Skateboard-WM in Düsseldorf

Skater stören nicht

Die Zeit der Riots ist vorbei. Bei der Skateboard-WM in Dortmund präsentierte sich die Szene als perfekt vermarkteter Kuschelzoo.

Die 25 000 kreischenden Kids mit schlecht sitzenden Hosen können sich nicht irren: Die »Globe Shoes Worldchampionships« der Skateboarder sind der absolute Hype. 150 Top-Skater aus der ganzen Welt fanden sich am Wochenende in der Dortmunder Westfalenhalle zur »Skateboard-Weltmeisterschaft« ein. »Alle gemeinsam bilden sie die größte Skateboard-Gemeinde der Welt«, verkündete Organisator Ralf Middendorf zum Auftakt: Die »fetten Präsentatoren MTV und Eins Live«, Sponsoren wie »Globe Shoes, Poptel-Com, G-Shock, Titus (sowieso), Sony Playstation (natürlich)« und so weiter, »einfach Leute, für die es das Schönste ist, dabei zu sein. Genau wie für uns.« Denn Skater sind anders als beispielsweise Fußballer. Erstens haben sie keinen Günter Netzer, sondern das Monster Skateboard Magazine. Und zweitens haben sie auch keinen DFB, sondern Titus. Der Ex-Sportlehrer Titus Dittmann ist heute Vermarkter, Organisator und Ideologe der deutschen Skater in einem. Außerdem gehört ihm die Firma Titus Skates.

Zwar betrieb auch der Deutsche Rollsportbund (DRB) einst eine »Abteilung Skateboard«, aber seit Anfang der neunziger Jahre interessiert das unter Skatern keinen mehr. Nach einer besonders langweiligen deutschen Meisterschaft in Stuttgart hatte der damalige Halfpipe-Star Ralf Middendorf im völlig betrunken Zustand randaliert - was ihm einen Platzverweis bescherte. Demonstrativ urinierte er auf den Turnierleitertisch, woraufhin DRB-Präsident Egbert Diller ihm auch noch den Starterpass entzog.

Das Szene-Blatt Monster tadelte danach zwar Middendorfs Auftritt, forcierte aber gleichzeitig eine Diskussion über das Verhältnis von Szene und Verband. Als Ergebnis wurde schließlich der Bruch mit den »Bürokraten« im DRB verkündet. Selbstverständlich hieß Middendorfs Arbeitgeber schon zu diesem Zeitpunkt Titus Dittmann - ohne den Franz Beckenbauer der Skateboard-Szene läuft bis heute gar nichts.

Das aber hatte auch sein Gutes. Denn wer wollte je den öden Hochsprung-Wettbewerb sehen? Oder DRB-Funktionär Egbert Diller in seinem Lodenmantel? Ohne die Verbands-Konkurrenz konnte sich der von Dittmannin Münster veranstaltete Contest zunächst innerhalb, danach auch außerhalb der Bundesrepublik zum Major-Event mausern.

Mitte der Neunziger ging man in Münster dazu über, die Konkurrenz »Weltmeisterschaft« zu nennen. Seit vergangenem Jahr findet sie in Dortmund statt. Voll wurde die Westfalenhalle auch diesmal. Gestartet wurde in zwei Disziplinen: auf der Halfpipe - der U-förmigen Rampe - und im Streetstyle, dem Fahren auf einem Hindernisparcours.

Spätestens Samstagabend war klar, dass, wer immer auch gewinnen würde, sich nicht als Weltmeister fühlen konnte. Denn die vollmundig angekündigten Superstars wie der Kalifornier Tony Hawk oder der Brasilianer Lincoln Ueda waren nicht erschienen. »In der Rampe war das Niveau eher mittelmäßig«, so die Einschätzung Bernt Jahnels aus Konstanz, der seit mehr als zehn Jahren zu den besten Halfpipe-Fahrern Europas gehört.

Vielleicht lag das am Essen: In der Presselounge wartete bis spät in die Nacht ein Upper-Class-Buffet auf die Gäste, während die Gulaschkanone für die Starter schon um sieben dicht machte. »Dortmund ist sicher der dickste Contest in Europa, aber eben doch keine Weltmeisterschaft«, meint Jahnel.

Vor allem die Marketing-Atmosphäre ging ihm auf die Nerven: »Das erste, was ich von Dortmund mitgekriegt habe, war der Hinweis 'Stuff-selling forbidden' in den Starter-Unterlagen«, berichtet der langjährige Profi. »Jeder Quadratzentimeter war profitabel vermietet.«

So sollte vermieden werden, was bei derlei Ereignissen üblich ist: Die Skater pflegen sich die Saufkosten durch den Schwarzverkauf von T-Shirts oder Brettern an die Kids zu finanzieren. »Andere Events wie der Mystic Cup in Prag machen mehr Spaß, und Amis kommen da auch hin«. Die besten Nerven hatte am Ende Bob Burnquist aus Brasilien.

Aus den über hundert Startern der Streetstyle-Konkurrenz wurden am Samstag in einer stundenlangen Prozedur die Finalisten ermittelt. Das Feld war besser besetzt als in der Halfpipe: Erschienen waren Kultfiguren wie der glatzköpfige Veganer Mike Vallely, der unter Skatern als Philosoph gilt, weil er mehr vom Buddha als von Skateboards spricht; Draufgänger wie Chad Fernandez, der diesmal nicht draufging, sondern schnell und spektakulär unterwegs war. Und schließlich Techniker wie Tobias Albert aus Leipzig, der zwar keine herausragenden Stunts zu bieten hat, dafür aber seine Tricks sicher und sauber zu stehen pflegt. Die Street-Konkurrenz gewann Eric Koston aus den USA vor dem überraschend gut platzierten Ryan Johnson aus Puerto Rico.

Der entscheidende Unterschied zum letzten Jahr lag darin, dass alles ruhig blieb. Denn trotz schlecht sitzender Hosen können 25 000 Kids zuweilen randalieren, was vor zwölf Monaten noch für ungute Presse sorgte. Diesmal wurde daher das Programm auf zwei Tage gestaucht, das Gelände mit Wachschützern vollgestellt und für die Kids eine bewachte Schlafhalle angemietet. Mit Erfolg: Anders als sonst kam es heuer nicht zu Prügeleien zwischen Street-Skatern und im Weg stehenden Pressefotografen.

Um jegliche Missverständnisse zu vermeiden, zettelte Monster gleich nach dem letztjährigen Riot eine Szene-Diskussion über die Punkrock-Parole »Skate and Destroy« an, die in Achtzigern vom damals tonangebenden Thrasher Magazine ausgegeben worden war. Diese sei, so das heutige Skater-Zentralorgan, nicht wörtlich zu nehmen. Und aus dem antirepressiven Thrasher-Slogan »Skateboarding is not a crime« bastelte die Münsteraner Ideologie-Küche ein affirmatives »Skater begehen keine Straftaten«.

Als Ergebnis präsentiert die Mastership-Website jetzt einen Blick unter die Kappen: »Skateboarder sind nicht zerstörerisch. Zwar wirkt ihr Sport zuweilen aggressiv und so manches Mal mag ein Treppengeländer unter der Last eines Skateboarders gestöhnt haben. Das Ziel des Skateboarders ist jedoch nicht die Zerstörung, sondern der Trick, unter dem das Geländer zu ächzen beginnt.« Und damit das niemand jemals wieder vergisst, gibt's jetzt Titus' »ultimatives Skater-Net« mit kostenloser Email-Adresse.