Regierung ohne PDS

Danke, Klaus Landowsky!

Der baldige Rücktritt des CDU-Fraktionsvorsitzenden bewahrt Berlin bis auf weiteres vor der Regierungsbeteiligung der PDS.

Ob es einmal, einmal nur, anders geht, wenn eine linke Partei aus einer mit großer Geste kultivierten Opposition auf die Regierungsbank wechselt? Dass sie sich nicht vornehmlich im Krötenschlucken übt und das der Öffentlichkeit auch noch als großen politischen Erfolg verkauft, sondern der Politik in zentralen Themenfeldern eine grundlegend andere Ausrichtung zu geben vermag: den Reichen nimmt, den Armen gibt und den Flüchtlingen Obdach gewährt beispielsweise. Mit anderen Worten, dass eine reformistische Partei macht, wozu sie vorgibt, da zu sein: Reformen durchzusetzen.

Man muss der Berliner CDU dankbar für den angekündigten Rücktritt Klaus Landowskys vom Fraktionsvorsitz sein, der Neuwahlen und damit die Bildung einer rot-rot-grünen Koalition vorläufig verhindert. Denn mit den linken Reformen wäre es auch diesmal nichts geworden, wie die Vorbereitungen der PDS auf den Regierungswechsel zeigen.

Dass sie in die Landesregierung wollte, hatte die PDS längst beschlossen, ehe sie wusste, wozu. »Wir wollen die Ziele in Workshops gemeinsam mit Experten erarbeiten«, verkündete der stellvertretende Landesvorsitzende Stefan Liebich noch im März auf einer Veranstaltung der Kreuzberger Basisorganisation. An einer Parallelstrategie, wie man Verhandlungen mit der SPD notfalls öffentlich vermittelbar platzen lassen könnte, arbeitete die PDS ebenso wenig wie an einer Antwort auf die zu erwartende Schmutzkampagne der Springer-Presse (»Kommunisten und Hausbesetzer in der Regierung«).

Allerdings hätte die PDS in einer Koalition auch bei bester Vorbereitung kaum mehr als einen Blumentopf gewinnen können. Die Strategie, ausgerechnet in den ärmsten Bundesländern zuerst in die Regierung einzutreten bzw. diese zu tolerieren, sei das letzte Überbleibsel des Stalinismus in der PDS, heißt es in Parteikreisen ironisch. Es handele sich dabei um den Versuch, in den rückständigsten Ländern zuerst den Sozialismus aufzubauen.

Berlin ist pleite. So pleite, dass auf zahlreichen Ämtern ein regulärer Dienst nicht mehr möglich ist. Weitere Einsparungen sind unvermeidlich. Das sieht auch die PDS so. »Wir brauchen Projekte, die nicht nur kein Geld kosten, sondern möglichst auch noch welches einbringen«, sagte Liebich, den die PDS als ihre große Nachwuchshoffnung handelt.

Offensichtlich war bei dem bedingungslosen Koalitionsbefürworter Liebich nicht angekommen, was seine Fraktionschefs Harald Wolf und Carola Freundl zuvor in dem Thesenpapier »Vor der Kür kommt die Pflicht« verkündet hatten: Die PDS könne sich zwar einer Koalition nicht prinzipiell verweigern, da sie von 90 Prozent ihrer Wähler gewollt werde. Wenn sich in Verhandlungen mit der SPD aber keine gemeinsamen Inhalte ergäben, müsse man in der Opposition bleiben. Dem Papier ist die Handschrift der Parteilinken anzumerken: eine nüchterne Bestandsaufnahme der PDS und ihrer Möglichkeiten, keine Spur von emphatischen Bekenntnissen, wie sie ähnliche Auseinandersetzungen der Grünen oft gekennzeichnet haben.

Dennoch: Weit interessanter als das, was in dem Papier steht, ist, was darin fehlt. Eine Auseinandersetzung mit dem Verfall der westdeutschen Linken beispielsweise, wo im Zuge des grünen Regierungseintritts selbst linke Hochburgen wie Frankfurt/Main oder Hamburg geschleift wurden. Wo die wenigen Erfolge und vielen Koalitionskröten mit einer Rückkehr des Experten- und Technokratentums und dem Verlust einer lebendigen politischen Kultur bezahlt wurden.

