Ausstellung zu Rassismus und Fußball

Das Runde im Eckigen

Die große Ausstellung zum Thema Kicken und Rassismus ist vor allem eins: gut gemeint.

Einige fühlten sich spontan angesprochen. Noch am Abend der feierlichen Eröffnung beschossen sie mit Leuchtfeuermunition die Ausstellungsräume. In den folgenden Tagen wiederholten sich die Angriffe, bis schließlich am Mittwoch vergangener Woche zwei tatverdächtige Jugendliche festgenommen wurden. »Tatort Stadion« heißt die Ausstellung, Untertitel: »Rassismus und Diskriminierung im Fußball«.

Hinter Glas sind so merkwürdige Trouvaillen zu sehen wie ein Aufkleber »MSV-Fans gegen links«, Flugblätter der DVU und NPD - handschriftlich ist vermerkt, bei welchem Bundesligaspiel sie vor welchem Stadion verteilt wurden -, Aufnäher »Ich bin stolz, ein Deutscher zu sein« und ein kopierter Stern-Artikel. Warum gerade letzterer in einer Vitrine präsentiert wird, erschließt sich nicht so richtig. Eine andere Vitrine enthält viele verschiedene, meist mit antifaschistischem Anspruch auftretende Fanzines, die man gerne mal durchgeblättert hätte, aber auch sie liegen leider hinter Glas.

An den Wänden hängen Schals von Vereinsinitiativen »gegen rechts«. Unter den fünf vetretenden Vereinen befinden sich ein Viert- und ein Drittligist. Tennis Borussia Berlin und Fortuna Düsseldorf. Daneben werden noch Schals von Hannover 96, Borussia Mönchengladbach und Schalke 04 präsentiert. Auch an den Wänden finden sich Stelltafeln, die bestimmte Aspekte von Fußballgewalt näher beleuchten: Sexismus, wie er sich auf den bekanntlich meist von Männern besuchten Rängen äußert, wird ebenso behandelt wie der Rassismus, wie er sich sowohl in den Fanblocks als auch auf dem Rasen artikuliert - von Anthony Yeboah, dem früheren Frankfurter und Hamburger Stürmer findet sich etwa das kluge Zitat: »Ich möchte in Deutschland nicht um Asyl bitten müssen.«

Dass der DFB nach mehreren Anläufen 10 000 Mark für die Ausstellung über seinen Sportförderverein zugesagt hat, konnte die Ausstellungsmacher nicht davon abhalten, eine Tafel der Geschichte des Deutschen Fußballbundes (DFB) zu widmen. Titel: Tatverdacht DFB. Dort sind etliche Zitate des neuen DFB-Präsidenten Gerhard Mayer-Vorfelder nachzulesen. Schonend mit dem offiziellen Fußball geht auch die Schautafel zum Thema Antisemitismus nicht um. Die Macher erinnern etwa daran, dass bei der Auseinandersetzung um ein letztlich abgesagtes Fußball-Länderspiel zwischen Deutschland und England am 20. April 1994 - umgangssprachlich bis heute »Führers Geburtstag«- sich der langjährige DFB-Pressesprecher Wolfgang Niersbach so äußerte: »80 Prozent der amerikanischen Presse sind in jüdischer Hand.«

Auch beim Thema Homophobie im Fußball operierten die Ausstellungsmacher mit einer Zitatcollage. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass Schwule Fußball spielen können«, hatte einst Paul Steiner, technisch mittelbegabter Vorstopper des 1. FC Köln, ein das Gros der Liga und ihre Fans überzeugendes Diktum vorgelegt. Ein Spieler von Fortuna Düsseldorf namens Michael Schütz, dessen fußballerischen Leistungen zu Recht vergessen sind, wusste über Schwule auf dem Fußballplatz dies zu berichten: »Man würde gegen so einen nicht richtig rangehen, weil die gewisse Furcht vor Aids da wäre.« Einer, der Steiner und Schütz fußballerisch nachweislich in den Schatten stellte, sagte einmal: »Meine ersten sexuellen Erfahrungen habe ich mit einem Mann gemacht.« Das Zitat stammt von Pelé. Eine gelungene Tafel, was man nicht von allen Tafeln behaupten kann - und das bei einer Ausstellung, die vor allem aus vielen Tafeln und einigen Vitrinen besteht.

