Hammer, Sichel, Eispickel

Kommunisten aller Länder, vereinigt euch - im Europaparlament! Die Fraktion der Vereinigten Europäischen Linken bietet für jeden etwas

Lionel Jospin hat es zur Zeit nicht einfach. Seit sich irgend jemand daran erinnert hat, daß camarade Lionel einmal Sympathisant einer trotzkistischen Gruppe gewesen ist, gehört Frankreichs Premier zu den bevorzugten Objekten für das neue Genre der Eispickel-Witze. Und die sind nicht nur in Paris, sondern derzeit auch in Strasbourg in. Zum ersten Mal seit den dreißiger Jahren sitzen europäische Kommunisten, die sich an der Ideologie Leo Trotzkis orientieren, mit Repräsentanten der offiziellen kommunistischen Parteien in derselben Parlamentsfraktion.

Bei der Europaparlamentswahl am 13. Juni dieses Jahres hatten in Frankreich die beiden trotzkistischen Parteien Lutte Ouvrière (Arbeiterkampf, LO) und Ligue Communiste Révolutionnaire (LCR) mit ihrer gemeinsamen Liste die Fünf-Prozent-Hürde überwunden. Mit 5,2 Prozent der Stimmen war die radikal-linke Bündniskandidatur nahe an das Ergebnis der französischen KP (6,8 Prozent) gerückt. Seit der Eröffnungssitzung, zu der das frisch gewählte Europaparlament vom 19. bis 23. Juli zusammentrat, steht nun fest: Die drei LO- und zwei LCR-Parlamentarier sitzen zusammen mit den sechs Abgeordneten der KP ihres Landes in der Fraktion der "Vereinigten Europäischen Linken - Grünen Nordischen Linken".

Außerdem gehören der Fraktion die Strasbourger Vertreter der deutschen PDS, der italienischen Rifondazione Comunista sowie der spanischen und der portugiesischen KP an. Während Spaniens im Umgang mit den trotzkistischen Genossen erfahrene KP seit einigen Jahren unter ihrem auf Öffnung angelegten neuen Namen Vereinigte Linke (Izquierda Unida; IU) antrat, kandidierte diejenige Portugals in einer Bündniskonstellation mit ökologischen Kräften unter dem Namen CDU.

Nicht alle in der linken EP-Fraktion vertretenen Parteien passen ins Schema von sogenannten klassischen KP und Postkommunisten. So wird die niederländische SP (Socialistische Partij), die mit fünf Prozent einen Abgeordneten stellt, von Politologen als "linksradikal" klassifiziert. Die schwedische Vänsterpartiet (Linkspartei) - die frühere KP des Landes, die in den letzten Jahren sehr erfolgreich war und am 13. Juni stattliche 15,8 Prozent einfuhr - ist dagegen eher auf dem linken Flügel der Sozialdemokratie einzuordnen.

Auf drei verschiedenen Listen wurden die insgesamt sieben griechischen Mitglieder der Fraktion gewählt. Das Spektrum reicht von den reformerischen Eurokommunisten der SYN über die orthodoxen Parteikommunisten, von der KKE bis zu den populistischen Linksnationalisten der Dikki-Partei. Zusammen kamen die drei Parteien auf 20,7 Prozent der Stimmen.

Insbesondere dem erstmaligen Einzug der PDS, die 1994 noch an der Fünf-Prozent-Sperrklausel gescheitert war, und der französischen LO/LCR-Liste ins Europaparlament hat es die Fraktion zu verdanken, daß sie von 34 auf 42 Köpfe angewachsen ist. Das kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß einige ihrer ehemals zentralen politischen Organisationen deutlich geschwächt dastehen.

Das gilt besonders für die spanische Izquierda Unida, die in den letzten Monaten große Teile ihrer Wählerschaft an die PSOE-Sozialdemokraten verlor. Ihre Opposition gegen den Nato-Krieg in Jugoslawien, die teilweise in unkritische pro-serbische Positionen umschlug, scheint diesen Trend nicht umgekehrt zu haben. IU, die bei der EP-Wahl 1994 noch 13,5 Prozent der Stimmen erhalten hatte, brach mit nur noch 5,8 Prozent ein.

