Schröder besucht Jelzin

Holz und Öl

Rußland ist nicht in der EU. Diese Feststellung von Boris Jelzin, der mitunter einiges durcheinanderbringt, ist zwar amüsant, aber wenigstens nicht verkehrt. Daß auch noch der zehnte Nachfolger des Präsidenten, der den realkapitalistischen Ruin des Riesenstaates begleiten wird, keine andere Aussage wird machen können, ist eh klar. Denn Rußland wird niemals, selbst wenn es sich noch so anstrengte, Mitglied im Euroklub werden, sondern seine Rolle als Hinterhof Europas einnehmen.

In den neunziger Jahren hat sich das Bruttosozialprodukt halbiert, jede sogenannte Reform hat die Ökonomie weiter in den Ruin getrieben. Von der zweiten in die dritte Welt. Einmal abgesehen von einigen Rüstungs- und Raumfahrtprojekten, basiert die russische Wirtschaft auf dem Export von Rohstoffen - wobei die Erlöse in Mafiakreisen verschwinden - und dem Import hochwertiger Güter. Binnenwirtschaftlich ist an die Stelle eines reformierten Marktes ein primitiver Naturalientausch getreten. Die Beschäftigten werden, wenn überhaupt, allenfalls mit den Gütern ihrer Betriebe - Unterwäsche, Schraubenzieher oder Glasperlen - entlohnt und versuchen, das Zeug auf dem Schwarzmarkt zu verscherbeln.

Daß die ordnungsliebenden Deutschen - allen voran Bundeskanzler Gerhard Schröder und Außenminister Joseph Fischer - sich wünschen, daß im Innern der Atommacht möglichst nicht mehr alles drunter und drüber gehen soll, ist verständlich. Nur kosten darf es nichts. Und so war denn Schröders Moskaubesuch in der vergangenen Woche geprägt von Floskeln und Freundschaftsbekundungen. Jedenfalls gab es keine Zusagen, nicht einmal Angebote. Dafür müßte sich schon der russische Staat, der es nicht einmal schafft, seine Steuern einzutreiben, zu einem radikalen Sparhaushalt aufraffen, so die deutsche Haltung. Da dies nicht geschehen wird, kann sich Schröder auf seine populistische Haltung zurückziehen: Geld wird es nicht geben, so lange nicht sicher ist, daß dies nicht in dunklen Kanälen verschwindet; Deutschland sei höchstens bereit, Personal für den Aufbau einer Bankenaufsicht zur Verfügung zu stellen.

Die russische Seite bedankte sich und hofft nun darauf, ihre Strom- und Kohlelieferungen an Deutschland steigern und im Gegenzug moderne Technologien für die Energieunternehmen erhalten zu können. Auch soll ein Teil der Schulden an Deutschland - etwa 40 Milliarden Mark - mit Rohstoffen beglichen werden. Zum Dank gibt es von der EU Nahrungsmittelhilfen im Wert von 800 Millionen Mark - so kann die ehemalige Kornkammer Osteuropas mit den Agrarüberschüssen der EU gefügig gemacht werden.

Wenn schon keinen Weizen, so besitzen die Russen wenigstens noch eines in Hülle und Fülle: Holz. Das hat jetzt auch die deutsche Ikea-Tochter erkannt. Was also liegt näher, als in den Weiten Rußlands ein paar Möbelwerke zu errichten? Zwei Milliarden Mark will Ikea investieren und 40 000 unterbezahlte Arbeitsplätze schaffen. Der Clou: Hier sollen Tische und Stühle, Schränke und Regale nicht nur für den russischen Markt, sondern auch für den westeuropäischen produziert werden.

So hat die russische Misere doch noch ihr Gutes für die deutsche Wirtschaft - ein Scheinargument mehr für die Standort-Debatte: Daß üppige Tarifabschlüsse die Unternehmen, wenn schon nicht in den Ruin, so mindestens ins Ausland treiben.