Große Worte, halbe Sätze

Selbst bei einer politischen Lösung für das Kosovo bleibt die militärische Situation in der südserbischen Krisenprovinz ungeklärt

Am Montag änderte Madeleine Albright mit einem Male ihre martialische Rhetorik. Nato-Schläge gegen Serbien, so die US-Außenministerin bei den Kosovo-Friedensgesprächen in Rambouillet, werde es solange nicht geben, bis die Delegation der Kosovo-Albaner den Vorschlägen der internationalen Vermittler zugestimmt habe. Tags zuvor hatte Albright noch mit der Bombardierung serbischer Stellungen auch außerhalb des Kosovo gedroht. Nach der - rhetorischen - Kehrtwende können vorerst vor allem die Delegierten der Kosovo-"Befreiungsarmee" UCK in Rambouillet ihre Hoffnungen auf Nato-Unterstützung aus der Luft begraben.

Denn daß nicht die serbischen Verhandlungsführer allein, wie von Albright immer behauptet, das Hindernis für eine vertragliche Lösung des Konflikts in der südserbischen Provinz bilden, sehen mittlerweile auch die EU-Außenminister so. Die Kosovo-Albaner hätten bei der Frage des Referendums, das nach dreijähriger Übergangsfrist die Frage des künftigen Status der Provinz klären soll, kalte Füße bekommen, sagte EU-Vermittler Wolfgang Petritsch. Und auch der britische Außenminister Robin Cook betonte am Wochenende, daß nicht nur die Serben, sondern auch die Kosovo-Albaner noch viel für einen erfolgreichen Abschluß tun müßten.

Da war die Deadline für einen Friedensschluß auf dem Papier schon längst verstrichen. Nachdem die ursprünglich auf Samstagmittag angesetzte Frist wegen mangelnder Einigkeit über die militärischen Bestimmungen des Kontaktgruppen-Verhandlungspapiers abgelaufen war, rechtfertigten die Außenminister der sechs Kontaktgruppen-Staaten die Verlängerung damit, daß bei den Verhandlungen "substantielle Fortschritte" erzielt worden seien. Letzte Chance für eine Einigung: Dienstag, 15 Uhr.

Weniger von "substantiellen Fortschritten" als von militärischen Drohgebärden geprägt war jedoch die letzte Verhandlungswoche. Je näher der Samstagmittag rückte, desto kräftiger wurden die Sprüche der Hohepriesterin US-amerikanischer Diplomatie: "Wer die Friedensgespräche zum Scheitern bringt, wird die Folgen tragen müssen. Im Fall Serbiens bedeutet das Nato-Bomben", ließ Albright aus Washington verlauten, ehe sie am Wochenende persönlich in die Verhandlungen bei Paris eingriff.

Am anderen Ufer des großen Teiches, zwischen Rambouillet und Belgrad, fühlte sich nur einer von der Kampfansage der neuen Eisernen Lady angesprochen: Der serbische Präsident Milan Milutinovic konterte mit den wenig diplomatischen Worten, daß im Falle eines Nato-Angriffs die westliche Verteidigungs- und Angriffsgemeinschaft "bis zu den Knien im Blut waten" und ihr ein "europäisches Vietnam" drohen würde.

Am Ort der Kosovo-Verhandlungen in Rambouillet selbst blieb das verbale Gemetzel unkommentiert. Die Diplomaten hatten genug damit zu tun, die Gespräche über ein Ende der Kampfhandlungen in der serbischen Kriegsprovinz aus den Sackgassen zu führen, in die sie in den Tagen zuvor immer wieder geraten waren.

Nachdem die serbische und die kosovo-albanische Delegationen sich bis zum Wochenende geweigert hatten, direkte Verhandlungen zu führen, fiel den drei Vermittlern Wolfgang Petritsch (EU), Christopher Hill (USA) und Boris Majorski (Rußland) die undankbare Aufgabe zu, als Boten zu fungieren. Jeden Tag hetzten sie mehrere Male durch die Zimmerfluchten des Schlosses und überbrachten der einen oder anderen Konfliktpartei die Vorschläge zur Beendigung des Konfliktes. Hill nötigte seine neue Rolle als Bote den Spruch ab: "Wir haben es nicht gerade sehr lustig hier."

