Berlin hat noch mehr Schulden als gedacht

Diese Überschrift wird eingespart

Hätten Sie's geahnt? Berlin ist pleiter als pleite. Eine halbe Ewigkeit Frontstadtpolitik hat nichts übrig gelassen. Während »kompetente« ehemalige CDU-Finanzstrategen wie Klaus Landowsky beim allabendlichen Herrenkomment nach jahrzehntelangem Umhertragen schwarzer Geldkoffer ihren wohlverdienten Ruhestand genießen, ist Berlin reif für die Entwicklungshilfe. Eine bittere Pille für Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD): In der vergangenen Woche mussten ihm die Berliner Parteifreunde mitteilen, dass sie sich zur Finanzierung des Haushaltes 2002 nicht um 3,6 Milliarden, sondern um 6,3 Milliarden Euro neu verschulden müssen. Die Planungen der soeben angetretenen rot-roten Koalition sind damit Makulatur. Berlin muss künftig noch mehr Schulden machen, um die Zinsen bezahlen zu können. »Im Jahre 2006 werden es nach jetziger Planung 56 Milliarden Euro sein«, klagt der Tagesspiegel. Doch das Wimmern geht über in eine dumpfes Poltern: »Der tägliche Aderlass in Richtung Banken wird dann schon 8,2 Millionen Euro betragen. Es ist ein Trauerspiel, dass die Motivation zu sparen sehr einschränken kann: Sparerfolge gehen für die Zinsen drauf - ohne dass damit Berlin auch nur einen Millimeter von seinem Schuldenberg herunter wäre.« Wir haben es geahnt: Der Berliner Bär leidet nicht etwa unter den Folgen antikommunistischer Filzpolitik, sondern brummt unter der ungerechten Last der Zinsknechtschaft! Der Verkünder der Hiobsbotschaft, Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD), wird im Tagesspiegel verdächtigt, das leidgeplagte Hauptstadtvolk unnötig zu verunsichern. Sarrazin sei ein »Zahlenkünstler«, der aus purem politischen Eigennutz »Schocks« verabreiche und schwarz male. »Eine fatale Wirkung könnten Sarrazins Zahlen auch ausgerechnet bei jenen entfalten, die sich nach Jahren endlich einsichtig und zum Sparen bereit gezeigt hatten.« Auch der ehemalige Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) greift Sarrazin »empört« an und hält die These, dass man ein »Ausgabeproblem« habe, für »Unsinn«. Doch alles Zetern hilft nicht. Um ein Recht auf Geld aus der Bundeskasse zu erhalten, müsste Berlin nachweisen, dass die Notlage nicht aus eigenem Verschulden entstanden ist. Angesichts der Machenschaften der Westberliner Immobilien- und Baumafia dürfte dies nur schwer möglich sein. Ein »blauer Brief« der EU ist kaum noch abzuwenden: Deutschland und Berlin, nachsitzen! Aber es regt sich Widerstand. »Ob man Berlin eigenes Verschulden vorwerfen kann, ist umstritten. Hatte doch die Stadt Lasten aus der deutschen Einheit und ihrer Hauptstadtfunktion zu tragen, die ihr nicht allein zugewiesen werden können«, weiß der Tagesspiegel. Diepgen faselt vom Status einer »Hauptstadt der Nation«, den Schrotthaufen an der Spree will er durch eine »Royal Commission« aufmöbeln. Auch die Finanzexpertin der Grünen im Bundestag, Christine Scheel, träumt von einem »nationalen Solidarpakt«. Bankgesellschaft Berlin? Nie gehört. Bleibt also kaum etwas Positives zu melden. Nur das: Zumindest eine Fusion mit Brandenburg kommt, wie Jörg Schönbohm (CDU) mault, vorerst nicht mehr in Frage. Der ehemalige Berliner Innensenator und heutige brandenburgische Innenminister erklärte das Thema für »tot«. So bleibt es den Berlinern in Zukunft wenigstens erspart, Brandenburger Skinheads als Mitbürger bezeichnen zu müssen. Die eigenen Dumpfbacken reichen eh schon.