Die Drei vom Balkan-Grill

Nato, Serbien und die UCK bereiten sich auf einen Krieg vor, der keine Lösung bringt

Aufbruchsstimmung im OSZE-Hauptquartier in Pristina. Immerhin mußten am vergangenen Freitag 1 380 OSZE-Beobachter samt ihrer Habseligkeiten nach Mazedonien verfrachtet werden. Nervosität machte sich unter den Mitarbeitern breit. Die bisherige Pressechefin der OSZE-Mission, Beatrice Lacoste, meinte gegenüber Jungle World, sie befürchte das Schlimmste. Im Grunde, so Lacoste, sei die Entscheidung zum Krieg schon gefallen.

Die ehemalige Missionssprecherin selbst gestand bereits am Montag vergangener Woche ein, daß die OSZE eigentlich gescheitert sei und sich selbst zu einem Lakaien der durchaus kriegsfreudigen Nato degradiert habe. Als Lacoste an diesem Tag in ihr Büro kam, fand sie einen leeren Schreibtisch vor. Sie war gefeuert - angeblich, weil Journalisten sich über sie beschwert hatten.

Dabei hatte sie nur getan, was die OSZE-Richtlinien ihr vorgaben: neutral über den Konflikt zu berichten. Besonders den US-amerikanischen Medien paßte das gar nicht - sie begannen, erfolgreich zu intrigieren.

Wie aufgewühlt die Gefühle in den letzten Tagen der OSZE-Mission waren, belegt auch eine andere Episode: Als Lacoste in einem Interview mit dem britischen Nachrichtensender Sky News recht offen über die neuesten Ereignisse berichtete, flüsterte ihr ein OSZE-Offizieller aus dem Hintergrund zu: "Du betreibst Desinformation, ich bringe dich um."

So wurden die letzten Wochen der OSZE-Mission zum Desaster. OSZE-Noch-Missionschef William Walker nahm zunehmend die Rolle eines Retters aller Kosovo-Albaner ein, was ihn bei den Serben nicht gerade als neutral erscheinen ließ. So wird ihm wohl auch die Erfüllung des Wunsches verwehrt bleiben, den er nach dem Verlassen des Kosovo Reportern in die Mikrophone diktierte: "Wir kommen wieder zurück."

Die Verantwortung liegt aber längst nicht mehr bei der OSZE, sondern bei der Nato und den Vereinigten Staaten. Seit die Friedensgespräche in Paris abgebrochen werden mußten, wird kaum noch verhandelt. Das Krisenmanagment der Nato beschränkt sich hauptsächlich darauf, ein Ultimatum zu stellen: Entweder, Milosevic akzeptiert den Einsatz einer rund 28 000 Mann großen Nato-"Friedenstruppe" im Kosovo, oder er muß mit Luftangriffen rechnen. Außerdem wurde die Vorwarnzeit eines Nato-Angriffes von ursprünglich zwei Tagen auf "wenige Stunden" herabgesetzt. Zudem garnierte das westliche Militärbündnis seine Kriegsdrohungen mit martialischer Phraseologie: "Die Nato ist zum sofortigen Handeln bereit", so ein Sprecher am Wochenende.

Bereit ist auch der jugoslawische Präsident Slobodan Milosevic. Er nutzt das Vakuum, das durch den Abzug der OSZE-Beobachter entstanden ist, zu einer großangelegten Offensive in der südserbischen Provinz. Kaum hatten die OSZE-Teams das Kosovo verlassen, stockte Milosevic die Kontingente seiner Armee im Kriegsgebiet auf. Aus der Stadt Srbica, eine der früheren Bastionen der UCK, wurden kosovo-albanische Einwohner durch Serben vertrieben. Zahlreiche Häuser wurden in Brand gesteckt. Mehrere Tausend Menschen sind auf der Flucht nach Mazedonien oder Albanien.

