Lohnsklaven für La Martinique

Die Inspection du travail (Arbeitsinspektion, entspricht ungefähr der deutschen Gewerbeaufsicht) soll darüber wachen, daß die Arbeitsgesetzgebung eingehalten wird. Sie ist dafür bekannt, daß sie trotz guten Willens der Beschäftigten - die oft aus der Linken oder radikalen Linken stammen - hoffnungslos überlastet ist. Mit der sozialistischen Arbeitsministerin Martine Aubry hat die Inspection du travail derzeit eine oberste Vorgesetzte, die dafür sorgt, daß weitere Zeit und Energie im Apparat verlorengehen.

Seit Dezember versucht das Arbeitsministerium vergeblich, den Direktor der Arbeitsinspektion im Überseedepartement La Martinique, Jacques Bertholle, abzuberufen. Der machte seine Arbeit korrekt und war deswegen der alteingessenen postkolonialen Oberschicht seit langem ein Dorn im Auge: Die Nachfahren der Sklavenhalter sind der Ansicht, in einem Überseedepartement habe die "normale" französische Arbeitsgesetzgebung faktisch nicht zu gelten. Das Arbeitsministerium hat Bertholle ein Ultimatum bis zum 11. Februar gestellt, um einen Posten in Paris zu übernehmen; der weigerte sich jedoch standhaft, Martinique zu verlassen, wo sich eine Solidaritätsbewegung für ihn formiert hat.

Vergangene Woche sorgte Aubry für einen neuen Eklat: Sie leitete gegen Arbeitsinspektor Gérard Filoche ein Disziplinarverfahren ein. Der hatte das "Aubry-Gesetz" zur 35-Stunden-Woche, die per Konsens zwischen Kapital und Arbeit zu erzielen ist, in einem Beitrag für die linksliberale Tageszeitung Libération als einen "Mißerfolg" bezeichnet, der 1998 landesweit nicht einmal 10 000 Arbeitsplätze geschaffen hat. Filoche ist ehemaliges Führungsmitglied der trotzkistischen LCR und heute einer der führenden Köpfe des Parti Socialiste, Aubrys eigener Partei.