Die Karriere des konservativen baskischen Politikers Oreja

Ohr um Ohr

Der Vorsitzende der baskischen Volkspartei, Jaime Mayor Oreja, gilt trotz seiner Wahlniederlage als potenzieller Nachfolger des Ministerpräsidenten Aznar.

Worin besteht der größte Unterschied zwischen dem früheren Innenminister Jaime Mayor Oreja und dem spanischen Regierungschef José Maria Aznar? Jener ist gefährlich wegen seiner intellektuellen Schärfe, die Aznar gänzlich fehlt. Doch beide haben sich bei den regionalen Parlamentswahlen im Baskenland gründlich verschätzt.

Ihre Rechnung, die rechtskonservative Volkspartei (Partido Popular, PP) werde zum ersten Mal in der Geschichte einen nicht nationalistischen Präsidenten stellen, ging nicht auf. Stattdessen gewann Mitte Mai die Partei des baskischen Nationalismus (PNV) mit absoluter Mehrheit.

Warum verließ der erzkonservative Oreja aber seinen Ministerposten in Madrid, den er fünf Jahre lang innehatte, um im Baskenland als Spitzenkandidat der PP an den Start zu gehen? Dort also, wo er schon 1990 und 1994 chancenlos blieb.

Spanische Massenmedien sahen ihn bereits als nächsten Regierungschef. Und unter den Wählern der PP galt er wegen seiner harten Politik in Sachen Innere Sicherheit als beliebtester Minister. Verschärfte Gesetze im Bereich Jugendstrafrecht, Terrorismus und Migration betreffen nur einige Teile seines breiten Aktionsfeldes.

Jene schon unter Felipe Gonzalez in den neunziger Jahren betriebene EU-Innenpolitik setzte Oreja mit aller Gewalt fort. Die etwa 1 000 an der spanischen EU-Grenze ums Leben gekommenen MigrantInnen gehen vor allem auf sein Konto. »Die Einwanderung ist das größte Problem für das Zusammenleben der nächsten zehn Jahre in Spanien«, erklärte Oreja nach den rassistischen Pogromen im südspanischen El Ejido im vergangenen Jahr. »Wie gut oder wie schlecht das Phänomen der Einwanderung verwaltet wird«, davon hänge die Zukunft Spaniens ab, begründete der frühere Innenminister das neue Ausländergesetz.

Doch Oreja hatte wohl zuerst alte Rechnungen im Baskenland zu begleichen und wagte trotz aller Warnungen den Sprung ins wasserlose Becken. Als Chef der Polizei und der Guardia Civil war Oreja fünf Jahre lang verantwortlich für das Vorgehen der Sicherheitskräfte im Baskenland. Das hatten die WählerInnen nicht vergessen. Und wer dort mit einer spanisch-nationalistischen Wahlkampagne daherkommt und jegliche Autonomie unterbinden will, hat von Beginn an wenig Chancen. Oreja steht für die Verweigerung jeden Dialogs, für Repression, Kriminalisierung und Gewalt. Als die Eta 1998 einen einseitigen Waffenstillstand verkündete, war es Oreja, der jeden Dialog verhinderte und Aznars Baskenpolitik bestimmte.

Ende 1999 kündigte die Untergrundorganisation Eta die Waffenruhe auf. Es folgten Attentate und die zu erwartende Antwort der Ordnungskräfte. Während des Wahlkampfes im letzten Jahr bejubelte die spanische Presse die Meldungen des Innenministeriums, es gehe »erfolgreich gegen die baskische Linke« vor. Aznar gewann die absolute Mehrheit. Nach Meinung Orejas wäre die PP ohne die Eta und die linken Nationalisten (HB) auch im Baskenland stärkste politische Kraft. Das Ergebnis des 13. Mai bewies, dass er sich irrte.

Wenn man seinen eigenen Aussagen Glauben schenken will, wird er die nächsten Jahre im Baskenland auf der Oppositionsbank verbringen. Dieses Amt dürfte ihm vertraut sein. Schließlich war er dort bis 1996 Vorsitzender der Volkspartei, bis ihn Aznar nach Madrid holte und zum Innenminister ernannte.

Seinen Aufstieg verdankt der gläubige Katholik auch seinen familiären Verbindungen. So öffnete Orejas Onkel Marcelino, der noch zwei Jahre vor Francos Tod das Amt des Innenministers bekleidet hatte, ihm den Zugang zur politischen Macht. Heute ist Marcelino Vorstandsvorsitzender des größten spanischen Bau- und Dienstleistungsunternehmens FCC, das vor allem von den öffentlichen Aufträgen und den Liberalisierungen im Bereich der Infrastruktur profitiert, die er als ehemaliger EU-Kommissar selbst mit eingeleitet hat.

1977 gründete Jaime Mayor gemeinsam mit seinem Onkel die Partei UCD (Union des demokratischen Zentrums). Ein baskischer Ableger der früheren Alianza Popular, wie die Christdemokraten vor ihrer Umbenennung zur PP hießen. Vier der sechs Parteigründer wurden bis 1979 von der Eta ermordet. »Für Parteien wie die UCD waren die Jahre nach 1977 sehr hart, da man sie mit dem Francismus gleichsetzte«, gesteht selbst der PNV-Parlamentssprecher Iñaki Anasagasti ein. Jaime Mayor Oreja habe damals geschworen, die Eta auszulöschen. Dieses Ziel verfolgt er bis heute.

Trotz einiger politischer Bemühungen verlangte Oreja von seiner Partei stets die Entschlossenheit, das spanisch-nationalistische Programm im Baskenland durchzusetzen und eine friedliche Lösung nicht in Betracht zu ziehen. Deshalb konnte er diesmal wahrscheinlich nicht anders als den »Unbesiegbaren« zu mimen.

Wäre er sofort nach der Wahlniederlage nach Madrid zurückgekehrt, hätte die PP eingestehen müssen, dass ihre Politik der letzten fünf Jahre fehlgeschlagen ist.

Doch die Niederlage wird Oreja vermutlich nicht daran hindern, wieder ein Amt in Madrid zu übernehmen oder gar in drei Jahren für das spanische Präsidentenamt zu kandidieren. Und da die spanische Gesellschaft für harte Methoden und rassistische Erfolgsrezepte durchaus empfänglich ist, hätte er dann auch alle Chancen zu gewinnen.