Referendum gegen

Ausländer Hessen und Türken

Mit der Überschrift "Der Doppelpaß ist ins Wasser gefallen" faßte die türkische Tageszeitung Sabah letzte Woche die Enttäuschung über die Wahlergebnisse der Landtagswahlen in Hessen treffend zusammen. Die türkischen Medien beschäftigten sich ausführlich mit der "Schlappe für Schröder" (Tageszeitung Milliyet).

Die Kommentatoren werten den Ausgang der Wahl als Referendum über den Gesetzesentwurf um die Änderungen im Staatsbürgerschaftsrecht und die geplante Einführung einer doppelten Staatsbürgerschaft für Ausländer in Deutschland. Dementsprechend konstatiert Kani Top in Sabah stellvertretend für alle: CDU und CSU erzielten mit ihrer Unterschriftenkampagne, die rechtsradikale Forderungen integrierte, einen vollen Erfolg. Im Klartext: Die Diskussion um den Doppelpaß und der Ausgang der Wahlen im rot-grünen Hessen ist ein Barometer für die steigende Ausländerfeindlichkeit in Deutschland.

Die türkischen Kommentatoren nehmen diese Entwicklung durchaus persönlich: Sie deuten sie als anti-türkische Haltung. Oktay Eksi, langjähriger Präsident der türkischen Journalistenvereinigung, paraphrasiert den von der Union in Hessen betriebenen Wahlkampf mit dem Slogan: "Ihr Sozialdemokraten und Grünen! Wißt ihr überhaupt, was über unser Haupt kommen kann, wenn wir den Türken auch noch das Recht erteilen, zusätzlich deutsche Staatsbürger zu werden?" Eksi hielt sich am Wahlwochenende in Essen auf, um an der Einweihung des "Zentrums für Türkeistudien" teilzunehmen. Das Fernbleiben des eingeladenen nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Wolfgang Clement an der Veranstaltung zu Ehren des Instituts, das sich vor allem mit der Integrationsentwicklung der Türken in Deutschland beschäftigt, überraschte Eksi nicht. Daran zeigt sich auch die Empfindlichkeit der Beobachter aus der Türkei, die ihre Rolle als "arme diskriminierte Ausländer" leid sind und sich hinter die Forderungen der inzwischen in dritter Generation in Deutschland lebenden Türken stellen.

Yal ç in Bayer, ebenfalls Kommentator der Hürriyet, beschäftigte sich mit dem Beitrag der türkischen Unternehmer zum deutschen Wirtschaftssystem. Im Deutsch-Türkischen Unternehmerverband (TIDAF) sind dreitausend türkische Unternehmer organisiert, deren Umsätze insgesamt fünf Milliarden Mark übersteigen. Bayer zitiert den TIDAF-Vorsitzenden Ihsan Öner mit den Worten, "Wir hassen es, in der Türkei die Deutschen und in Deutschland Ausländer zu sein", und faßt damit die in der Türkei vorherrschende Sicht zusammen, daß die Migration der Türken nach Deutschland ein unumkehrbarer Prozeß ist, der eine nicht mehr völlig der Türkei zugehörige Gruppe von türkischen Migranten geschaffen hat.

Die politische Äquivalenz dieser Situation wäre aus türkischer Sicht die Gewährung einer doppelten Staatsbürgerschaft. Das Ergebnis von Hessen zeige jedoch, daß eine gegen Ausländer gerichtete Politik derzeit die in Deutschland erfolgversprechendste Strategie ist.