Remake eines Dauerbrenners

Unbekannte Sportarten III: Dauerstreiten. Was die Eishockey-Profis können, können die Funktionäre schon lange.

Bis auf Ski-Springen, Ski-Laufen, Curling passiert zwischen Mitte Dezember und Mitte Februar im Sport traditionell kaum etwas. Vor drei Jahren mussten die Sportredakteure der Zeitungen trotzdem ausnahmsweise keine Angst vor weißen Seiten haben, denn pünktlich zur Saure-Gurken-Zeit fing ausgerechnet im bis dahin eher unauffälligen Eishockey eine Schlammschlacht an, wie sie selbst zum Äußersten entschlossene Spieler des FC Bayern München nicht besser hinbekommen hätten. Denn Ende 1996 begann die Abspaltung der in der Deutschen Eishockey-Liga DEL organisierten Eishockey-Profivereine vom Verband, dem Deutschen Eishockey-Bund DEB.

DEL-Chef Bernd Schäfer III und der DEB-Obere Rainer Grossmann lieferten täglich vor Redaktionsschluss persönliche Beleidigungen, Verdächtigungen und Androhungen rechtlicher Schritte an die Nachrichtenagenturen, mit dem Erfolg, dass bald kaum noch jemand durchblickte, worum es tatsächlich ging: Um eine Professionalisierung, wie sie derzeit auch einige Bundesliga-Vereine anstreben, die wenig Lust haben, ihre Gewinne mit dem DFB und damit mit den Amateur-Clubs zu teilen. Auch die DEL-Vereine wollten, als eigenständige GmbHs organisiert, sich selber vermarkten und nicht mehr dazu verpflichtet sein, Geld an den Verband abzuführen. Der jedoch sah damit schwarz für die kleinen Vereine, die u.a. traditionell den Nachwuchs fördern, ohne Gewinne zu machen.

Das Konzept von Schäfer dem Dritten ging auf. DEL und DEB trennten sich insofern, als dass die erste Profiliga in der DEL organisiert wurde, mit dem DEB hatte man eine Auf- und Abstiegsregelung getroffen.

Und dann war Ruhe im deutschen Eishockey, von einigen Konkursen abgesehen. Mitte November dieses Jahres ging der Ärger jedoch wieder los, diesmal innerhalb der DEL. Fünf Vereine wollten den mittlerweile zum ehrenamtlichen Geschäftsführer und bezahlten Treuhänder aufgestiegenen Bernd Schäfer III auf einer turnusmäßigen Sitzung nicht mehr als Treuhänder wiederwählen, man warf dem Mann, der hinter vorgehaltener Hand immer wieder als selbstherrlicher Hitzkopf bezeichnet wird, finanzielle Unregelmäßigkeiten und persönliche Bereicherung vor. Und in den letzten Wochen erschienen, ganz wie während des großen Zweikampfes des Jahres 1996, Schäfer III vs. Grossmann, wieder viele Anschuldigungen.

Der neue Grossmann heißt Wilfried Fabel, Chef der Krefelder Pinguine, er will auf keinen Fall weiter mit dem derzeitigen Liga-Geschäftsführer zusammenarbeiten, und auch DEL-Aufsichtsrat Jochen Haselbacher von den Hannover Scorpions spricht »von schlampiger, nicht zufrieden stellender Arbeit«.

Unter anderem soll Schäfer rund eine Million Mark, die er als Rechtsanwalt bei Geschäften mit der DEL durchführte, eingenommen haben. Geschäfte, die er streng genommen mit sich selber als dem DEL-Vertreter machte - im Fall der München Barons erhielt er so etwa vom Verein Geld für Vertragsabschlüsse. Ob vor oder nach dem Lizensierungsverfahren für den Liga-Neuling, das er als DEL-Geschäftsführer mit zu entscheiden hatte, ist zwar unklar, aber einen seriösen Eindruck machen solche Praktiken nicht. Ebenso wenig wie andere merkwürdige Vorkommnisse, die in den letzten Tagen an die Öffentlichkeit gelangten. Die DEL-Clubs Rosenheim und Essen sind z.B. streng genommen nicht Gesellschafter der Liga und daher eigentlich auch dort nicht spielberechtigt - theoretisch könnten sich andere Vereine nun die verlorenen Punkte wegen der fehlenden rechtlichen Spielbasis per Gerichtsentscheid zurückholen. Wer Schäfer III wirklich schaden möchte, hätte damit eine prima Gelegenheit dazu.

