Wo waren Sie, als das Sparwasser-Tor fiel?

Karl Linne ist Pensionär in Rothenburg o.d.T.

Daran erinnere ich mich, als ob es heute vormittag gewesen wäre. Ich verließ an diesem Tag meine Wohnung gegen 17 Uhr, nein, es war sicher schon fünf drüber. Um viertel nach fährt der Bus, ich erreichte ihn gerade noch, obwohl eine Böe meine Schritte hemmte. Windstärke vier, schätzungsweise. Am Stadtrand stieg ich aus und eilte zur Waldschänke. Dort nahm ich noch ein Pils auf die Schnelle, das an diesem Tag etwas abgestanden schmeckte. Der Wirt sah sehr bleich aus, auch kalten Schweiß glaubte ich zu bemerken. Ich schob es auf eine Erkältung und zahlte. Als ich das Lokal gegen 17.40 Uhr verließ, rief er mir noch nach: "Ihr Schirm! Sie haben Ihren Schirm vergessen!" Das waren seine Worte. Ich spannte beim Hinausgehen meinen Schirm auf, aber der Wind blies mir mächtig hinein. Also klappte ich ihn wieder zusammen. Außerdem regnete es gar nicht.

Kurz vor 18 Uhr erreichte ich das Städtische Krankenhaus. Ich begrüßte den Pförtner und setzte in seinem Zimmer frischen Kaffee auf, einen Mokka von Aldi. Wir plauderten noch etwas über das Wetter. Ich empfahl dem damals 51jährigen Mann, sich zu beeilen, damit er nicht vom Regen erwischt wird. Er packte sein Geschirr in eine etwas speckige Ledertasche und grüßte beim Gehen. Um 18 Uhr begann mein Dienst. Es wurden zwei Kreislaufschwächen eingeliefert, fünf Verletzungen aller Art, ein Verdacht auf Blinddarmdurchbruch; ein ungewöhnlich ruhiger Abend. Es regnete etwas. Ich hatte Zeit, das Protokollbuch der letzten Woche noch einmal zu überarbeiten. Außerdem klemmte wieder einmal der Fahrstuhl zur Orthopädischen, ich mußte noch Punkt 22 Uhr den Mechaniker-Notdienst anrufen. Er erschien eine Stunde später und fragte mich: "Haben Sie den Notdienst bestellt?" Das waren seine Worte. Ich bejahte und zeigte ihm den Fahrstuhl. Er reparierte ihn und ließ mich quittieren. Dann sagte er noch: "Bis zum nächsten Mal!" und ging. Gegen Mitternacht war der Lift schon wieder kaputt. Ich hängte in jedem Stockwerk ein Schild an die Tür: "Defekt. Bitte Treppe benutzen". Das waren meine Worte. In der Nacht kam ich sogar ein wenig zum Schlafen. Gegen sechs Uhr früh wurde ich abgelöst. Ich ermahnte meinen Kollegen, sich um den Fahrstuhl zu kümmern. Daran kann ich mich genau erinnern.