Folgen der Anti-Terror-Kampagne

Freunde mit Tradition

Noch nie seit dem Ausbruch des Suezkrieges im Jahr 1956 war das amerikanisch-israelische Verhältnis so gespannt wie seit dem Beginn des Krieges gegen das Taliban-Regime. Nach seiner Rückkehr aus den USA erklärte der israelische Außenminister Schimon Peres: »Wir haben noch nicht einmal begonnen zu begreifen, was in den USA vorgeht. Die Amerikaner haben ihre Sichtweise geändert. Sie denken nicht daran, wie Israel zu verteidigen ist, sondern wie sie sich in einem verrückten Krieg verteidigen können.«

Zuvor hatte der ehemalige Staatssekretär im State Department, Edward S. Walker Jr., auf einer halboffiziellen Nahost-Reise in Beirut erklärt, dass, sobald israelische und US-Interessen kollidierten, die USA klare Prioritäten setzen würden: »Wir lassen unsere Politik nicht in Tel Aviv oder Jerusalem machen.« Eine Konfrontation zwischen Bush und Scharon stünde unmittelbar bevor, zu wichtig sei den USA die Unterstützung der arabischen Staaten in ihrer fragilen Allianz gegen den Terror.

Ungewohnt heftig reagierte deshalb die US-Administration auf den israelischen Einmarsch in acht unter palästinensischer Kontrolle stehende Städte im Westjordanland. Nachdem ein Kommando der PFLP den israelischen Tourismusminister Ze'evi in Jerusalem erschossen hatte und es damit einer palästinensischen Organisation erstmals in der Geschichte Israels gelungen war, einen hochrangigen Vertreter des israelischen Establishments zu ermorden, waren israelische Truppen in einer groß angelegten Aktion in die so genannten A-Zonen eingedrungen. Bei den Gefechten kamen über 40 Palästinenser ums Leben; die Aktion war die umfassendste seit Monaten. Von Israels Regierung als Versuch legitimiert, der Mörder Ze'evis habhaft zu werden, stieß die Aktion auf heftigen Widerstand des State Departments, das Montag vergangener Woche verlauten ließ, Israel solle sich umgehend aus allen von Palästinensern kontrollierten Gebieten zurückziehen und in Zukunft derartige Einmärsche unterlassen.

Dabei stimmten weit über 60 Prozent der israelischen Bevölkerung den Maßnahmen der Regierung zu, die linksliberale Zeitung Ha'aretz sprach sogar von einem Meinungsumschwung in der Öffentlichkeit. Spätestens mit dem Attentat auf Ze'evi habe Arafats Autonomiebehörde den letzten Kredit verspielt und werde jetzt mehrheitlich als Brutstätte des Terrorismus wahrgenommen, mit der weitere Verhandlungen nutzlos seien. Wenig an dieser Einschätzung änderten auch die Versicherungen Bushs, trotz aller Kritik würden die USA engster Verbündeter Israels bleiben und keinesfalls »die Araber mit Israel bezahlen«, sowie die Überweisung von 1,98 Milliarden Dollar an Militärhilfe für Israel.

Denn in Tel Aviv fürchtet man, dass die veränderte Politik der USA langfristig auf eine Schwächung der israelischen Position hinausläuft, da die arabischen Staaten den verstärkten Druck auf Israel als Sieg ihrer politischen Offensive innerhalb der »Allianz gegen den Terrorismus« verbuchen. Jedes Zugeständnis an Ägypten, Jordanien, aber auch an Syrien und den Iran, so die Jerusalem Post, ziehe weitere Forderungen dieser Länder nach sich und werde als Zugeständnis der USA an die »gerechten Forderungen des arabischen Volkes« (Al Ahram) gewertet. Denn während die Aufforderungen an Arafat, härter gegen Attentäter vorzugehen, in freundliche Briefe gefasst seien, wachse die öffentliche Kritik an Israels »Kampf gegen den Terror« - weil, wie Henry Kissinger kürzlich formulierte, nun »eine verständnisvolle amerikanische Haltung gegenüber den traditionellen Freunden Amerikas, zum Beispiel Saudi-Arabien und Ägypten, angemessen« sei, auch wenn diese »darauf verzichten, den Kampf gegen den internationalen Terrorismus öffentlich zu unterstützen (und) einige von ihnen sogar mit manchen Aspekten des terroristischen Programms sympathisieren mögen«.