Den Hass schüren

Überall in Europa setzt die konservative Rechte auf die Ausgrenzung von Ausländern. Drei Beispiele.

Die Gastfreundschaft und die Großzügigkeit des britischen Volkes werden systematisch missbraucht. Für Asylbewerber wird mehr Geld ausgegeben als für alte Menschen.« William Hague, Parteichef der britischen Tories, brach kurz vor den Kommunalwahlen im letzten Frühjahr ein Tabu, als er die Flüchtlingspolitik zum nationalen Thema machte. »Die nächste konservative Regierung wird alle neuen Asylbewerber in Aufnahmelagern inhaftieren, bis ihre Fälle entschieden werden. So können wir sicher sein, dass Menschen, die Immigrationskontrollen umgehen wollen, an einem Platz bleiben und nicht in ihrer Community verschwinden können.« Immer wieder während des Wahlkampfes lobte Hague die restriktive Asylpolitik in Deutschland, wo schon wenige Monate nach der Einführung der europaweit einmaligen Drittstaatenregelung und einer zügigen Abschiebungspraxis die Zahl der Asylbewerber deutlich gesunken sei.

»Die letzte Zuflucht eines verzweifelten Politikers ist es, Hass zu schüren«, kommentierte der linken Gedankenguts ansonsten unverdächtige Mirror die Ausfälle Hagues. Mit der Verknüpfung nationalistischer Anti-Euro-Parolen, einer Law-and-Order-Politik im Innern und rassistischer Gesetzesinitiativen gegen Flüchtlinge versuchen die Tories seit ihrer Niederlage gegen Tony Blairs New Labour 1997, Boden zurückzugewinnen. Nach der ländlichen Bevölkerung und der traditionell konservativen Mittelschicht wollen die Konservativen 2001 mit den Blue-Collar-Arbeitern auch die klassische Labour-Klientel an sich binden. Doch mit seinen Angriffen verprellt Hague nicht nur Migranten und ihre Kinder, die vor allem in den Großstädten ein beträchtliches Wählerpotential darstellen, sondern auch die Gewinner der New Economy, denen dieser dumpfe Rassismus fremd ist.

Gespaltene Tories in Großbritannien

Die Tories sind eine gespaltene Partei. So setzt eine Mehrheit auf Modernisierung und folgt Hague nur widerwillig auf seinem Anti-Einwanderungskurs. Michael Portillo etwa, Schatten-Schatzkanzler und scharfer Kritiker des Tory-Chefs, unterstützte auf dem Parteitag Anfang des Monats zwar die offizielle Asylpolitik der Partei, betonte aber explizit seine Herkunft als Sohn eines spanischen Einwanderers, der in den dreißiger Jahren vor den Franco-Faschisten geflüchtet war: »Wir sind eine Partei für alle Briten: schwarze Briten, asiatische Briten, weiße Briten. Dieses Großbritannien war in Sydney zu sehen. Athleten jeder Herkunft waren in ihrem Stolz auf Britannien vereint, und Britannien war vereint in seinem Stolz auf sie.«

Auf der anderen Seite steht xenophobe, durchweg weiße Kleinbürger, deren Liebling die Schatten-Innenministerin Ann Widdecombe ist. Scheinbar schwenkte Hague nach dem Parteitag zwar auf Portillos Linie ein: »Wir sind stolz auf unsere ethnisch abwechslungsreiche Kultur.« Doch gleichzeitig betonte er, dass die Tories weiterhin eine »harte« Asylpolitik vertreten werden. Flüchtlinge sind eben keine Briten, und das sollen sie, wenn es nach den Tories geht, auch nicht werden.

Einwanderung »nach französischem Interesse«

Die Geschichte der konservativen Immigrationspolitik in Frankreich ist ohne die der extremen Rechten nicht zu schreiben. Bis zur Jahreswende 1998/99, als sich die Neofaschisten spalteten, befanden sich der Front National Jean-Marie Le Pens und die Gaullisten (RPR) Jacques Chiracs in einem ständigen Wettbewerb um die restriktivere Immigrationspolitik. Schärfere Ausländergesetze waren das Ergebnis.

Einen Sinneswandel der Konservativen leitete der frühere Premierminister Alain Juppé im Oktober letzten Jahres ein. In Le Monde forderte er, die Debatte um die Immigrationspolitik zu »entideologisieren« - Rechte und Linke sollten sich auf einen »nationalen Konsens« einigen, der Frankreich darauf vorbereite, dass der vom demographischen Wandel verursachte Arbeitskräftemangel in naher Zukunft die Zuwanderung neuer Arbeitskräfte nötig mache.

Juppés Forderung sorgte für einen Aufschrei bei den Bürgerlichen. Sein früherer Innenminister, Jean-Louis Debré (RPR), bezeichnete die Äußerungen als »Selbstgeißelung«. Und auch der pro-europäische Christdemokrat und Chef des Mitte-Rechts-Parteienbündnisses UDF, François Bayrou, wandte sich grundsätzlich gegen zusätzliche Zuwanderung. Lediglich der RPR-Politiker Philippe Séguin und Juppés Vorgänger als Premierminister, Edouard Balladur (RPR), unterstützten Juppé. Und die französischen Unternehmen: So stellte die Wirtschaftszeitung Les Echos im August dieses Jahres fest, die deutsche Entscheidung zu Gunsten der Green Card habe »die französischen politischen Parteien geradezu befreit«, das Immigrationsthema nunmehr pragmatisch anzugehen. Und auch Patrick Devedjian, der Sprecher der RPR, macht sich für Einwanderungsquoten stark. Denn wenn man schon die Grenzen nicht schließen könne, so solle man die Einwandernden wenigstens »nach unserem Interesse auswählen«.

»Flüchtlingswellen« vor Spaniens Küste

Rafael Hernandez weiß, wovon er spricht: »Das neue Ausländergesetz provoziert genau den Anziehungseffekt, vor dem wir schon vor dem Inkrafttreten gewarnt hatten.« Hernandez ist Sprecher der spanischen Christdemokraten des Partido Popular (PP), der in Madrid zwar die größte Parlamentsfraktion stellt, die Liberalisierung des Gesetzes Anfang des Jahres aber trotzdem nicht verhindern konnte. Seit Monaten schon versucht die Partei von Ministerpräsident José Maria Aznar, die Umsetzung des Gesetzes auf administrativem Wege zu verhindern, seit einigen Wochen wird an einer restriktiveren Fassung gearbeitet. Den illegalisierten Migranten soll damit die Möglichkeit ihrer Legalisierung wieder genommen werden. Die Initiative vom Juli sieht außerdem vor, dass Migranten nur zeitweilig arbeiten und nicht wählen dürfen und vor allem schneller abgeschoben werden können. Familienzusammenführungen oder einen festen Aufenthaltsstatus sieht der Entwurf nicht vor.

Für den parlamentarischen Sprecher der PP, Luis de Grandes, ist die Gesetzesänderung aüßerst dringend, nicht nur um die »Welle der illegalen Einwanderer« zu stoppen, sondern besonders um die Gesetzgebung »dem europäischen Modell zur Kontrolle der Einwanderung anzupassen«. Nur so könne man die »Flüchtlingsströme« überwachen, betonte de Grandes. Das allerdings geschieht bereits. Nach Angaben von Flüchtlingsorganisationen starben seit Jahresanfang mehr als 200 Personen beim Versuch, den Polizeibooten zu entkommen. Die für die Grenze zuständige Guardia Civil verhaftete bis September 11 000 Menschen, doppelt so viele wie im gesamten letzten Jahr.