Parwis Gelitsch-Khani iranischen Ex-Profi

Mullahs mögen Fußball nicht

Parwis Gelitsch-Khani, Herausgeber der in Paris erscheinenden iranischen Exilzeitschrift Arasch, war in den siebziger Jahren in seiner Heimat der populärste Kicker. Als Kapitän führte Gelitsch-Khani die iranische Nationalmannschaft bei den Olympischen Spielen 1964 in Tokio, 1972 in München und 1976 in Montreal. Aus Protest gegen das Schah-Regime weigerte er sich 1978, bei der WM in Argentinien noch einmal anzutreten.

Wollte die iranische Mannschaft wirklich wegen der Ausstrahlung des Films "Nicht ohne meine Tochter" im französischen Privatfernsehen von der WM abreisen?

Schon seit mehr als einem Monat war bekannt, daß der Film im Fernsehen laufen würde. Die iranische Botschaft wußte also davon, hat aber bis kurz vor dem Spiel des Iran gegen die USA gewartet, erst dann hat man sich beschwert und damit gedroht, die Mannschaft vom Turnier zurückzuziehen. Es wurde wohl nur ein Grund gesucht, um die Propagandamaschinerie daheim anzukurbeln. Das Regime sucht einfach nach Gründen, um von den Krisen des Landes abzulenken.

Wie geht das Regime mit dem Fußballspiel um?

Das iranische Regime steckt in einer großen Krise, auf allen Ebenen. Gesellschaftlich, wirtschaftlich, politisch, kulturell und eben auch sportlich. Vor der WM wurde der bisherige Trainer der Nationalmannschaft gefeuert und durch einen Coach ersetzt, der der Hisbollah angehört.

Wie sind die Weltmeisterschaften bisher gelaufen?

Im Grunde haben alle asiatischen Teams, neben Iran sind dies Saudi-Arabien, Japan und Südkorea, gut gespielt. Ich hatte eigentlich kaum erwartet, daß der Iran so gut gegen Jugoslawien spielen wird. Die iranischen Kicker haben gezeigt, daß sie gegen starke Mannschaften einigermaßen mithalten können, das 1:0 war kein schlechtes Ergebnis.

Und wie reagiert die Bevölkerung im Iran auf die WM?

Die iranische Mannschaft war vor der Revolution immerhin sechzehn Jahre lang Asienmeister. Erinnern wir uns doch daran, wie vor einigen Monaten im Iran nach dem Sieg gegen Australien, mit dem man die WM-Qualifikation schaffte, gefeiert wurde. Selbst die Frauen waren dabei. Die Menschen verteilten Süßigkeiten auf den Straßen, sie tanzten auf den Autos, junge Frauen warfen ihren Schleier weg. Die Bevölkerung versucht so, ihre Lebensfreude zu demonstrieren - gegen die Kultur der Trauer und des Todes, wie sie die Mullahs propagieren.

Fußball und Nationalismus scheinen unabdingbar zusammenzugehören.

Fußball, und besonders die WM, sollten ursprünglich dazu dienen, ein friedliches Miteinander der Völker zu propagieren - wir beobachten aber heute das Gegenteil. Die internationalen Kapitalinteressen haben auch die sportlichen Felder und Milieus erobert. Die mafiösen Kapitalinteressen erzeugen nationalistische Konkurrenzen.

Läßt sich die Reaktion des iranischen Publikums bei Fußballspielen mit denen der Fans in Europa vergleichen?

Nein. Im Iran nutzen weite Teile der Bevölkerung einfach nur jede Möglichkeit, um ihren Haß gegen die islamische Republik zu äußern. So natürlich auch beim Fußball: Die Auseinandersetzungen, die in den letzten Jahren in verschiedenen iranischen Fußballstadien - besonders im hunderttausend Zuschauer fassenden Amdjadije-Stadion - stattgefunden haben, zeigen, wie die Bevölkerung sich gegen die Mullahs zur Wehr setzt. Die Fußballfans liefern sich nach manchen Spielen richtiggehende Schlachten mit den Revolutionskomitees. Bei den Fußball-Ausschreitungen im Iran handelt es sich aber weniger um einen Ausdruck nationalistische Gefühle als vielmehr um Proteste gegen die Regierung. Sport und Politik sind im Iran eine explosive Mischung, dort benützen die Fans eben das Fußballspiel um zu zeigen, daß die Nationalmannschaft nicht den Mullahs gehört.

Wie sahen die Reaktionen im Iran während des Spiels gegen Jugoslawien aus?

Das Regime war in letzten Monaten sehr bemüht, falsche Erwartungen zu erzeugen: Der Iran müsse unbedingt Jugoslawien und Deutschland besiegen - oder zumindest unentschieden spielen - und unbedingt gegen die Amerikaner gewinnen. Dabei ist das Fußballspiel in Deutschland und Jugoslawien viel weiter entwickelt als im Iran. Während des Spiels des Iran gegen Jugoslawien sind auf den Straßen z. B. in Teheran verstärkt Revolutionskomitees stationiert worden, wie in den Zeiten des militärischen Ausnahmezustandes. Die Straßen waren während des Matches leergefegt, nur die Pasdaran patrouillierten dort. Die Mullahs wollen mit der Fußball-Nationalmannschaft der Welt beweisen, wie demokratisch und offen sie sind.

Und die iranischen Spieler?

Die Reporter dürfen nicht mit allen Spielern der iranischen Nationalmannschaft sprechen, Besuche sind nicht erlaubt. Der iranische Geheimdienst, der die Spieler begleitet, hat jegliche Kontaktaufnahme der Spieler mit im Ausland lebenden Iranern unterbunden. Dies zeigt wiederum, wie groß die Ängste der Mullahs vor den Konsequenzen einer Öffnung im Iran eigentlich sind.