Genau hier liegt für die Militärstrategen in Brüssel auch das Risiko eines Einsatzes: Zwar würde die serbische Armee durch einen Einsatz der überlegenen westlichen Streitkräfte ordentlich geschwächt, andererseits könnte Milosevic dann endgültig zum Amoklauf im Kosovo ansetzen. Militärexperten befürchten, der in die Enge getriebene jugoslawische Präsident würde wohl bald keinen Unterschied zwischen UCK und albanischen Zivilisten mehr machen. Dann stünde die Nato mit ihrer Begründung eines Einsatzes ziemlich verloren da: Daß ohne Uno-Mandat eingegriffen wird, so die Nato-Argumentation, soll nämlich vor allem der Verhinderung einer humanitären Katastrophe dienen.

Außerdem verhindert ein Nato-Einsatz mittelfristig jede politische Lösung. Der nur mühsam erzielte politische Kompromiß von Paris - also im wesentlichen eine Autonomie-Lösung für das Kosovo - würde zur Makulatur. Der minimale Verhandlungswillen Milsoevics dürfte endgültig nachlassen, wenn erst einmal Bomben haarscharf an seinem serbischen Dickkopf vorbeigeschrammt sind. Ganz anders dagegen werden sich wohl die Positionen der Kosovo-Albaner verzerren: Schon jetzt fordern in einer aktuellen Umfrage des Kosovo-Informationszentrums vier Fünftel der Albaner die Unabhängigkeit der Provinz. Durch den Einsatz einer Nato-Luftflotte könnten sie in dieser Position bestärkt werden.

Relativ ungünstig könnte sich ein Ausflug der Nato auch auf die Bestrebungen auswirken, eine Internationalisierung des Konfliktes zu vermeiden. Auch im bislang vom Konflikt nur am Rande betroffenen Mazedonien fängt es zu brodeln an: Die Stationierung der Nato-Einsatzgruppe in dem jugoslawischen Nachbarland hat dazu geführt, daß nun auch serbische und albanische Mazedonier aufeinander losgehen. Die mazedonische Opposition warnt bereits davor, in einem Land mit zwei Millionen Einwohnern die geplanten 28 000 Nato-Soldaten zu stationieren. Außerdem scheint die Zahl von derzeit 10 000 stationierten Soldaten stark untertrieben zu sein. Angeblich befinden sich etwa 15 000 Nato-Kämpfer in Mazedonien. Weil langsam die Unterkünfte knapp werden, hat man schon damit begonnen, Studenten aus den Heimen zu werfen. Das französische Kontingent baut an einer Hubschrauberpiste in Kumanovo. Die Größe des Konstruktes läßt aber eher darauf schließen, daß hier ein Flughafen errichtet werden soll.

Wegen der plötzlichen Frontstellung des kleinen Landes zum Nachbarn Jugoslawien holte der ultranationalistische serbische Vize-Premier Vojislav Seselj schon zu Drohgebärden aus: Wenn nur eine Nato-Kugel von mazedonischem Territorium auf Jugoslawien abgeschossen werde, meinte der Faschist, sei man zum Angriff auf den Nachbarn bereit. Rund ein Drittel der Mazedonier gehören außerdem der albanischen Bevölkerungsgruppe an und machen sich schon bereit, ihren bedrängten Leidensgenossen im Kosovo zu helfen. Abduraham Aliti, Präsident der mazedonisch-albanischen "Partei der demokratischen Prosperität" erklärte bereits: "Wenn der Krieg im Kosovo weiter eskaliert, werden auch die Albaner im Kosovo zu den Waffen greifen müssen."

Gleiches spielt sich in Albanien ab, wohin der Großteil der Flüchtlinge aus der Kriegsregion geflohen ist. Albaniens Außenminister Paskal Milo warnte vor dem Nato-Rat in Brüssel schon eindringlich vor einem Übergreifen des Konfliktes. Zunehmend operiert die UCK von albanischem Territorium aus, was für Milosevic die willkommene Begründung für die Offensive liefert. Wenn der jugoslawische Kriegsherr nun seine Angriffe auf das Kosovo verstärkt, ist es gut möglich, daß Albanien endgültig zum UCK-Kurort wird und damit Milosevic zu einem Angriff provoziert wird.

Was von einem Nato-Angriff bleibt, ist also ein dauerhafter Krieg, der den halben Balkan

in Brand stecken könnte. Aber dann werden die Nato-Flugzeuge schon längst wieder woanders fliegen.