Devo sein

Entrückte Teilnahme

Man stelle sich vor, jemand führt einen an der Nase herum, greidolkt und podartscht einen ordentlich und hat dabei einen Blumentopf auf dem Kopf. Das findet man dann - sofern man von seinen Schmerzen absehen kann - etwas sehr pietätlos. Ähnlich funktionierten Devo. Sie trugen absonderliche Frisuren mit Mittelscheitel und einem Pfund Gel und sahen so aus wie die Figuren auf amerikanischen Werbegrafiken. Doch da sie echte Menschen sind, wirkten sie jetzt nicht mehr vorbildlich und hübsch, sondern entrückt und bedrohlich. Oder sie trugen Kleider aus Mülltüten und Masken. Oder ließen sich von Plastikspielfiguren doubeln. Damit machten die fünf jungen Männer aus Akron/Ohio mal einen gepflegten Eindruck, ein anderes Mal kokettierten sie mit Punk, doch nie gehörten sie wirklich zu einer Bewegung oder Richtung.

Ihre Musik funktionierte nach einem ähnlichen Prinzip: Devo machten keinen Punk oder New Wave oder Prog Rock, und doch klang es immer ein bisschen so. Sie coverten Klassiker wie »Working in the Coal Mine« oder »Satisfaction«. Nur machten die Hits bei ihnen plötzlich keinen richtigen Spaß mehr - da sie die Songs in ihre musikalischen Einzelteile zerlegten und nach jedem Sound erst einmal mit eine Runde mit Äpfeln jonglierten. So wurden die ursprünglich von Sex und Schweiß getränkten Songs merkwürdig hüftsteif, man konnte sich nicht mehr in ihnen lieben und sie boten keine Identifikation mehr an.

Auch in ihren eigenen Songs verweigerten sich Devo dem Rock auf eine komische Art: »We Are Not Men«, stellten sie fest. Das war das Ergebnis ihrer Untersuchung der Menschen unter der Maßgabe dessen, was sie selbst über sich erzählen - Menschen sind weder besonnen noch sonderlich human. Sie sind keine Tiere und auch keine Maschinen, sie sind einfach bigott und hässlich. Menschen sind also nicht menschlich und daher keine Menschen. Nicht, dass nicht auch andere Bands gegen Ende der siebziger Jahre zu gleichen Ergebnissen gekommen wären - doch anders als Kraftwerk, Sex Pistols, Au Pairs, Fisher Z oder The Residents versuchten Devo nicht eine Gegenutopie oder -welt zu konzipieren. Die Residents etwa versorgen ihre Fans bis heute mit einer Parallelwelt des Obskuren, Kraftwerk lassen sich als lebende Computer totfeiern und der Rest hat sich aufgelöst.

Mit einer Konsequenz, die den anderen Gruppen abging, feierten Devo ihre Verwunderung über das oben skizzierte Paradoxon - so sehr, dass es auf den Beobachter schon fast albern wirken konnte. Wie gesagt: Mülltüten, Plastikblumentöpfe, Pomadefrisuren. Und auch: Beherrschung der Instrumente, aber Weigerung zu unterhalten; Pet-Sounds, aber kein freundlicher Humor; Unzufriedenheit, aber keine formulierte Kritik. Entrückte Teilnahme.

Diese Haltung steht bis heute einer umfassenden Wiederentdeckung dieser noch immer existierenden und sogar zuweilen noch auftretenden Band entgegen - ihre neueren Stücke sind belanglos, man hat sich an das Ungewöhnliche gewöhnt, man kann Devo vorhersagen. Bei anderen Bands wäre Kritik angebracht. Hier nicht. Es scheint, als machten Devo nur deshalb weiter, damit sie sich nicht auflösen müssen. Das würde gegen die Bandkonstruktion verstoßen und Devo gewissermaßen im Nachhinein zu einer normalen Band machen. Dann aber hätte es sie nie gegeben haben dürfen.

Devo: »Pioneers Who Got Scalped. The Anthology«. Rhino/Warner