Wahlrechtsentzug für Le Pen und Catherine Mégret

Rechte ohne Rechte

Zwei Jahre nach der Spaltung des FN haben beide neofaschistischen Parteien in Frankreich das Problem, dass kaum einer ihrer Spitzenvertreter mehr wählbar ist.

Gleich zwei der prominentesten Köpfe der fanzösischen extremen Rechten haben in den letzten Wochen mit der Justiz Bekanntschaft gemacht. Ihren Mitbürgerinnen und Mitbürgern wird aus diesem Grund auf absehbare Zeit die Anwesenheit der beiden in Ämtern und Parlamenten erspart bleiben. Frankreichs erste mit absoluter Mehrheit der abgegebenen Stimmen gewählte rechtsextreme Bürgermeisterin wird ihren Posten los - unabhängig davon, wie die in vier Monaten anstehenden Kommunalwahlen ausgehen -, falls das am vorigen Mittwoch gegen sie verhängte Urteil in zweiter Instanz bestätigt wird.

Im Februar 1997 war Catherine Mégret, die Kandidatin des rechtsextremen Front National (FN), mit 52 Prozent der Stimmen zum Stadtoberhaupt von Vitrolles, einer Trabantenstadt von Marseille, gewählt worden. Ihrem Ehemann Bruno, damals Chefideologe des FN, waren wenige Monate zuvor die bürgerlichen Ehrenrechte entzogen worden. Heute ist Mégret Chef der FN-Abspaltung MNR (Mouvement National Républicain, »National-republikanische Bewegung«), seine Frau regiert an seiner statt Vitrolles.

Ein knappes Jahr nach der Wahl von Frau Mégret fällte die damalige FN-Mehrheit im Kommunalparlament von Vitrolles, die nach einem Propagandacoup für die zwei Monate später stattfindenden Wahlen der Regionalparlamente suchte, einen symbolträchtigen Beschluss, der offenkundig illegal war. Am 20. Januar 1998 führte die neofaschistische Mehrheit eine »Geburtenprämie« von 5 000 Francs (760 Euro) ein, die ausschließlich den Sprösslingen »französischer oder europäischer« Eltern vorbehalten bleiben sollte. Der Präfekt, der im Département den Zentralstaat vertritt, untersagte die Prämie alsbald; tatsächlich wurde sie nur ein einziges Mal ausgezahlt.

Wegen rassistischer Diskriminierung verurteilte das Strafgericht in Aix-en-Provence Catherine Mégret und ihren ersten Beisitzer, Hubert Fayard, am 8. November zu jeweils 100 000 Francs (15 000 Euro) Geldstrafe, zwei Jahren Entzug der bürgerlichen Ehrenrechte - und damit auch des passiven Wahlrechts - und drei Monaten Haft auf Bewährung. Die beiden MNR-Mitglieder legten sofort Berufung gegen das »skandalöse Urteil« ein. Wird der Richterspruch jedoch von den höheren In-stanzen bestätigt, dann wird Catherine Mégret nicht nur das passive Wahlrecht auf Zeit aberkannt, sondern auch ihr Mandat entzogen.

Einen solchen Mandatsentzug hat jüngst Jean-Marie Le Pen erfahren, der frühere Parteichef und nunmehrige Rivale der Mégrets: Am 23. Oktober wurde der Chef der Überreste des FN aus dem Europäischen Parlament ausgeschlossen. Damit hat er den letzten Abgeordnetensitz verloren, den er noch innehatte. Auch Le Pen wurde zum Entzug der bürgerlichen Ehrenrechte auf Zeit verurteilt.

Im Mai 1997, zwei Tage vor der letzten französischen Parlamentswahl, hatte der FN-Boss in Mantes-la-Jolie bei Paris die damalige sozialistische Parlamentskandidatin und jetzige Abgeordnete der Nationalversammlung Annette Peulvast-Bergeal körperlich angegriffen. 1998 verurteilten die Strafrichter in Versailles Le Pen deswegen zunächst unter anderem zu einer zweijährigen Aberkennung des passiven Wahlrechts. Die Gerichte zweiter und dritter Instanz reduzierten zwar 1998 und 1999 das Strafmaß; in letzter Instanz wurde Le Pen zu 5 000 Francs Geldstrafe, einer zur Bewährung ausgesetzten dreimonatigen Gefängnisstrafe und einem einjährigen Entzug der bürgerlichen Ehrenrechte verurteilt.

