Krieg niederer Intensität

Mexikos Armee ermordet Zivilisten, um Frieden zu schaffen

Die Menschenrechtsorganisation amnesty international (ai) verlangt vom US-amerikanischen Kongreß die Auskunft, ob mexikanische Truppen, die in den USA trainiert wurden, an Menschenrechtsverletzungen beteiligt waren. Ihre Forderung erhob die Gruppe in einem Bericht, der am 17. Juni in Washington vorgestellt wurde. Der ai-Präsident in den USA, William F. Schultz, wies zudem darauf hin, daß in den letzten Monaten 1 500 mexikanische Militärs in den USA ausgebildet wurden. Das Verteidigungsministerium rüste die mexikanische Armee mit Spezialisten in der "Kriegführung niederer Intensität" und mit Waffen aus (Jungle World, Nr. 17/98).

Eine Woche zuvor hatten mexikanische Militärs gemeinsam mit Polizeikräften und Paramilitärs die Ortschaften Chabajeval und Union Progreso im zapatistischen autonomen Landkreis San Jœan de Libertad überfallen. In dem Dorf Union Progreso zerstörten die Militärs Häuser, schlugen auf Zivilisten ein und exekutierten einige. Gleichzeitig wurde das in der Nähe gelegene Chavajeval mit der Unterstützung von Helikoptern und Flugzeugen gestürmt. Scharfe Munition und Tränengas wurden eingesetzt. Zwei Männer kamen dabei ums Leben, etliche weitere wurden festgenommen und sind seitdem nicht wieder aufgetaucht.

"Wenn sie uns tote Genossen zurückbringen, die sie lebend festgenommen haben, wurden sie von Bundessoldaten und der Polizei exekutiert" , heißt es dazu im Kommuniqué der 32 autonomen zapatistischen Gemeinden. Innenminister Francisco Labastida Ochoa beteuerte dagegen, das Militär sei von Milizen der zapatistischen Guerilla EZLN beschossen worden und habe nur deshalb reagiert, weil es "Frieden herstellen" wollte. Nachdem einer der Festgenommen diese Version bestätigte, wurde am vergangenen Wochenende ein Strafverfahren wegen Mordes gegen zehn EZLN-Sympathisanten eingeleitet.

Bereits am 7. Juni war es zu einem Militäreinsatz im Bundesstaat Guerrero gekommen. Im Dorf El Charco hatten sich nach Angaben von Einwohnern Guerilleros der Revolutionären Armee des aufständischen Volkes (ERPI) - einer bewaffneten Gruppe, die mit der in verschiedenen Regionen Südmexikos operierenden Revolutionären Volksarmee (EPR) in Verbindung steht - mit Repräsentanten verschiedener Dorfgemeinschaften getroffen. Die Armee stürmte daraufhin die Gemeinde und exekutierte elf Personen. "Es hat kein Gefecht gegeben, das war ein Massaker", äußerte ein lokaler Politiker der linken Oppositionspartei PRD.

Erika Zamora Pardo, eine Überlebende des Guerilla-Kommandos berichtet, sie sei in den auf ihre Verhaftung folgenden Tagen mit Elektroschocks gefoltert worden und von der Armee unter Druck gesetzt worden, die offizielle Version zu bestätigen. Wie die Nachbarn der Familie der Presse bekanntgaben, sind mittlerweile ihre Eltern und Geschwister von Paramilitärs entführt worden.

Die mexikanische Regierung unter Präsident Ernesto Zedillo von der seit fast 70 Jahren regierenden Partei der Institutionalisierten Revolution (PRI) eskalieren durch die Verweigerung eines Dialogs mit der zapatistischen EZLN und den konstanten militärischen Druck auf die oppositionellen Bauernorganisationen den Konflikt in Mexiko. Nicht nur in Chiapas, auch in den südlichen Bundesstaaten Guererro und Oaxaca münden die Konflikte zwischen linken oppositionellen Bauernvereinigungen und lokalen PRI-Machthabern sowie Grundbesitzern immer öfter in bewaffnete Auseinandersetzungen. Dabei setzten Militär und Regierung auf einen offensiven Repressionskurs, der mit Lippenbekenntnissen zum Verhandlungswillen kaschiert wird.

Das sieht auch Bischof Samuel Ru'z so, der die mexikanische Regierung beschuldigte, die Gespräche mit den aufständischen Zapatistas einseitig abgebrochen zu haben. Deshalb legte er am 7. Juni sein Amt als offizieller Vermittler im seit viereinhalb Jahren andauernden Chiapas-Konflikt nieder.

Für Verstimmung bei der mexikanischen Regierung sorgte unterdessen eine Erklärung der US-Außenministerin Madeleine Albright, die Mexiko nach den bekanntgewordenen Militäraktionen zu einer friedlichen Lösung in Chiapas aufgefordert hatte. Dies wurde von mexikanischen Abgeordneten als "Einmischung in die inneren Angelegenheiten" des Landes und als "Beleidigung" gewertet. Der Pentagon-Sprecher James Rubin stellte schließlich klar, daß die USA Mexiko lediglich um eine Verhandlungslösung "bitten".