Noch ist BIG Bank nicht verloren

Die Deutsche Bank will eines der größten polnischen Finanzinstitute übernehmen - und stößt dabei auf überraschenden Widerstand.

Wenn Polen sich in den europäischen Verbund eingliedern will, müssen polnische Finanzinstitute Freunde suchen, die ihnen beim Eintritt ins Euro-Land helfen. Also hat die Deutsche Bank ihre Hilfe angeboten. Wenn wir aber in Polen nicht gern gesehen sind, werden wir uns nicht aufdrängen.« Der uneigennützige Samariter und Chef der Deutschen Bank, Rolf-Ernst Breuer, konnte seine Enttäuschung kaum verbergen, nachdem sein Angebot an die BIG Bank Gdanski auf wenig Gegenliebe gestoßen war. Die Deutsche Bank als eine karitative Einrichtung - das wollte in Polen doch niemand so recht glauben. Das Angebot sei in Wahrheit der »Versuch einer feindlichen Übernahme«, kommentierte etwa die Rzeczpospolita, eine der führenden Tageszeitungen des Landes.

Was war passiert? Die angeblich hilfsbedürftige BIG Bank Gdanski verfügt mit etwa 290 Niederlassungen über das viertgrößte Filialnetz Polens und ist mit einer Bilanzsumme von 13 Milliarden Zloty (etwa drei Milliarden Euro) die fünftgrößte Bank des Landes. Im letzten Jahr konnte sie ihren Umsatz mehr als verdoppeln. Bisher waren ihre Eigentums-Anteile unter drei Parteien verteilt. Rund neun Prozent hält das polnische Schatzamt dem die Versicherungsanstalt PZU untersteht; ein weiteres Viertel der Anteile besitzt ein Konsortium aus verschiedenen westeuropäischen Versicherungen und Banken. Dritte im Bunde ist schließlich die Deutsche Bank, die erst im April letzten Jahres eingestiegen ist, mittlerweile aber schon 44 Prozent der Aktien ihr Eigen nennt.

Zu dem öffentlichen Eklat kam es vor allem wegen des merkwürdigen Ablaufs der Vorstandswahlen bei der Aktionärsversammlung Ende Januar. Die mehrheitlich staatliche PZU enthielt sich dabei - völlig überraschend für die westeuropäischen Anteilseigner - ihrer Stimmen, so dass die Deutsche Bank ihre Kandidaten in die Sessel heben konnte. Es schien, als ob sich die PZU-Führung ungenügend mit dem polnischen Schatzministerium abgesprochen hatte.

Schatzminister Emil Wasacz und Regierungssprecher Krzysztof Luft hielten die Entscheidung zu Gunsten der Deutschen Bank für untragbar. Sie beurlaubten das Präsidium der Versicherungsanstalt vom Dienst und erkannten die Neuwahl des BIG Bank Vorstandes nicht an. »Die PZU-Führung hat gegen die Interessen des Schatzministeriums verstoßen«, erklärte anschließend empört Regierungssprecher Luft.

Nun wird spekuliert, wie die mysteriöse Abstimmung überhaupt zustande gekommen war. Entweder hat der PZU-Chef Wladyslaw Jamroyy Schmiergelder kassiert oder - was plausibler erscheint - er hat nur nach den ökonomischen Interessen seines Arbeitgebers gehandelt. Denn nicht nur die PZU hat Anteile an der umworbenen Bank, sondern auch umgekehrt hält die BIG Anteile an der staatlichen Versicherungsanstalt. Die Deutsche Bank hätte demnach nicht nur die entscheidende Mehrheit der Bankaktien erworben, sondern gleich auch noch einen Fuß bei der PZU in die Tür gesetzt.

Ein lukrativer Deal. Denn mit der Teilprivatisierung des Rentensystems ist die PZU ein attraktives Investitionsziel geworden. Sie ist »die größte polnische Versicherungsgesellschaft, die über eine ausnehmend solide Ausgangsbasis im Wettbewerb um die obligatorischen Lebensversicherungen verfügt, zu denen die jüngeren Arbeitskräfte seit kurzem durch die Altersvorsorge-Reform gezwungen werden«, urteilte die Neue Zürcher Zeitung. Die tollen Zukunftsaussichten der PZU korrespondieren aber noch nicht mit den derzeitigen Gewinnspannen, die Anstalt braucht derzeit dringend fresh money, und das hat sie sich wahrscheinlich von einer Beteiligung der Deutschen Bank erwartet.

