Ermittlungen wegen Nazi-Symbolen gegen Linke

Das Kreuz mit den Haken

Immer öfter ermitteln Staatsanwälte wegen der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Besonders, wenn Linke sie benutzen.

Automobilzeitschriften warnen regelmäßig vor den Folgen des Konsums aggressiver Musik im Auto. Die Folgen, die eine musikalische Spritztour Ende Februar für einen Abiturienten aus Westfalen hatte, fand bislang jedoch keinen Eingang in die Analysen der Sprit & Speed-Experten. Mit voll aufgedrehter Anlage war der junge Mann, ganz in seinen Punk-Sound vertieft, in eine Geschwindigkeitskontrolle gerauscht.

Nachdem ein Polizeibeamter die üblichen Formalitäten erledigt hatte, entdeckte er auf dem Beifahrersitz eine Platte der englischen Anarcho-Band Doom. Ein britischer Bobby ziert deren LP-Cover, doch statt des üblichen Helms ist ihm ein Hakenkreuz auf den Kopf montiert. Grund genug für den Polizisten, das möglicherweise neonazistische Druckwerk zu beschlagnahmen. Knapp einen Monat später hat der Schüler neben dem Abiturstress eventuell auch noch ein Verfahren wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen am Hals.

Das unerfreuliche Ergebnis dieser Spritztour ist nur eines von vielen Ermittlungsverfahren gegen Linke, die wegen des Verdachts auf Verstoß gegen den Paragrafen 86a des Strafgesetzbuches ins Visier der Justiz geraten sind. Die Rechtsvorschrift stellt das Verwenden beispielsweise von Fahnen, Abzeichen und Parolen verfassungswidriger Organisationen unter Strafe und soll (neo)nazistische Umtriebe verhindern.

Immer häufiger wird der Paragraf jedoch gegen AntifaschistInnen angewandt. So wurde im April letzten Jahres ein damals 19jähriger in Erfurt zu 40 Stunden gemeinnütziger Arbeit verurteilt, weil er ein T-Shirt der Punk-Band Subhumans getragen hatte, deren Logo sich nach Meinung des Gerichts aus so genannten Sig-Runen zusammensetzt.

Auch dem Journalisten und Rechtsextremismus-Experten Burkhard Schröder werfen Staatsanwälte einen Verstoß gegen Paragraf 86a vor. Anlass der Ermittlungen gegen ihn ist eine Linkliste auf seiner Webpage, über die man auch Seiten von rechtsextremen Organisationen ansteuern kann. Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft Berlin machen sich Personen bereits dann strafbar, wenn sie Links zu Seiten mit strafrechtlich relevantem Inhalt setzen. Dabei monieren die Berliner Ermittler vor allem das Fehlen einer ausreichenden Distanzierung auf der Homepage Schröders.

Wie eine entsprechende Formulierung unter juristischen Gesichtspunkten auszusehen hätte, wird von den Behörden jedoch nicht erläutert. Der Autor zahlreicher Bücher zum Thema Rechtsextremismus verweist zudem darauf, dass auch das Simon Wiesenthal Center Links zu Nazi-Seiten auf seine Homepage gestellt hat.

Den Betreibern des süddeutschen Plattenlabels Skuld Releases wiederum wurde eine Überprüfung durch die Zollfahndung zum Verhängnis. Wegen der Einfuhr und des Verbreitens von »Schriften, die Kennzeichen im Sinne des § 86a StGB enthalten«, eröffnete die Staatsanwaltschaft Stuttgart im März vergangenen Jahres ein Verfahren. In der umfangreichen Ermittlungsakte zu dem Label, das zahlreiche linke Projekte unterstützt, finden sich vor allem Anmerkungen zu den Druckbeilagen der Tonträger, die geradezu gespickt sind mit antifaschistischer Symbolik. Von der Bobby-Montage bis zum zerschlagenen Hakenkreuz, das zahlreiche »Gegen-Nazis«-T-Shirts ziert, lassen es die Betreiber an Antifa-Folklore nicht mangeln.

Für den Pressesprecher der ermittelnden Staatsanwaltschaft ist die Eindeutigkeit der Symbole jedoch nicht in jedem Fall gegeben. Gegenüber Jungle World äußerte er vielmehr die Ansicht, dass einige der Motive - so auch das des Bobbys - für sich genommen keinen antifaschistischen Hintergrund erkennen lassen. Außerdem sei eine kommerzielle Massenverbreitung des Nazi-Symbols nicht erwünscht, da man einen Gewohnheitseffekt vermeiden wolle. Die politische Einstellung des Verbreiters sei dabei zunächst nicht relevant.

Deshalb habe der zuständige Staatsanwalt zunächst wohl auch vorgeschlagen, das Verfahren gegen Zahlung einer Geldbuße einstellen zu lassen. Eine kostspielige Angelegenheit für den Besitzer des Labels, der nicht nur eine Geldbuße in Höhe von 2 500 Mark zahlen, sondern auch von der beschlagnahmten Ware im Wert von etwa 6 000 Mark Abschied nehmen musste.

Trotz der Häufung der Fälle will Burkhard Schröder in dem Verfahren gegen ihn keine politisch motivierte Verfolgung erkennen. Gegenüber Jungle World vermutete er den Kontext eher in einer »Hysterie«, die schon den so genannten Antifa-Sommer begleitete. Den Ermittlern, so Schröder, habe sich der Hintergrund seiner Arbeit wohl zunächst gar nicht erschlossen.

Die Annahme, dass die Jagd auf Symbole des Nationalsozialismus lediglich der Akribie einiger Beamten geschuldet ist, die losgelöst von einem politischen Kontext ermitteln, dürfte dennoch zu kurz greifen. Vielmehr drängt sich bei Betrachtung der unterschiedlichen Fälle der Verdacht auf, dass ursprünglich gegen Rechte formulierte Vorschriften nun gezielt zur Kriminalisierung von AntifaschistInnen verwendet werden.

So sind die Staatsanwaltschaften angewiesen, bei 86a-Verfahren zunächst zu prüfen, ob überhaupt eine »Tatbestandsmäßigkeit« gegeben ist, das heißt, ob eine Straftat im Sinne des Paragrafen vorliegt. Wird dies verneint, kann eine Einstellung des Verfahrens verfügt werden. Ein juristischer Ermessenspielraum wäre also durchaus vorhanden, um den Zusammenhang, in dem ein Symbol verwendet wird, zu berücksichtigen.

Doch darum geht es den Verfolgungsbehörden offensichtlich nicht. Besonders betroffen von deren Praxis sind zudem finanzschwache Labels und Verlage, die die Verfahren oft an den Rand des Ruins bringen. Selbst ohne Gerichtsurteil - wie im Fall von Skuld Releases - ist der Einschüchterungseffekt beträchtlich.