Arbeitskonferenz für Existenzgeld

1500 Mark und nicht mehr

Außer Hilflosigkeit lassen Phrasen wie die von "einer ambivalenten Forderung in einer widersprüchlichen Zeit" kaum etwas erahnen. Als Politikansatz taugen sie so wenig wie für den Beginn einer gesellschaftlichen Diskussion.

Dennoch scheinen auch die OrganisatorInnen der "Arbeitskonferenz für Existenzgeld und eine radikale Arbeitszeitverkürzung", die am letzten Wochenende in Berlin tagte, sich genau diese Maxime zu eigen gemacht zu haben.

Warum die Chance, die Forderung nach einem Existenzgeld von 1 500 Mark plus Warmmiete offensiv im öffentlichen Raum zu plazieren, von den 500 europäischen TeilnehmerInnen nicht genutzt wurde? Weil drei Viertel der Zeit für das Hervorbringen alter Einwände und das Suhlen in den eigenen Ambivalenzen vertan wurde. Die Frauenforscherin Brigitte Young konnte so zwar in bester universitärer Manier alle Vor- und Nachteile der Forderung referieren. Und sicher hat auch die Frauengruppe "Der Glanz der Metropole" recht, wenn sie darauf hinweist, daß mit einem Existenzgeld keines der Probleme geschlechtsspezifischer Arbeitsteilung gelöst ist. Aber ist das zur Zeit irgendwo anders? Und hatte überhaupt jemand für diese Strukturen argumentiert?

Da wirkte die Vertreterin der Bundesarbeitsgemeinschaft der Sozialhilfeinitiativen noch richtig erfrischend, die, trotz nicht ganz so geschliffener Redeweise, ein utopisches Finanzierungsmodell vorstellte: Alle, vom Kleinkind bis zum Manager, sollten 1 500 Mark plus Warmmiete erhalten und alle müßten vom dann zusätzlich Verdienten fünfzig Prozent in den Umverteilungstopf abliefern - "take half".

Daß nicht alles, was die Herrschenden mit ihren Gesetzen beabsichtigen, auch eins zu eins so eintritt, geisterte als neueste Erkenntnis durch die Tagungsräume. Und das, wo doch gerade im Bereich der Sozialleistungen so etwas wie ein Klassenkampf im Stillen stattfindet - in der Form nämlich, daß die Erwerbslosen die zur Disziplinierung und Ruhigstellung gedachten Gelder nutzen, um sich ein "schönes Leben" jenseits der Arbeitsgesellschaft zu machen. Warum sonst müßten sich die Sozialtechnokraten denn immer wieder neue Gesetze ausdenken, um die Arbeitsverweigerer aufzuschrecken?

Der Forderung nach einem Existenzgeld von 1 500 Mark plus Warmmiete für alle stand an diesem Wochenende kein anderer Entwurf gegenüber. So daß man nicht umhin kam, in ihr den zur Zeit immer noch brauchbarsten Vorschlag zu entdecken, um sozialrevolutionär in der Gesellschaft zu intervenieren.