Feigheit vor dem Freund

Die Bundeswehr kann sich kaum dafür begeistern, bei der Entwaffnung der UCK in Mazedonien zu helfen.

Eine seltsame Allianz ist derzeit in Berlin zu beobachten. Sie bildete sich, nachdem der mazedonische Präsident Boris Trajkovski die Nato gebeten hatte, die albanischen Untergrundkämpfer der so genannten Nationalen Befreiungsarmee (UCK) zu entwaffnen und anschließend die Realisierung eines von der mazedonischen Regierung und der UCK noch auszuhandelnden Friedensplans zu überwachen. Trotz des Hilfeersuchens findet sich kaum ein Bundespolitiker, der Trajkovski mit einigen Hundert Bundeswehrsoldaten zur Seite springen will.

Allenthalben werden warnende Stimmen laut. Auch wenn die Nato seit letzter Woche bereits an der »Vorratsplanung« für einen Einsatz in Mazedonien arbeitet, sieht Verteidigungsminister Rudolf Scharping keine Notwendigkeit, über die Bereitstellung entsprechender Bundeswehrkontingente nachzudenken. Schließlich müsse er mit den »Fähigkeiten und Ressourcen der Bundeswehr aus vielerlei Gründen zurückhaltend« umgehen. Sein Vorgänger Volker Rühe versichert, dass die CDU/ CSU einem Einsatz nicht zustimmen werde, »solange die existenzielle Krise der Bundeswehr nicht durch zusätzliche finanzielle Mittel abgewendet wird«. Der SPD-Wehrexperte Manfred Opel, einst selbst aktiver General, hält das Risiko eines Einsatzes für »weit höher als in Bosnien und im Kosovo«. Und Angelika Beer von den Grünen orakelt, dass man sich Blauäugigkeit auf dem Balkan nicht erlauben könne.

Einzig der SPD-Fraktionsvorsitzende Peter Struck sagte am vergangenen Sonntag der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, eine Beteiligung an der Mission sei eine humanitäre Verpflichtung, wenn sich dadurch verhindern ließe, dass Menschen getötet werden.

Was macht diese Mission so prekär? Mazedonien, immerhin Mitglied der Nato-Vorfeldorganisation Partnerschaft für den Frieden, braucht Hilfe, und mit den UCK-Untergrundkämpfern kooperierte die Nato schließlich schon während des Einmarschs im Kosovo.

Es ist die Realität, die die selbst ernannten Friedensstifter eingeholt hat. Zwar wäre die Bundeswehr nach Ansicht von Offizieren im Verteidigungsministerium derzeit durchaus in der Lage, einige Hundert Soldaten nach Mazedonien zu fliegen. Doch man will in diesem Konflikt nicht militärisch Partei ergreifen. Das aber wäre vor Ort unumgänglich.

Die Nato beschloss derweil in der vergangenen Woche eine mission impossible. 3 000 Soldaten sollen in nur dreißig Tagen die Waffen der Guerilla einsammeln. Die UCK-Kämpfer sollen ihre Kalaschnikows nach einer politischen Einigung in Skopje völlig freiwillig an Sammelpunkten abgeben. Eine reichlich unrealistische Erwartung.

Hinter dieser impliziten Hilfeverweigerung steckt die Angst vor Auseinandersetzungen mit der UCK, die sich Befreiungsarmee des Kosovo, in Mazedonien Nationale Befreiungsarmee oder in der südserbischen Pufferzone auch Befreiungsarmee für Presevo, Medvedja, Bujanovac (UCPMB) nennt. Dass die albanischen Aufständischen ihre Waffen freiwillig abgeben, ist unwahrscheinlich, eine gewaltsame Entwaffnung hätte unkontrollierbare Folgen.

An der Spitze der Bundeswehr weiß man das nicht erst seit letzter Woche. So beschwerte sich General Klaus Reinhardt, der erste deutsche Kfor-Kommandant im Kosovo, Ende Dezember in der Wochenzeitung Bundeswehr aktuell über die positive Darstellung der südserbischen »Befreiungsarmee« UCPMB in einem vorausgegangenen Beitrag der Zeitung. Diese »honorigen und aufrechten Männer« versuchten mit allen Mitteln, »Serbien zu einem weiteren Krieg zu provozieren«, stellte er fest.