Es war ja nicht nur schlecht, dass die PDS und mit ihr ein Großteil der Ostdeutschen von den anderen Parteien lange ausgegrenzt wurden. Berlin hat dies zehn relativ angenehme Jahre beschert, in der sich die kulturelle Hegemonie der Oppositionshaltung der achtziger Jahre in die neunziger verlängerte. Eine durchaus ambivalente Angelegenheit, aus der Blödsinn wie Veganeranschläge auf Würstchenlaster resultierten, aber auch Castorfs »Volksbühne«, die Lesezirkel im »Kaffee Burger« und ein Kaufhauserpresser Dagobert, der wohl nur in Berlin zum Volkshelden werden konnte.

Spielfilme wie »Lola rennt« sind durch das spezifische Berlin-Bewusstsein geprägt, wo sich das mittelständische Denken, jedes Engagement auf seine Karrieregesichtspunkte und finanzielle Verwertbarkeit zu bewerten, noch nicht durchgesetzt hat. Erst der Berlin-Hype, der seit dem Regierungsumzug von einer politischen und kulturellen Elite entfacht wurde, hat das Image von Berlin als Stadt anderer Lebensentwürfe demoliert.

Eine Elitentheorie im doppelten Sinne trägt seit geraumer Zeit Gregor Gysi vor. Die mangelnde Integration der Ostdeutschen in das bundesdeutsche System sei auf den Ausschluss ihrer Eliten nach der Wiedervereinigung zurückzuführen, so der Bundestagsabgeordnete. Wer sich da als Teil einer Elite begreift, die gerne den Osten integrieren würde, ist nicht schwer zu erraten. Man darf getrost darauf wetten, dass Gysi seinen Satz, »Die Grenzen verlaufen nicht zwischen Ost und West, sondern zwischen Oben und Unten«, spätestens als Regierender Bürgermeister vergessen wird.

Die PDS holt wohl allmählich ein, was Paul Tiefenbach in einer kürzlich veröffentlichten Studie über die Grünen als »Oligarchisierung« bezeichnete: Die Bildung einer Partei-Elite, die ihre eigenen Interessen im Zweifelsfall für wichtiger hält als die politischen Inhalte. Ähnlich wie die am Aufstieg gehinderten 68er sich mit den Grünen selbst wieder in Führungspositionen kämpften, so bringt nun die PDS die lost generation der Wende dorthin, wo sie ihrer Meinung nach hingehört - an die politische Spitze. Weit mehr noch als in der eher linken Abgeordnetenhausfraktion lässt sich der Wandel der PDS auf der Ebene der mittleren Funktionäre beobachten. Sie haben in den Bezirken lange geübt, jedes mögliche Amt zu besetzen, ohne nach dem Sinn zu fragen. Irgendetwas wird sich schon finden, was man besser als die CDU machen kann. Angesichts solcher Einstellungen ist Harald Wolfs Option, bei schlechten Ergebnissen in Koalitionsverhandlungen notfalls in der Opposition zu bleiben, unrealistisch.

Mit dem baldigen Rücktritt Landowskys ist für die PDS das Regierungsthema aber keineswegs vom Tisch. Die SPD, zur 23-Prozent-Partei herabgesunken, kann in der großen Koalition nur weiter verlieren, und wird deshalb weiter nach einem Anlass für Neuwahlen weit vor dem offiziellen Termin 2004 suchen. Gibt es denn Hoffnung, dass die zukünftigen Sparkommissare der PDS wenigstens die richtigen Prioritäten setzen? Aber ja. Noch Ende Februar, während der schönsten Koalitionskrise, fand die PDS-Landesvorsitzende Petra Pau Zeit zu einer Presseerklärung, in der sie sich gegen die Einsparung der Big-Band des früheren Radiosenders Rias aussprach. Berlin beraube sich damit »nicht nur eines weiteren Teils seiner Geschichte, sondern auch eines guten Stücks Zukunftsmusik«, verkündete sie und trat dem Förderverein der Big-Band bei. Berlin bleibt eben doch Berlin.