Afghanistans Taliban suchen internationale Anerkennung

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Endlich: Unter der Vermittlung des Sondergesandten der Vereinten Nationen (UN), Lakhdar Brahimi, einigten sich die Kriegsparteien in Afghanistan bei Gesprächen in der turkmenischen Hauptstadt Aschgabad auf eine künftige Zusammenarbeit, die die Eckpunkte "geteilte Exekutive, geteilte Judikative und geteilte Legislative" haben soll.

Damit wären die seit mittlerweile über 20 Jahre andauernden Kämpfe beendet. Und alles wäre gut. Die Idee der UN, die rivalisierenden Taliban ("Theologiestudenten"), die etwa neun Zehntel des afghanischen Gebietes kontrollieren, mit der Nordallianz zu vereinen, ist auch gar nicht so abwegig. Denn bis zum Abzug der sowjetischen Truppen aus dem mittelasiatischen Land gab es zwischen den islamischen Kriegern beider Seiten kaum Differenzen: Mit der Unterstützung der CIA und des pakistanischen Geheimdienstes ISI kämpften sie gemeinsam gegen die gottlosen Kommunisten.

Nun gibt es zwar keinen real-existierenden Sozialismus und keine Kommunisten mehr, aber Feinde - das haben die Taliban erkannt - gibt es noch immer genug. Für Maulana Abdul Ghani beispielsweise, ein Mitglied der von den Taliban kontrollierten Nationalversammlung, steht fest: Mit dem Ende der Sowjetunion haben "Christen und Juden ihre Feindschaft gegen die Muslime gerichtet".

Dagegen standen die Taliban bisher als isolierte Einzelkämpfer. Mit den schiitischen Islamisten der Nordallianz ist man im Krieg, mit der benachbarten Islamischen Republik Iran gibt es Differenzen. Auch in Pakistan, wo ebenfalls die islamischen Gesetze der Scharia herrschen, ist man wenig erfreut über die talibanische Ankündigung, von Afghanistan aus werde "das Licht des Islam in alle Richtungen erstrahlen". Und von Osama bin Laden als Hauptvertreter der Internationalisierung des militanten Islamismus mußten sich die Koranstudenten zumindest offiziell trennen.

Hauptanliegen der Taliban ist die internationale Anerkennung. Daher betont die Regierung in Kabul, daß sie "eine legale repräsentative Regierung ist, die alle Anforderungen für eine Anerkennung der Welt erfüllt", und lädt Journalisten ein, an spektakulären Drogenbekämpfungsaktionen der Talibanpolizei teilzunehmen. Die "internationale Gemeinschaft" der UN ist angetan und schickt nun ihre im Juli vergangenen Jahres abgezogenen Mitarbeiter wieder in das Islamische Emirat - nur die USA und Großbritannien machen nicht mit. Das Weiße Haus in Washington gilt in Kabul sowieso als Spielverderber, weil es den Opiumexport trotz der diplomatischen Taliban-Offensive als vermutlich wichtigste Einnahmequelle der Islamisten bezeichnete und eine US-Regierungsvertreterin erst am vergangenen Freitag betonte, die Taliban nicht anzuerkennen.

Aber die Clinton-Administration wollen die Taliban ja auch nicht gleich für sich gewinnen. Wichtig sind zunächst erste diplomatische Schritte - wie die Verhandlungen von Aschgabad. Über einen Waffenstillstand haben sich Kabul und die Nordallianz dort zwar nicht verständigt. Und drei Tage nach der Willenserklärung zur Bildung einer gemeinsamen Regierung bekämpften sie sich schon wieder heftig. Trotzdem sollen Gefangene ausgetauscht und die Gespräche im April fortgesetzt werden. Daß die Taliban ihren bisherigen Rivalen der Nordallianz im Falle einer Koalition genügend Anreize bieten können, zeigten sie bereits am vergangenen Wochenende. Da gelang es ihnen nach einem Bericht der pakistanischen Frontier Post, insgesamt 75 Militärs der Gegnerseite mit lukrativen Posten und materiellen Angeboten zum Überlaufen zu bewegen.

Die von den Taliban zur Schau gestellte Kompromißbereitschaft wurde nicht nur von Brahimi gelobt, sondern könnte der bisher nur von Pakistan und Saudi-Arabien anerkannten Regierung in Kabul weiteres Ansehen bescheren. Kaum aus Turkmenistan zurückgekehrt, kündigte der stellvertretende Außenminister Maulvi Abdul Rahman offizielle Delegationsbesuche in Usbekistan, China und Ägypten an.

Die Chancen auf Anerkennung dürften auch im Westen wachsen. Der zivilisierenden Kraft neuer kapitalistischer Technologien sind die Islamisten nicht mehr so abgeneigt: Jegliche Musik und der Besitz von Fernsehern und Videos bleiben zwar verboten. Aber per Internet werben sie jetzt um Investoren.