In geringerem Ausmaß Federn lassen mußte auch Rifondazione Comunista in Italien, die im Herbst 1998 eine Spaltung erlebt hat, nachdem ihre Mehrheit zum zweiten Mal innerhalb eines Jahres der Mitte-Links-Regierung wegen deren antisozialen Sparkurses das Vertrauen entzogen hatte. Nachdem Rifondazione bei den italienischen Parlamentswahlen 1996 noch 8,6 Prozent erzielt hatte, kam die Partei am 13. Juni dieses Jahres nur noch auf 4,1 Prozent.

Italien, Frankreich und Spanien hatten lange die stärksten kommunistischen Parteien in westlichen Ländern gestellt. In den siebziger Jahren riefen die drei KP ihre Länder sogar als Modellfälle für einen neuen, reformistischen Weg zum Sozialismus aus, den "Euro-Kommunismus". Die ehemals zentralen Parteien wurden nun stark geschwächt, ehemals periphere Kräfte des europäischen Kommunismus und linksradikale Außenseiter sind hingegen im Aufwind.

Der französische PCF scheint von den drei Parteien noch am günstigsten weggekommen zu sein: Gegenüber seinem Ergebnis vor fünf Jahren blieb er nur um 0,1 Prozentpunkte zurück. Seitdem unter dem Parteichef Robert Hue 1994/95 eine Serie innerparteilicher Reformen eingeleitet, der Bruch mit dem "sowjetischen Modell" erklärt und eine Neudefinition als innerfranzösische Reformpartei vollzogen wurde, schien seine Existenzbedrohung zunächst abgewendet - bis zur jüngsten EP-Wahl.

Neben einer starken Sozialdemokratie, die keinen Raum für eine zweite staatstragend-reformistische Partei läßt, hat die KP Schwierigkeiten, ihren gesellschaftlichen Platz zu finden. Vor der Wahl am 13. Juni hatte die Parteiführung geplant, aus dem PCF eine "Force Communiste" ("Kommunistische Strömung") zu machen - nach dem Vorbild der "Offenen Liste", auf der sich bei der Europa-Wahl Befürworter des Nato-Krieges mit Antimilitaristen und sozialdemokratische Entscheidungsträger mit Vertretern sozialer Bewegungen mischten. Dazu sind zwei Kongresse geplant, an deren erstem die Delegierten des bisherigen PCF teilnehmen sollen, während der zweite auf die "neuen Kräfte" - auf denen die künftige Force Communiste mit basieren sollte - ausgedehnt werden würde. Nach dem schlechten Ergebnis bei der EP-Wahl hat sich die Planung nun verlangsamt; in der Diskussion sind derzeit zwei Kongresse im Abstand von einem Jahr.

Neben der französischen KP scheint sich die trotzkistische Linke, die bei der Präsidentschaftswahl 1995 erstmals die Fünf-Prozent-Hürde übersprungen hat, nun fest als politischer Faktor etabliert zu haben. Die gemeinsame Teilnahme ihrer Abgeordneten und jener der französischen KP an der rosa-roten Fraktion im Europaparlament hatte auf beiden Seiten zu manchen Befürchtungen Anlaß gegeben.

Auf der viertägigen Eröffnungstagung und den bisherigen Fraktionssitzungen schien es, als könnte man ganz gut miteinander auskommen. Zu kleineren Differenzen kam es, als die Fraktion bei der Wahl des Parlamentspräsidenten kurz vor dem Urnengang ihre eigene Kandidatin Laura Gonzalez zurückzog, um den portugiesischen Sozialisten Mario Soares zu unterstützen. Die fünf Vertreter von LO und LCR, die keinesfalls für einen Vertreter der Sozialdemokratie votieren wollten, enthielten sich der Stimme. Als LO und LCR wenig später einen Antrag für ein Treffen mit illegalisierten Einwanderern - sogenannten Sans -papiers - einbrachten, wurden sie aber bereits von der gesamten Fraktion unterstützt.