Es sei skandalös, »wenn Kriminelle, deren Hauptaktivität darin besteht, Menschen kaltblütig aus dem Hinterhalt zu ermorden, in dieser Form in einer offiziellen Publikation der Bundeswehr porträtiert werden«. Schließlich könnten deutsche Soldaten den Auftrag bekommen, die Entwaffnung der UCPMB durchzuführen. »Die so nett ins Bild gesetzten Herren würden dann wohl kaum zögern, auf unsere Kameraden zu schießen«, meinte der Bundeswehrgeneral.

Der von Reinhardt monierte Beitrag mit dem Titel: »Wir brauchen keine Serben hier, sagt ein Kommandant der UCPMB«, zeigt, dass die Albaner-Miliz das Presevo-Tal mit seinen 70 000 albanischsprachigen Bewohnern mit dem Kosovo vereinigen will. »Das ist keine Terroristen-Armee, sondern eine ganz reguläre«, betont ein UCPMB-Kommandant. Hinter all ihren Aktionen, einschließlich der Drohung, auch die in Griechenland lebenden Landsleute zu den Waffen zu rufen, steckt die großalbanische Ideologie der UCK-Führung.

Vor ziemlich genau zwei Jahren, am 12. Juni 1999, rollte eine Einsatzbrigade der Bundeswehr mit 500 Fahrzeugen hinter einer Panzerspitze vom mazedonischen Skopje über die Grenze ins Kosovo nach Prizren. Damals fühlten sich die deutschen Soldaten noch von den »Nato-Nato«-Rufen der Albaner überwältigt und glaubten, Teil einer Befreiungsarmee zu sein.

Doch dieses Bild hat sich grundlegend verändert. Auch die Bundeswehrsoldaten werden von albanischen Extremisten zunehmend als Gegner betrachtet. Anfang Februar wurden im Kosovo sieben deutsche Kfor-Soldaten verletzt, als sie albanische Bürger der Stadt Kosovska Mitrovica davon abhalten wollten, in serbische Stadtteile einzudringen. Im März gerieten 1 000 Soldaten einer Nachschubeinheit im mazedonischen Tetovo zwischen die Fronten der UCK und der mazedonischen Armee.

Damals wurde noch völlig unbürokratisch das getan, was vielen deutschen Politikern heute so undenkbar erscheint: Hundert Soldaten einer Panzerkompanie aus dem Kosovo und neunzig Artilleristen aus Deutschland wurden als für die UCK gut sichtbare Verstärkung ins Einsatzgebiet geschickt. Derzeit sind noch 400 Bundeswehrsoldaten in Mazedonien stationiert.

Inzwischen sind die Befürchtungen groß, ein verstärktes Engagement in Mazedonien könne unangenehme Folgen im Kosovo bedeuten. Dort macht die UCK, die eigentlich in ein unbewaffnetes Kosovo-Schutzkorps (TMK) umgewandelt werden sollte, was sie will. Nato-Jets beobachten in den Bergen oft Maultierkolonnen, die Waffen nach Mazedonien transportieren. In Prizren ist es ein offenes Geheimnis, daß die TMK die UCK in Mazedonien unterstützt. Im März gelang es Bundeswehrsoldaten immerhin, 79 UCK-Soldaten auf dem Rückzug ins Kosovo abzufangen. »Wir sind nicht mehr die mit Dankbarkeit begrüßte Streitkraft«, musste selbst der Staatssekretär Walter Kolbow (SPD) nach einer Balkan-Reise feststellen.

Eine freiwillige Entwaffnung der UCK in Mazedonien mit Hilfe der Bundeswehr ist kaum vorstellbar. Das funktionierte nicht einmal in Prizren, wo die Bundeswehr schon zwei Jahre in friedlicher Koexistenz mit der UCK stationiert ist. Die Begründungen, warum die Entwaffnung nur langsam vorankommt, sind fadenscheinig. So sollen die Kosovo-Albaner nicht unnötig verärgert werden, weil die UCK-Männer für sie Helden sind; ganz abgesehen vom traditionellen Waffenkult als Ausdruck der Mannesehre.

Bliebe also nur eine Entwaffnungsmethode, die einige Bundeswehroffiziere mit Hilfe von UCK-Kommandanten bereits erfolgreich praktizierten. Die Männer schmuggelten Waffen und Munition einfach nach Deutschland. Sie verstießen dabei zwar in 10 094 Fällen gegen das Sprengstoffgesetz und in über 7 000 Fällen gegen das Waffengesetz. Aber vielleicht könnte ja der Gesetzgeber diese bürokratischen Hürden aus dem Weg räumen.