Dies genügte jedoch, um Le Pen aus beiden Parlamenten hinauszukatapultieren, in denen er noch saß: Aus der Regionalversammlung von Marseille und dem Europäischen Parlament in Strasbourg. Zum ersten Mal seit 1984 tritt Jean-Marie Le Pen nicht mehr auf einer parlamentarischen Bühne auf. Eine Ära geht damit, vorläufig oder definitiv, zu Ende; langsam beginnt auch die Zeit gegen den 72jährigen Le Pen zu spielen. Er ist nicht mehr der dynamische Rechtsextremist der achtziger Jahre, der selbst aus einer außerparlamentarischen Position noch die innenpolitische Debatte entscheidend zu prägen vermochte.

Die neofaschistischen Spaltprodukte FN und MNR versuchen unterdessen auf unterschiedliche Art und Weise, einen Platz in dieser Debatte zurückzugewinnen. Le Pens Rest-FN meinte Ende September einen geeigneten Ansatzpunkt gefunden zu haben. Eine Woche nachdem das so genannte Geständnis Jean-Claude Mérys veröffentlicht worden war, in dem der ehemalige Geldbeschaffer Jacques Chiracs die Finanzierungsmethoden der bürgerlichen Parteien enthüllte, meldete Le Monde, der FN habe fünf Millionen Plakate drucken lassen. Natürlich um die Korruption der politischen Klasse anzuprangern. Doch kaum irgendwo wurde eines dieser Plakate gesichtet. Es hat den Anschein, dass die Plakatierung sich auf den Boulevard périphérique - die Ringautobahn rund um Paris - beschränkte. Seitdem verzeichnen die Umfagen keinerlei Bewegung der öffentlichen Meinung zugunsten des FN.

Eine andere Strategie als den plumpen Populismus nach Art von Le Pen, dessen Volkstribunen-Pose längst zum hohlen Gestus geworden ist, verfolgt der MNR unter Mégret. Während Le Pen - ohne größeren Erfolg - nach alter Methode versucht, sich als Anwalt aller Unzufriedenen anzubieten, setzt der MNR auf ein klares Bekenntnis zum Rechtsextremismus und eine Verschärfung der Spannungen zwischen Bevölkerungsgruppen, die er gerne als »ethnische« definiert.

Als der MNR am 30. September als erste Partei sein Programm für die Kommunalwahlen im kommenden März vorstellte, tat er dies an einem symbolischen Ort. Auf einer Wiese des Dorfes Moussais-la-Bataille, unweit von Poitiers, zog er eine Show ab: Hier soll das historische Schlachtfeld liegen, auf dem der fränkische Krieger Karl Martell im Jahre 732 den Vormarsch der »Sarazenen« - also der Araber - gestoppt hat. Sie hatten im 8. Jahrhundert zunächst Spanien und dann Südfrankreich erobert; nach ihrer Vertreibung aus Frankreich blieben sie noch bis 1492 in Spanien, was dessen kultureller Blüte durchaus nicht geschadet hat.

Einer von Bruno Mégrets Parteigängern kündigte aus diesem Anlass den Chef am Rednerpult unumwunden als den »Karl Martell des dritten Jahrtausends« an. Solche Halluzination vom globalen »Rassenkrieg« stehen im Kommunalwahl-Programm des MNR neben sozial- und wirtschaftspolitischen Programmpunkten, die nun auffällig von einer radikal thatcheristischen Konzeption geprägt sind.

Daneben bietet das in 562 »Maßnahmen« gegliederte Programm die üblichen Tiraden zur Abschiebung der »illegalen« Ausländer und der straffällig gewordenen Personen ausländischer Herkunft - selbst wenn sie die französische Staatsbürgerschaft haben -, die Forderungen nach der Todesstrafe und der Wiedereinführung der Zuchthäuser. Aber auch an konkrete Schikanen wurde gedacht, wie etwa an die Forderung, schweinefleischfreie Mahlzeiten in den Schulkantinen abzuschaffen, die nicht nur für muslimische, sondern auch für jüdische Kinder angeboten werden. Und der »anständige« - und damit zweifellos weiße - Staatsbürger soll Waffen frei erwerben und besitzen dürfen.