Bündnis für Arbeit

Für jeden Lohn

Endlich ist der Durchbruch da. Bundeskanzler Gerhard Schröder hat ihn beim "Bündnis für Arbeit" entdeckt. Der sozialdemokratische Ministerpräsident Kurt Beck aus Mainz in der Bild am Sonntag. Damit es mehr Jobs gibt, sollen in den nächsten zwei Jahren die Löhne und Gehälter nicht mehr steigen. "Der Lebensstandard ist doch bei uns so gut, daß wir uns diese Kraftanstrengung leisten können", erklärte er der Zeitung. Der Durchbruch kommt zur rechten Zeit. Vor kurzem hatten Schröder und sein britischer Amtskollege Tony Blair ihre Vorstellungen von einer modernen sozialdemokratischen Wirtschaftspolitik vorgestellt. Jetzt wird sie umgesetzt.

In der "gemeinsamen Erklärung" des Bündnis für Arbeit - von Unternehmern, Gewerkschaften und Regierung unterzeichnet - heißt einer der zentralen Sätze: "Produktionssteigerungen sollen vorrangig der Beschäftigungsförderung dienen". Bisher diente die Formel "Produktivitätsfortschritt plus Inflationsausgleich" als Grundlage für die Tarifverhandlungen.

Die sind künftig auch nicht mehr so besonders wichtig. Denn die Erklärung sieht konsequenterweise "Öffnungsklauseln" und "Korridore" in der Tarifpolitik vor: Den Betrieben soll es damit möglich sein, flexibler auf die jeweilige ökonomische Situation zu reagieren. Gehen die Geschäfte schlecht, können sie, abweichend vom Flächentarifvertrag, entsprechende Vereinbarungen mit ihren Belegschaften treffen.

Das ist in den wirtschaftlichen Krisenregionen der Republik, wie beispielsweise im Osten, zwar schon längst die Regel. Doch mit dem Durchbruch beim Bündnis wird die Ausnahme nun zum Prinzip erhoben; die tradierte Tarifautonomie wird damit künftig wohl nur noch formale Bedeutung haben.

Nullrunden für Löhne und Gehälter, Abschaffung des Flächentarifvertrages, Rückkehr zu Betriebsvereinbarungen - die Segnungen von Schröders neuer Wirtschaftspolitik machen auch vor den Gewerkschaften nicht halt. Dort stoßen sie zwar noch auf wenig Begeisterung. Es gebe gute und blöde Vorschläge, sagte DGB-Chef Dieter Schulte. Und Becks Vorstoß "gehöre sicher zu den blöderen Vorschlägen". Und auch die ÖTV wies diese "Angriffe auf die Tarifautonomie" strikt zurück.

Doch Schulte wird sich auch noch mit den blödesten Vorschlägen arrangieren müssen. Schließlich haben es ihm seine europäischen Kollegen längst vorgemacht. In den Niederlanden beispielsweise, wo die Gleichung Nullrunden gegen Jobs schon seit Jahren zum festen Repertoire von Sozialdemokraten und Gewerkschaften gehört. Und wie bestellt lobte der Sparminister Hans Eichel vergangenes Wochenende die kluge Politik des Nachbarlandes.

Solche Erfolge wollen die Sozialdemokraten auch hier erzielen. Und dafür entledigen sie sich endgültig ihrer Vergangenheit. Als moderne Dienstleistungspartei wollen sie die jeweiligen sozialen und ökonomischen Interessen moderieren, zum Wohle der Wirtschaft und der Arbeit. Hauptsache, es gibt neue Jobs. Zu welchem Lohn, ist dabei nur noch Nebensache.

Diesem Ziel werden sich auch die Gewerkschaften unterzuordnen haben - auch wenn sie sich derzeit noch sträuben. Schließlich haben sie diese Regierung selbst mit an die Macht gebracht.