Zumal es finanziell lange nicht so gut läuft, wie sich die Clubs das nach ihrem Aufbruch in die Selbständigkeit eigentlich vorgenommen haben. Der Fernsehvertrag mit dem Rechtevermarkter, der Kirch-Tochter Taurus, der bislang jedem DEL-Verein rund 1,5 Millionen Mark garantierte, läuft zum Saisonende aus. Ein neues Angebot liege zwar vor, so erklärte Jochen Haselbacher, aber dies umfasse nur ein Fünftel der bisherigen Summe. Außerdem würden Regeländerungen verlangt, den Clubs bleibe aber möglicherweise gar nichts anderes übrig, als auf die Forderungen einzugehen. Einen neuen Vertragspartner zu suchen sei nämlich fast unmöglich. Ein Passus im von Schäfer III mit Taurus ausgehandelten laufenden Vertrag besagt nämlich, dass der Rechteverwerter bei jedem anderen Angebot trotzdem einsteigen kann, für fünf Prozent weniger.

Dabei können die Vereine Geld gerade gut gebrauchen, denn die Berufsgenossenschaft VBG drängt auf Zahlung der seit fünf Jahren rückständigen Beiträge für die gesetzliche Unfallversicherung der Spieler. Rund zehn Millionen Mark stehen aus; Ende November verschickte die VBG letzte Mahnungen an die zehn Clubs, die bisher nicht zahlten. Wohl auch im Vertrauen darauf, dass der seit dreieinhalb Jahren in dieser Sache mit der VBG wegen eines Rabattes verhandelnde Schäfer III schließlich Erfolg haben würde. Hatte er nicht, nun droht die Zwangsvollstreckung.

Heinz-Joachim Schultz von der Berufsgenossenschaft erklärte: »Es ist nicht so, dass Weihnachten der Geldvollstrecker vor der Tür steht. Aber klar ist: Die Clubs müssen zahlen, wir haben sehr viel Geduld bewiesen.« Denn nun sei endgültig Schluss, zumal die VBG Einsicht in die Geschäftsunterlagen erhalten habe, und daraus gehe klar hervor, dass die Vereine »finanziell am Ende« seien. Im Interesse der anderen Mitglieder der Solidargemeinschaft müsse man sich daher jetzt um die Eintreibung der fehlenden Beiträge kümmern. Wenn kein Geld dafür da sei, müsse man eben ein Insolvenzverfahren einleiten und »sich aus der Konkursmasse bedienen«.

Vier Vereine reagierten prompt, vermutlich diejenigen, deren Präsidenten zu den Schäfer-Kritikern gehören. Krefeld überwies, Gerüchten zufolge, bereits alle ausstehenden Schulden an die VBG, zwei weitere Clubs bezahlten erste Raten, Kassel löste eigens für diesen Fall gebildete Rücklagen auf. Bernd Schäfer III dementierte derweil den Eindruck, dass die Liga kurz vor der Pleite stehe: »Es droht kein finanzieller Kollaps!« erklärte er, man werde weiter mit der Berufsgenossenschaft verhandeln, und überhaupt habe er immer einwandfrei gearbeitet.

Das kann durchaus die Wahrheit sein, und möglicherweise wurden die meisten Geschichten auch nur deswegen kolportiert, um den DEL-Boss in der Öffentlichkeit zu diskreditieren. Aber auch dann, wenn dieser Ärger bald einfach so vorbei sein sollte, drohen der DEL bald wieder neue Negativ-Schlagzeilen. Denn Schäfer III hat noch einen umstrittenen Plan: Er möchte eine geschlossene Gesellschaft aus der DEL machen, und zu diesem Zweck eine zweite Liga gründen. Dann würden die Aufsteiger nicht mehr aus der Liga des DEB kommen und DEL-Absteiger nicht mehr dorthin zurückkehren - die zweite DEL würde die Macht der Proficlubs noch vermehren. Der Verband und die ihm angeschlossenen Vereine hätten das Nachsehen. Eine neue Schlammschlacht wäre die Folge, »das wäre das Kriegsbeil«, erklärte Schäfer-Kritiker Haselbacher bereits dazu.

Eines, das wohl auf jeden Fall zum Remake des 96er Dauerbrenners DEL vs. DEB führen würde.