Studiengebühren: Ganz oder gar nicht

Die baden-württembergischen Einschreibe- und Rückmeldegebühren sind verfassungswidrig

Ein Schiffbruch erster Klasse: "Völlig überrascht" zeigte sich der baden-württembergische Wissenschaftsminister Klaus von Trotha am vergangenen Mittwoch, nachdem das oberste Verwaltungsgericht des Landes in Mannheim seine glänzende Idee zur Rettung der notleidenden Hochschulen des Landes für verfassungswidrig erklärt hatte. Seit 1997 müssen die Studierenden im Ländle 100 Mark "Einschreibe- und Rückmeldegebühren" pro Semester zahlen - für von Trotha ein "sehr moderater Solidarbeitrag der Studierenden für die ihnen zugute kommenden Leistungen der Universität". Das sahen Studierende der Universitäten Karlsruhe, Freiburg und Konstanz anders und klagten gegen die "verdeckte Studiengebühr". Sie argumentierten, daß die tatsächlichen Verwaltungskosten der Hochschulen deutlich niedriger lägen. Die "Einschreibe- und Rückmeldegebühr" stelle eine unzulässige Sondersteuer dar, denn die durch sie erzielten Einnahmen von 40 Millionen Mark pro Jahr flössen in den allgemeinen Wissenschaftsetat des Landes.

Der studierte Jurist von Trotha sah der Klage gelassen entgegen: In Berlin, das bereits 1996 Rückmeldegebühren eingeführt hatte, waren Studierende mit ihrer Klage vor dem Verwaltungsgericht bereits im September 1996 gescheitert. Auch die süddeutschen Kläger waren noch in erster Instanz gescheitert. Doch nun hat der baden-württembergische Verwaltungsgerichtshof anders entschieden und ihnen recht gegeben.

Gebühren seien "nur zulässig, wenn der Staat mit ihnen bezweckt, eine spezielle Verwaltungsleistung zu decken". Das sei im vorliegenden Fall eindeutig nicht so, erklärte der Vorsitzende Richter Gerhard Huwar. Schließlich habe eine Untersuchung des Landesrechnungshofes ergeben, daß sich die realen Kosten einer Rückmeldung für die Universitäten des Landes zwischen 1,79 Mark an der Universität Karlsruhe und 4,25 Mark an der Universität Freiburg belaufen würden - das ergebe im Durchschnitt gerade mal drei Mark. Die verlangte 100 Mark-Gebühr diene somit nicht der Deckung von Verwaltungsleistungen, sondern vor allem der Erzielung von Staatseinnahmen. Geldwerte Vorteile für Studierende, wie Bafög oder den Studentenausweis, als Gegenleistung für die Gebühr aufzurechnen, lehnte das Gericht ab. Nach Meinung des VGH sei es "nicht Zweck der Ausbildungsförderung nach dem Bafög, mittelbar dem Landeshaushalt auszuhelfen". Daher sei die erhobene "Einschreibe- und Rückmeldegebühr" verfassungswidrig. Da der VGH nicht über die Gültigkeit bzw. Ungültigkeit von Landesgesetzen entscheiden kann, muß jetzt das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) darüber urteilen, ob der Paragraph 120a des baden-württembergischen Universitätsgesetzes, in dem die Rückmeldegebühren festgeschrieben sind, mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Möglicherweise befindet das BVerfG dann auch über die Rechtmäßigkeit der ab Herbst anstehenden Studiengebühren in Höhe von 1 000 Mark für sogenannte "Langzeitstudierende". Auch hier bewegt sich die Stuttgarter Landesregierung nach Ansicht von Juristen auf dünnem Eis. Eine einheitliche Studiengebühr für alle wäre dagegen juristisch wohl kein Problem, ist aber politisch (noch) nicht durchzusetzten.

Bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hat von Trotha die Gebührenerhebung nun ausgesetzt. Mit Blick nach Karlsruhe verkündete der Minister trotzig: "Sollten wir auf die Gebühr endgültig verzichten müssen und den entsprechenden Betrag von 40 Millionen Mark vom Finanzministerium nicht zusätzlich zur Verfügung gestellt bekommen, werden wir darüber nachdenken, wie diese Summe in anderer Weise im Etat des Wissenschaftsministeriums eingespart werden kann." Er fürchte, daß dann "auch der soziale Bereich nicht ausgespart werden könnte".

Für den Asta der Fachhochschule Konstanz eine leere Drohung: "Nach den Kürzungen in diesem Bereich der Hochschulen in den vergangenen Jahren sind Einsparungsmöglichkeiten in diesem Bereich überhaupt nicht mehr möglich." Der Asta zeigte sich erwartungsgemäß hocherfreut über das VGH-Urteil. Von Trotha sei mit seiner "scheibchenweisen Beschneidung studentischer Geldbörsen gescheitert". In Konstanz hatten 755 der 2 700 eingeschriebenen Studierenden die Zahlung der "Einschreibe- und Rückmeldegebühr" boykottiert und statt dessen die geforderten 100 Mark auf ein Treuhandkonto eingezahlt.

Unterdessen hat der rheinland-pfälzische Wissenschaftsminister Jürgen Zöllner in einem Interview mit der taz bekräftigt, daß die SPD im Falle eines Wahlsieges ein Verbot von Studiengebühren im Hochschulrahmengesetz festschreiben wolle - allerdings nur zeitlich begrenzt. Eine solche zeitliche Befristung hatten die SPD-Länder schon während der Verhandlungen um die Novellierung des Hochschulrahmengesetzes im Frühjahr der Bundesregierung und den CDU-Ländern angeboten. Eine Einigung scheiterte damals maßgeblich an dem Einspruch des baden-württembergischen Wissenschaftsministers, da ein solches Moratorium bedeutet hätte, daß Baden-Württemberg die Einführung der 1 000-Mark-Studiengebühr für "Langzeitstudierende" hätte zurücknehmen müssen. Das daraufhin von der CDU/CSU/FDP-Mehrheit im Bundestag ohne Zustimmung des Bundesrates beschlossene neue Hochschulrahmengesetz - ohne Verbot einer Studiengebühr - liegt zur Zeit Bundespräsident Roman Herzog zur Unterschrift vor.