Überall ist viel guter Wille zu spüren, viele Gedanken über die Form der Präsentation allerdings nicht. Die Ausstellung, initiiert vom Bündnis Aktiver Fußball-Fans (Baff), sei »textlastig«, das räumt einer der zwei Macher, Gerd Dembowski, 29, ein. Es ist kein bewusster formaler Purismus, dass übliche Accessoires moderner Ausstellungen - Videos, innenarchitektonische Anleihen bei Stadien, Multimediainstallationen etc. - fehlen. Sie mussten fehlen, betonen Dembowski und sein Kollege Ronald Noack, 39. Sie hätten einen mickrigen Etat (100 000 Mark), kaum Zeit (acht Monate) und keine Ahnung von Ausstellungsdidaktik gehabt. Noack ist, wie es heißt, »szenekundiger Fan«, Dembowski stellt sich als Sozialwissenschaftler vor.

Als Schirmherren konnte Baff aber immerhin den Bundestagspräsidenten Wolfgang Thierse, den Hertha-Stürmer und Vizepräsidenten der Vereinigung der Vertragsfußballspieler (vdv), Michael Preetz, und den Hannoveraner Soziologieprofessor Gunter A. Pilz, der sich überall als »Fanforscher« vorstellt, gewinnen. Das klingt nach richtig großer Beachtung, die die Ausstellung finden müsste, und Thierse empfahl bei ihrer Eröffnung Anfang November auch gleich, was man in solchen Fällen so empfiehlt: Viele Fußballfans sollten die Ausstellung besuchen, das ohnehin als Wanderausstellung konzipierte Projekt solle in vielen Städten zu sehen sein und Schulklassen wären auch gut.

100 000 Mark standen den Machern zur Verfügung: 80 000 aus EU-Mitteln, 20 000 musste Baff aus Eigenmitteln auftreiben, sprich schnorren. Hier jedenfalls waren Dembowski und Noack ausgesprochen kreativ. Um etwa die Vierfarb-Produktion der Schautafeln finanziert zu bekommen, suchten sie sich Kleinsponsoren. So steht nun unter jeder Tafel: »Diese Schautafel wurde ermöglicht durch«, und dann folgt ein Name, meist einer Initiative, aber auch von Einzelpersonen, wie etwa dem Schriftsteller Ralph Giordano. Für 250 Mark konnte man auf diese Weise einmal Sponsor werden.

»Ausstellungsfläche zum Beispiel kostet in Berlin 500 Mark den Quadratmeter«, erklärt Dembowski den knappen Rahmen. »Hätten wir so einen Raum angemietet, wäre unser ganzer Etat futsch gewesen und wir hätten nichts zum Ausstellen gehabt.« In Berlin stellte ver.di die Räume im Haus der Buchdrucker kostenfrei zur Verfügung. Wenn die Ausstellung auf Wanderschaft geht - im Jahr 2002 wird die Ausstellung in acht deutschen Städten, u.a. Hamburg, Bochum, Düsseldorf, Leipzig und Frankfurt/Main, zu sehen sein - werden die Ausstellungsorte stark variieren. Mit einer Stadtsparkasse verhandele man, in einer anderen Stadt werden es wohl die Räume einer Versicherung sein.

»Tatort Stadion« ist eine materialreiche Ausstellung, und dass sie in der Aufmachung nicht mit sonstigen Ausstellungen, über die Thierse seinen virtuellen Schirm hält, konkurrieren können, ist den Ausstellungsmachern nicht anzulasten. Dembowski und Noack sind keine Museumspädagogen, aber sie haben gut recherchiert. Vor allem aber haben sie trotz EU-Geldgebern und Thierses Schirmherrschaft keine inhaltlichen Kompromisse gemacht, was prompt den Co-Schirmherrn Pilz verstimmte. Der Professor fand die Stelltafeln zu Mayer-Vorfelder gar nicht gut. Schließlich habe der in den letzten Jahren einiges gegen Gewalt im Stadion unternommen. »Da tut man sich keinen Gefallen«, befand er.

»Tatort Stadion. Rassismus und Diskriminierung im Fußball« in der Medien Galerie im Haus der Buchdrucker, Dudenstr. 10. 10965 Berlin-Kreuzberg, U-Bhf. Platz der Luftbrücke, Bus 119, 104. Zu sehen noch bis zum 6.12.2001, täglich von 11 bis 19 Uhr, Sonnabends und Sonntags geschlossen. Weitere Informationen im Internet unter www.tatort-stadion.de.