Die französische extreme Rechte und die Anschläge in den USA

Front gegen Barbaren

Gegen die USA oder gegen den Islam? Die französische extreme Rechte ist sich uneins. Der Front National profitiert vom antiarabischen Rassismus.

Wird Jean-Marie Le Pen der dritte Mann bei der Präsidentschaftswahl sein?«, fragte die Pariser Abendzeitung Le Monde kürzlich. Die Frage überrascht auf den ersten Blick, schließlich war der Vorsitzende des rechtsextremen Front National (FN) in den vergangenen beiden Jahren beinahe völlig aus den Medien verschwunden. Nachdem sich der FN zum Jahreswechsel 1998/99 gespalten hatte und bei den Wahlen zum Europaparlament 1999 auf 5,7 Prozent abgerutscht war, versanken Le Pen und sein FN schnell in der politischen Bedeutungslosigkeit.

Jetzt aber scheint die Talfahrt der rechtsextremen Partei gestoppt zu sein, glaubt man einer Umfrage des französischen Meinungsforschungsinstitutes Sofres vom Oktober, derzufolge Le Pen inzwischen mit elf Prozent der Wählerstimmen rechnen kann.

Offenbar profitiert der FN von der verstärkten Furcht vor Attentaten in Teilen der französischen Öffentlichkeit nach den Terroranschlägen vom 11. September und dem damit einhergehenden Aufflammen des antiarabischen Rassismus in Frankreich. Jene FN-Kader scheinen Recht zu behalten, die auf einer Tagung der Parteispitze am 20. September prophezeiten, die Situation sei für die Partei so günstig wie selten zuvor.

Dabei tat sich gerade die französische extreme Rechte bislang schwer, ihre Position in dem internationalen Konflikt zu bestimmen. Soll es nun gegen die USA und das mit ihnen verbündete Israel gehen? Oder aber gegen »den Islam«?

Während der Golf-Krise 1990/91 hatte Jean-Marie Le Pen, die traditionelle antiislamische Ausrichtung der rechtsextremen Mehrheitsströmung ignorierend, für den irakischen Diktator Saddam Hussein Partei ergriffen. Die Idee, dass der Nationalismus nach dem so genannten Ende des Kommunismus einen neuen globalen Feind benötige, trug dazu ebenso bei wie der Wunsch, den »radikalen Bruch mit den Systemparteien« zu unterstreichen. Mit Ausnahme der KP unterstützten alle großen Parteien in Frankreich damals die von den USA angeführte Golfkriegsallianz. Doch nur 48 Prozent der damaligen FN-Wähler wollten Le Pen in dieser Frage folgen.

Ebenfalls Anfang der neunziger Jahre hatten zudem einige Intellektuelle, die von der Nouvelle Droite, der französischen Neuen Rechten, zum FN gestoßen waren, das Aufkommen islamistischer Bewegungen zunächst als Ausdruck eines legitimen Wunsches nach getrennter Entwicklung der Kulturen begrüßt.

Trotzdem verhielt sich die französische extreme Rechte diesmal anders und bejubelte nicht, wie etwa die deutsche NPD, die Anschläge gegen die USA. Die französischen rechtsextremen Parteien sehen sich »realpolitischen Zwängen« unterworfen, sofern sie ein Massenpublikum bei Wahlen ansprechen wollen. So hat der größte Teil der autoritären Wählerschaft eine überdurchschnittliche Angst vor Attentaten und der vermeintlichen Kriminalität der »Dunkelhäutigen«. Die Kader- und Aktivistenpartei NPD ist einem solchen Druck natürlich nicht ausgesetzt.

Unter den FN-Parteimitgliedern hält sich die Anzahl der Befürworter und der Gegner der US-Militärschläge die Waage, wie eine Umfrage zeigte. Wie erst kürzlich bekannt wurde, hatten jüngere hauptamtliche Mitarbeiter der FN-Parteizentrale im Pariser Vorort Saint-Cloud am 11. September die Fernsehbilder der zusammenstürzenden Twin Towers mit knallenden Champagnerkorken gefeiert. Doch sie wurden von langjährigen Parteikadern wie Marie-France Stirbois und Bernard Antony, dem Anführer des katholisch-fundamentalistischen Parteiflügels, postwendend zur Ordnung gerufen. Ursache dafür war vermutlich nicht nur die Sorge um das Image der Partei. Die altgedienten FN-Kader waren angesichts der Freude über die islamistischen Attentate wohl tatsächlich schockiert. Schließlich hatten sie während des Algerien-Kriegs gelernt, dass »der Moslem« barbarisch sei und den natürlichen Feind darstelle.

Jean-Marie Le Pen zog es daher nach anfänglichem Zögern vor, eine neutrale Position hinsichtlich der internationalen Konfrontation einzunehmen. Er richtet seine Attacken vor allem nach innen und setzt auf das Ressentiment gegen muslimische Immigranten, die die Innere Sicherheit Frankreichs bedrohen würden. So erklärte er anlässlich des jährlichen Parteifests im Pariser Stadtwald Bois de Vincennes Ende September: »Die Terroristen vom 11. September lebten in den USA wie Fische im Wasser.« In Frankreich habe Jacques Chirac »vor 25 Jahren den Wasserhahn geöffnet«, als er 1975 als Premierminister den Familiennachzug der Immigranten legalisierte. »Er hat die Fische importiert. Die Sozialisten haben sie ernährt. Unser Land wartet jetzt auf die Folgen.«

Bruno Mégret, Le Pens Erzrivale im Ringen um die Vorherrschaft auf Seiten der extremen Rechten, geht hingegen in die Vollen. Seine Partei, der Mouvement National Républicain (MNR), trat von Anfang an für den US-amerikanischen Krieg ein. Die Unterstützung wird selbstverständlich rassistisch begründet: Einer »Nation europäischer Herkunft«, den USA, stünde »der Islam« gegenüber, der schon immer den Gegenspieler der europäischen Zivilisation gebildet habe.

Ähnlich argumentiert die rechtsextreme Wochenzeitung Minute, die 1961 am Ende des Algerien-Kriegs gegründet worden war. »Leben mit Amerika oder sterben durch den Islam?«, titelte das Blatt vor einigen Wochen. Und in einem Kommentar wurde die »Méthode Aussaresses« bejubelt. Der 83jährige General Paul Aussaresses war im Frühsommer dieses Jahres symbolisch degradiert worden, weil er sich in einem kurz zuvor erschienenen Buch freimütig dazu bekannt hatte, im Algerien-Krieg gefoltert und außergerichtliche Hinrichtungen vorgenommen zu haben. Minute kommentiert: »Wir hoffen, dass die Agenten des FBI und der (französischen) DST diese Erinnerungen nachlesen werden. Und sich davon inspirieren lassen.«