Kostas in Augias’ Stall

Mit einer Kabinettsumbildung versucht in Griechenland Ministerpräsident Simitis, die politische Macht der Regierungspartei Pasok zu sichern

Selbst enge Mitarbeiter sollen überrascht gewesen sein: Ministerpräsident Kostas Simitis schritt Ende Oktober zur Tat und ließ seinen Regierungssprecher eine Neuzusammensetzung des Kabinetts ankündigen. Mitte vergangener Woche sprach dann das Parlament der Regierung Simitis knapp das Vertrauen aus und bestätigte somit Simitis' Personalpolitik.

Als offizielle Begründung für die Umbildung waren die Ergebnisse der Kommunalwahlen von Anfang bis Mitte Oktober angegeben worden, bei denen die regierende sozialdemokratische Pasok Stimmen verloren hatte (Jungle World, Nr. 43/98). Schuldige waren innerhalb der Pasok schnell gefunden: Landwirtschaftsminister Stefanos Toumakas, der bereits seit längerem von seiten der Bauernverbände kritisiert worden war.

Als neuer Chef im Ministerium für öffentliche Ordnung fungiert Phillipos Petsalnikos. Er ersetzt Jorgos Romäos, der nach der Exekution eines serbischen Schülers durch die griechische Polizei vor knapp 10 Tagen von allen Seiten heftig kritisiert wurde. Der 17jährige Marco Blandovic war zusammen mit 200 Mitschülern am Ende eines einwöchigen Bildungsurlaubs bei einem abschließenden Einkaufsbummel im Zentrum von Thessaloniki von bewaffneten Zivilpolisten angehalten und eingekesselt worden. Die Polizei beschuldigte die Jugendlichen, eine Handtasche geraubt zu haben - zu Unrecht, wie sich später herausstellte. Bei einem kurzen Gerangel zwang ein Polizist Blandovic zu Boden, setzte seine Pistole auf den Brustkorb des Jugendlichen und drückte ab.

Die Polizei sprach in einer Stellungnahme davon, der Schuß des Beamten sei eine Panik-Reaktion gewesen und habe sich versehentlich gelöst. Ihr höchster Chef, Romäos, ging noch weiter und machte die "ständig wachsende Jugendkriminalität" für den "Unfall" verantwortlich. Umstehende Zeugen gaben hingegen an, bei dem aufgesetzten Schuß habe es sich um eine Hinrichtung gehandelt. Die Staatsanwaltschaft von Thessaloniki ermittelt wegen vorsätzlicher Tötung.

Schon seit geraumer Zeit hatte sich Romäus als entbehrlich bei einer möglichen Kabinettsumbildung empfohlen: Nicht nur die hiesige linke Presse spricht im Zusammenhang mit der Polizei von der "größten kriminellen Vereinigung Griechenlands". Seit Wochen kommen neue Skandale ans Licht: Gute Kontakte verschiedener Polizeizirkel zu rechtsextremistischen Organisationen, Drogenhandel, Schutzgelderpressung, die Mißhandlung von Festgenommenen - die Liste illegaler polizeilicher Aktivitäten wird immer länger. Romäos' Aussagen über "einzelne bedauerliche Fehlleistungen der Polizei" wollten zuletzt nicht einmal mehr die eigenen Parteifreunde hören.

Als Gesundsheitsminister löst Lambros Papamidis seinen Amtsvorgänger Kostas Gitonas ab, der den neu geschaffenen Posten eines "Ministers beim Ministerpräsidenten" einnimmt. Dort soll er - nach einer Erklärung von Ministerpräsident Simitis - als Verbindungsmann zwischen der Regierung und der Pasok-Fraktion im Parlament fungieren. Als offenes Geheimnis gilt dabei, daß Gitonas künftige Hauptaufgabe darin besteht, die innerparteiliche Opposition zu kontrollieren und einzubinden.

Überhaupt zielt die Umbildung des Kabinetts in erster Linie auf die Disziplinierung der eigenen Partei ab. Denn die Unzufriedenheit innerhalb der Pasok steigt. Bei einer mit der Regierungsumbildung verbundenen Vertrauensabstimmung im Parlament hatte Simitis bis zum letzten Augenblick um eine Mehrheit zittern müssen, da auch Pasok-Abgeordnete gedroht hatten, die Zustimmung zu verweigern.

Nur unter Vorbehalt, hatte eine elfköpfige Gruppe von Pasok-Parlamentariern in einem Diskussionspapier erklärt, wolle sie, wenn überhaupt, mit "Ja" stimmen. Darauf wurde vom Ministerpräsidenten Druck auf die möglichen Dissidenten ausgeübt: Wenn nicht die absolute Mehrheit erreicht werde, müßten eben Neuwahlen stattfinden. 30 Minuten vor dem Vertrauensvotum zog die innerparteiliche Opposition ihr Papier zurück und erklärte, nun doch ohne Bedingungen für Simitis stimmen zu wollen. Dieser gewann die Abstimmung denn auch mit 163 "Ja"- gegen 136 "Nein"-Stimmen.

Ob damit Ruhe im Regierungslager eintritt, darf allerdings bezweifelt werden: Während der Chef der konservativen Oppositionspartei Nea Demokratia, Kostas Karmanlis, "sofortige Neuwahlen" forderte, kritisierten die Parteien der linken Opposition - die KP, die links-nationalistische Pasok-Abspaltung Dikki und die Linksvereinigung - die "neoliberale" Regierungspolitik. Auf die Forderung nach Neuwahlen verzichteten sie jedoch. Auch die innerparteiliche Pasok-Opposition meldete sich wieder zu Wort: Die Politik der Regierung müsse nun umgehend geändert werden, forderte die "Erst-Abweichler-dann-doch-nicht-nun-aber wieder-Gruppe" Ende vergangener Woche.