Aus den verfeindeten Delegationen hieß es denn auch, man habe sich noch immer nicht "auf einen einzigen Halbsatz" geeinigt. Wohl deshalb fühlte sich Albright bemüßigt, mehrmals mit Bombardements auf serbische Militärziele zu drohen. Dabei allerdings kalkulierte die Vertreterin eines US-amerikanischen Sofortschlags in Sachen Kosovo ein, daß durch solche Drohungen das sensible Gefüge der Verhandlungspositionen gewaltig aus den Fugen gerät: Je mehr der Westen seine Aufmerksamkeit Serbien zuwendet und diesen mit der Vernichtung ihrer Armee droht, desto eher fühlen sich die radikalen Kosovo-Albaner der UCK angespornt, ihre für Serbien völlig unakzeptablen Forderungen mit noch mehr Vehemenz durchzusetzen. Dies wiederum hat zur Folge, daß die Vertreter eines moderaten Kurses wie der selbsternannte Kosovo-Präsident Ibrahim Rugova immer mehr ins Abseits bei den Verhandlungen geraten.

Dabei würde es des kommunikationshemmenden Engagements von Albright gar nicht bedürfen. Der Friedensplan der internationalen Vermittler birgt schon genügend Sprengstoff und fordert wegen einiger Eckpfeiler den Widerstand beider Seite heraus: Daß das Kosovo Teil Serbiens bleiben soll, ist für die Falken der UCK das ultimative Ende ihrer Selbststilisierung als Retter der Provinz. Die geforderte Entwaffnung der UCK beinhaltet, daß sie sich von einer schießwütigen Truppe zu einer politischen Kraft mausern - wohl vergebene Liebesmüh.

In drei Jahren soll es laut Plan zu einer Überprüfung der Regelung kommen - die UCK allerdings möchte in drei Jahren die Unabhängigkeit der Provinz durchboxen. Zudem soll das Kosovo ein eigenes Parlament erhalten, in dem alle Bevölkerungsteile repräsentiert sind. Eine Idee, die sowohl für die serbische Seite als auch die Kosovo-Albaner einen Gesichtsverlust bedeutet: Serbien beharrt darauf, daß das Kosovo im Belgrader Parlament bereits über eine ausreichende Vertretung verfüge, die UCK würde mit dem Parlament den noch sicheren Alleinvertretungsanspruch für die Provinz verlieren.

Außerdem sollen nach dem Plan der internationalen Gemeinschaft zur Unterstützung des noch fernen Abkommens 28 000 Nato-Soldaten im Kosovo stationiert werden - was der jugoslawische Präsident Slobodan Milosevic als Eingriff in die staatliche Souveränität Jugoslawiens weiterhin strikt ablehnt.

Der deutsche Außenminister Joseph Fischer näherte sich am Wochenende der Haltung Albrights an, am Montagabend wollte das Bundeskabinett zu einer Krisensitzung zusammenkommen. Eines jedoch müßten die Verhandlungsdelegationen wissen: Am Dienstag sei endgültig Schluß, eine erneute Verlängerung der Gespräche werde es nicht geben - danach müsse über nonkonsensuale militärische Lösungen neu nachgedacht werden.

Einen "substantiellen Erfolg" zeitigten die Einmischungen der ungelenken US-Außenministerin jedenfalls schon: In der vergangenen Woche ließ die Delegation der UCK ihre Forderung nach einer Unabhängigkeit des Kosovo kurzzeitig fallen. Nachdem Albright jedoch erneut mit Militärschlägen drohte, zogen sich die UCK-Verhandler gleich wieder auf ihren Standpukt zurück, nur die Unabhängigkeit des Kosovo könne den Konflikt lösen.