Nach dem eindeutigen Veto des polnischen Schatzamtes wird nun die Aktionärsversammlung Ende dieser Woche über die weitere Entwicklung bei der BIG Bank entscheiden. Bis dahin hat die Börse in Warschau die Aktien der BIG vom Markt genommen. Nach dem öffentlichen Skandal wird jedoch davon ausgegangen, dass die PZU gegen die deutsche Übernahme votieren wird.

Für die Führung der Deutschen Bank muss der Widerstand gegen die Übernahme sehr überraschend gewesen sein. »Alles wurde schon viel früher abgesprochen. Ich dachte nicht, dass solche Opposition dagegen bestehen könnte«, wundert sich Breuer. Und tatsächlich scheint es so, als sei der polnische Staat erst im letzten Moment auf die Bremse getreten. »Wir sind an einem Wechsel der Kräfteverhältnisse nicht interessiert«, kommentierte Regierungssprecher Luft lakonisch die kurzfristige Entscheidung. Der Versuch zeige, so Luft weiter, dass die Methoden und Gesetze der Privatisierung nicht gegen wilde Übernahmen schützen würden.

Damit rückt vor allem Schatzminister Emil Wasacz ins Zwielicht. Denn erst letzte Woche hat er ein Misstrauensvotum nur äußerst knapp überstanden. Unter anderem wurde ihm vorgeworfen, bei der Privatisierung des Finanzwesens zu viel in »fremde Hände« abgegeben zu haben - was nun auch bei der BIG Bank droht.

Über die Hälfte des polnischen Bankensektors befindet sich inzwischen in ausländischem Besitz. In Warschau mehren sich die Stimmen, die vor einem »Ausverkauf« im Finanzsektor warnen. »Indem wir einen so großen Anteil ausländischen Investoren geben, verzichten wir auf einen Teil unseres Einflusses auf die Wirtschaft und geben unsere Souveränität ab«, warnt der frühere Privatisierungsminister und Sozialdemokrat Wieslaw Kaczmarek .

Doch während es der polnischen Regierung noch vor einigen Jahren nicht schnell genug ging, Investoren zu finden, sind polnische Banken inzwischen begehrte Objekte der westlichen Finanzwelt geworden. Polen hat einen boomenden Markt und auch der Zloty hat sich von seinem Ruf als weiche Währung emanzipiert. Die Allied Irish Bank hat die Bank Zachodni und die Bank Wielkopolski übernommen, die Allianz ist unter der Führung der Unicredito Italiano an der Pekao SA, der größten polnischen Bank, beteiligt.

Nur die Deutschen sind im Falle des polnischen Bankwesens ausnahmsweise häufig zweiter Sieger. Die Commerzbank hatte das seit Monaten anhaltende Gerangel um die Fusion der Bank Handlowy und der BRE Bank, die gemeinsam Marktführer geworden wären, eigentlich schon gewonnen, als die Bankaufsicht kurzfristig die Fusion verbot und zusätzlich die amerikanische Citibank mit einem unschlagbaren Angebot an die Handlowy herantrat. Die Commerzbank muss sich nun wohl mit der kleineren BRE zufrieden geben.

Die Deutsche Bank versuchte schon seit 1990, durch Übernahmen aus Privatisierungen in den polnischen Markt zu expandieren. Doch eine Niederlage folgte auf die nächste, das polnische Schatzressort gab immer anderen Investoren den Zuschlag. Die BIG Bank ist das letzte zu vergebende Filetstück. »Wenn das nicht klappt, ist Polen als Investitionsfeld für uns beendet. Wir werden natürlich die Deutsche Bank Polska ausbauen, aber keine andere Bank. Damit ist Schluss«, resümiert Breuer vergangene Woche und macht damit deutlich, dass sein Institut nicht gewillt ist, das Feld freiwillig zu räumen. Gleichzeitig droht die Deutsche Bank damit, ihre Investitionen in Polen auf Eis zu legen.

Ganz aufgegeben hat der Deutsche-Bank-Chef Breuer den Kampf jedoch nicht. Allen Vorbehalten zum Trotz hält er daran fest, dass »die Vernunft auf unserer Seite ist«. Bei einer nüchternen Betrachtung der Sachlage würde man »zu dem Ergebnis kommen, dass es das Beste für Polen und die BIG Bank wäre, die Hilfe der Deutschen Bank auf ihrem derzeitigen Weg Richtung Europa anzunehmen«. Jetzt muss er nur noch die Polen überzeugen.