Grüne und Uruguay

Die Werdenichtse

"Ich wollte was werden. Es ist nichts geworden", dichtet der Kreuzberger Liedermacher Funny van Dannen auf seiner neuen CD mit dem schönen Titel "Uruguay". Die Grünen dürften sich in einer Stimmung befinden, in der ihnen Funny van Dannen aus dem Herzen spricht: Schneller als gedacht müssen die Reformer feststellen, daß sie der Marsch durch die Institutionen in eine Sackgasse geführt hat.

Das grüne Dilemma: Der Erfolg demontiert seine eigenen Voraussetzungen. Niemals in der Geschichte der Bundesrepublik haben sich Vertreter einer Protestbewegung einer vergleichbaren institutionellen Machtfülle rühmen können. Der Weg dahin hat zwanzig Jahre in Anspruch genommen. Man muß nicht beide Augen zudrücken, um festzustellen, daß es die Grünen, allen Avancen an den Status quo zum Trotz, mit ihren Plänen durchaus ernst gemeint haben. Gleichzeitig wurde der deutschen Linken, begreife sie sich nun reformistisch oder radikal, selten die eigene Einfluß- und Bedeutungsmöglichkeit deutlicher vor Augen geführt als mit dem Auftakt der rot-grünen Koalition.

Seit dem 27. September befindet sich die Partei in der unangenehmen Situation, ihren Versprechungen tatsächlich Taten folgen lassen zu müssen, ohne dazu in der Lage zu sein. Im Augenblick ihres Scheiterns marschiert die ehemalige Protestpartei zu ihrer letzten Demonstration auf und führt dem Publikum das Elend des Reformismus vor Augen. Keines ihrer Anliegen erweist sich als durchsetzbar: Ein Schlußstrich unter die Kernenergie ist auch unter einem Umweltminister Jürgen Trittin nicht abzusehen, in der Frage nach einer Reform des völkischen Staatsbürgerschaftsrechtes waren es ohnehin nur noch die Reste ehemals grüner Programmatik, die die CDU mit ihrer Mobilisierung des Mobs unter die Erde gebracht hat.

An der Regierung angekommen, erreichen die Grünen nichts anderes, als das Bewußtsein von ihrer eigenen Überflüssigkeit populär zu machen. Das Personal in Führung und Basis ist gespalten: Der ideelle Gesamt-Schily der Partei, Matthias Berninger, fordert mit dem Verweis auf die mangelnde Jugendlichkeit seiner Partei bereits den Abschied von der Ökologie, um zukünftig in klassischer Scharping-Manier Arbeit, Arbeit, Arbeit zu betteln.

Das aber, und dies dürften auch die Wähler in Hessen gewußt haben, kann das Original allemal besser als die Kopie: Rund 80 000 zogen auch an der Wahlurne die Konsequenzen. Wer also, wie Daniel Cohn-Bendit in der taz, in der Diskussion um den Doppelpaß zum Ringen um "eine möglichst breite parlamentarische Mehrheit" rät und der Abkehr vom "bibeltreuen Katechismus" hin zu den "gesellschaftlichen Kernthemen" das Wort redet, der könnte der grünen Partei einen Bärendienst erweisen.

Liebhaber von Fundamentalopposition dürften sich von den Grünen, denen Schröder längst gezeigt hat, wer Koch und wer Kellner ist, ebenfalls nur noch schwerlich gut bedient fühlen. Immerhin 15 000, die sich noch vor vier Jahren von der Ökopartei repräsentiert sehen wollten, blieben bei den Landtagswahlen vor zwei Wochen dann doch lieber zu Hause. Wenn die Protagonisten sich als ebenso austauschbar erweisen wie die Programme, wozu sich dann den Sonntag verderben? Die Anstrengung der Politik ist nur das gründlich Andere wert, von dem bei den Grünen nicht viel übriggeblieben ist.

Das Versagen der Reformer ist allerdings auch ein Versagen ihrer Kritiker von links. Von außerparlamentarischem Druck - für jede Partei ein wichtiges Faustpfand, wie unlängst die CDU bewiesen hat - war in der Frage der Energiepolitik nichts zu spüren. Und auch der historische Kompromiß in Sachen Rassismus, den Schröder und Stoiber jetzt mit ihrem Staatsvolk schließen, blieb von der radikalen Linken mit zu wenigen Ausnahmen unbeantwortet. Vielleicht ist es auch die Angst vor der eigenen Bedeutungslosigkeit, die einen in die Bedeutungslosigkeit treibt.

Politik, so schrieb Cohn-Bendit an die Adresse seiner Parteigenossen, fange mit der Koalitionsvereinbarung erst so richtig an. Für die Grünen könnte der Auftakt der Anfang vom Ende sein.