesem Land ist es, dass ein Arbeitgeber sich von seiner Frau scheiden lassen kann, aber nicht von seinem Angestellten«.

»Unglaublich« nannte dagegen Pietro Folena vom linken Flügel der Socialisti Democratici Italiani (SDI) die Äußerungen Blairs und forderte, die Mitgliedschaft der Labour Party in der sozialdemokratischen Fraktion des europäischen Parlaments zu überprüfen. Sein Parteikollege, der Vizepräsident des Senats Cesare Salvi, bezeichnete Blair gar als »Anführer der europäischen Rechten«. Der frühere italienische Premier Massimo D'Alema vom Linksbündnis Olivenbaum beurteilte die Vorschläge von Blair und Berlusconi allerdings gelassener, schließlich stimmten sie weitgehend mit den Beschlüssen früherer Gipfelkonferenzen der EU überein.

Säuerlich reagierte hingegen die sozialistische Regierung in Frankreich, schließlich befindet sich Premier Lionel Jospin im Präsidentschaftswahlkampf gegen Jacques Chirac und muss Deregulierungsvorhaben zur Zeit zurückhaltend behandeln. Die Position Berlusconis und Blairs »respektiert nicht die Balance zwischen ökonomischer Konkurrenzfähigkeit und sozialem Fortschritt«, erklärte daher die Arbeitsministerin Elisabeth Guigou.

Mit wenig Begeisterung wurde in Frankreich auch die Forderung von Berlusconi und Blair nach einer Liberalisierung des Gas- und Strommarktes in der EU aufgenommen, bedeutet sie doch einen Angriff auf das Monopol des französischen staatlichen Stromunternehmens Electricité de France. Frankreich weigert sich bislang, Fristen für die Liberalisierung des heimischen Marktes zu vereinbaren, während sich der Staatskonzern in anderen EU-Ländern, so beispielsweise in Italien, einkauft.

Die mögliche neue Achse London-Rom wird von den bislang in der EU tonangebenden Regierungen Deutschlands und Frankreichs misstrauisch beobachtet, da Blair auch enge Beziehungen zum konservativen spanischen Premier und gegenwärtigen EU-Ratspräsidenten José Maria Aznar unterhält.

Für den Besuch in Rom hatte Blair aber auch ganz pragmatische Gründe. So wollte er sich für den Fall eines Wahlsiegs konservativer Kräfte in Frankreich und Deutschland absichern. Nach einem Regierungswechsel in beiden Ländern wäre er der letzte sozialdemokratische Regierungschef eines großen EU-Staates.

Wichtig war Blair daher Berlusconis Unterstützung in der Frage der Stärkung der Nationen innerhalb der EU. Vor dem Verfassungskonvent, der am vergangenen Wochenende begonnen hat, forderte der britische Premier eine Struktur mit weitgehend eigenständigen Nationalstaaten statt eines föderalen Prinzips wie in der Bundesrepublik Deutschland.

Die Unterstützung des italienischen Ministerpräsidenten in dieser Frage könnte längerfristig zu einer Kräfteverschiebung in der EU führen. Eine größere Distanz zu dem von anderen Regierungen kritisch beäugten Berlusconi hält Blair daher offenbar nicht für angebracht.